Für Mia, fünf Jahre alt, gab es am Sonnabend überhaupt keinen Zweifel, wo es in Hamburg am schönsten ist: „In Harburg!“ Und warum? „Weil bei uns der Nikolaus schon am dritten Dezember kommt, und nicht erst am sechsten.“ Und nicht etwa zu Fuß – sondern auf einem schönen Schiff. Und mit einem Geschenkesack so groß, dass es eines Krans bedarf, um ihn an Land zu hieven.
Pünktlich um 14 Uhr fuhr die „Dark Princess“, eine Zalmschouw (Lachsfänger), unter dem tosenden Applaus Hunderter Harburger in den Binnenhafen ein. Wo sie alsbald am Lotsekai, unterhalb des mächtigen Mulchkrans, vertäut wurde. Dort hatten die emsigen Organisatoren vom MuseumsHafen Harburg ihren „Schwimmenden Nikolausmarkt“ aufgebaut, eine kleine Flaniermeile auf dem Wasser und zu Land. An den Ständen gab es Glühwein und Kekse und jede Menge Kunsthandwerk, das nicht nur in der Adventszeit schmückt.
Ein Nikolaus-Missgeschick beim Anlanden
„Habt ihr denn auch alle schön eure Schuhe geputzt?“, wollte der Nikolaus vor seinem Landgang pflichtschuldigst wissen. Natürlich erntete er ein einhelliges Ja. Es wollte ja keiner riskieren, dass der Geschenkebringer gleich wieder abdreht. Vielleicht hätte der es mit seiner eigenen Schuhpflege aber weniger genau nehmen sollen. Denn als er die stählerne Leiter hinauf zum Lotsekai erklimmen wollte, rutschte er ab und landete bis zu den Schultern im Hafenbecken.
Doch weil der fromme Mann nicht nur großzügig im Geben, sondern offenbar auch hart im Nehmen ist, zog er sich geschwind selbst aus der eiskalten Brühe. So blieb die Schrecksekunde von den meisten Schaulustigen unbemerkt. Zumal zeitgleich „Kranführer“ Gorch von Blomberg den Riesensack routiniert an Land bugsierte.
Ein kleiner Junge wollte dann aber doch wissen, warum der Nikolaus denn so triefend nass sei. Worauf der Rauschebart schlagfertig antwortete: „Weil die Sonne so schön scheint, bin ich etwas ins Schwitzen geraten.“ Was Binnenhafenbarde Werner Pfeifer frotzelnd bezweifelte: „Quatsch, du wolltest mit deinem Sprung ins Wasser doch bloß ins Fernsehen.“
Das hätte Sankt Nikolaus auch so geschafft. Denn spätestens, als er – tatkräftig unterstützt von Engel Lara, alias Schiffseigner Lars Beyer – endlich daran ging, den Inhalt des mannshohen Sacks zu verteilen, wurde er endgültig zum gefragten Medienstar. Zwei Kamerateams und zig Fotografen umschwärmten das Duett. Das geduldig posierte, bis auch der letzte Hobbyknipser sein Wunschbild im Kasten hatte.
Damit konnte sich St. Nikolaus aber noch immer nicht ins Warme flüchten, um sich seiner nassen Klamotten zu entledigen. Zuvor hatte er nämlich noch die ehrenvolle Aufgabe, für das Hamburg-Journal des NDR als Prominenter des Tages das Wetter anzusagen. Und damit kannte er sich nach seinem unfreiwilligen Vollbad ja nun wirklich aus.
Das kalte Wasser tat der Laune keinen Abbruch
„Ja, die aktuelle Wassertemperatur hätte ich auch noch verkünden können“, sagte der Nikolaus, alias Adrian Carstens, dem Abendblatt. Interessant wäre es allemal gewesen. Denn dann hätten die NDR-Gucker auch erfahren, dass das Wasser im Harburger Hafenbecken in der Regel noch zwei Grad kälter ist als die Elbe. „Weil der Binnenhafen auch aus der Seeve gespeist wird“, so Carstens.
Wenn das so stimmt, dann war das Harburger Hafenwasser am Sonnabend um die zwei Grad kalt. Was der guten Laune des 37-Jährigen aber nichts anhaben konnte. „Auf diesen Tag habe ich mich schon seit Wochen gefreut“, verriet er. Musste er bei der Premiere des „Schwimmenden Nikolausmarktes“ im Vorjahr noch mit einem geborgten Kostüm auftreten, so hatte er sich diesmal ein eigenes besorgt.
Wie sehr sich Carstens, der beruflich als IT-Berater unterwegs ist, mit seiner Rolle als St. Nikolaus identifiziert, verrät auch sein Bart. Denn der war nicht etwa angeklebt, sondern echt. „Seit einer Segeltour im Sommer habe ich mich nicht mehr rasiert um ihn wachsen zu lassen. Nur bei der Farbe habe ich mit etwas Schminkwachs nachgeholfen“, so Carstens.
Dann aber wollte er endlich auf seine „Jonathan O’Mahorn“, ein holländisches Plattbodenschiff, Baujahr 1904. Das liegt als Teil des Museumshafens zwar nur wenige Meter vom Mulchkran entfernt, schien an diesem Tag aber unerreichbar. Die kleine Mia wollte den Nikolaus nicht gehen lassen, ohne ihm das extra in der Kita eingeübte Gedicht aufzusagen. Das durfte sie natürlich. Immerhin hatte der Nikolaus noch nicht einmal genießt. Und die Sonne schien auch noch vom stahlblauen Harburger Himmel.
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