Harburg. Die Endmoränenlandschaft Harburgs hält für Fahrradfahrer so manchen fiesen Anstieg bereit. Das letzte Stück der Großen Straße in Eißendorf, kurz bevor sie auf den Hainholzweg trifft, ist einer der fiesesten. 10 Prozent Steigung lassen hier die meisten Radfahrer zu Radschiebern werden.
Die Kommunalpolitiker Peter Bartels (SPD), Robert Klein (Grüne) und Jörn Lohmann (Linke) ficht das jedoch gerade gar nicht an: Fröhlich strampeln sie die Straße hinauf, begleitet von mehreren Mitgliedern des Allgemeinen Deutschen Fahrradclubs (ADFC). Dass sie dabei nicht außer Atem geraten liegt daran, dass die Fahrräder beim Fahren helfen: Es sind Pedelecs, auch E-Bikes genannt. Der Anteil dieser Räder am Fahrradverkehr wächst stetig.
Der ADFC hat die Politiker zu dieser Tour eingeladen und dafür extra ein Dutzend der Elektromotor-unterstützten Räder gemietet. „Wenn wir davon reden, dass die Harburger Radverkehrsquote, sie liegt bei etwas über fünf Prozent, viel zu niedrig ist und man mehr in die Fahrradinfrastruktur investieren muss, damit man halbwegs an die Hamburger Zielquote von 20 Prozent herankommen kann, wird uns immer wieder entgegnet, dass das hauptsächlich an der hügeligen Harburger Topographie liegt“, sagt Frank Schmoll, Sprecher der Harburger ADFC-Ortsgruppe. „Wir wollen zeigen, dass es auch Möglichkeiten gibt, die Topographie auszutricksen.“
Die Einladung ging an alle sechs Fraktionen der Bezirksversammlung und an die beiden FDP-Abgeordneten. Ihr gefolgt sind nur die drei schon erwähnten Abgeordneten. Mit Jörn Lohmann ist wenigstens ein Fraktionsvorsitzender dabei. „Eine CDU-Abgeordnete hat sich heute morgen krank gemeldet“, sagt Frank Schmoll. „Das finde ich schade, denn gerade die CDU argumentiert oft mit den Bergen gegen das Fahrradfahren. Deshalb hätte ich besonders gerne den Verkehrsausschussvorsitzenden Rainer Bliefernicht dabei gehabt.“
Los geht es vor dem Rathaus mit einer kurzen Einweisung. Anschalten, Unterstützungsgrad auswählen, losfahren, wie mit einem normalen Fahrrad. Schon auf dem flachen Rathausplatz macht sich der Elektromotor bemerkbar: Das Anfahren geht fast von alleine und unterstützt beschleunigt sich das Fahrrad auch viel müheloser. Drei Stufen stehen zur Auswahl: eco, normal und hoch. Kombiniert mit den sieben Gängen der Nabenschaltung hat man 21 Varianten zur Auswahl.
Dann fährt die Gruppe Richtung Schwarzenberg. Die erste Steigung wird getestet. Ein E-Bike fährt nicht von allein. Man muss schon selbst in die Kurbel treten, der Motor gibt nur seine Kraft dazu. „Das ist ja wie Rückenwind“, freut sich Jörn Lohmann, während er zügig den Berg hinauffährt.
Oben geht es über die Heimfelder Straße weiter. Durch die Leichtigkeit des Anstiegs übermütig geworden, wollen die ersten Teilnehmer auf der geraden Strecke schon mal sehen, wie schnell sie mit dem E-Bike werden. Es folgt eine kleine Enttäuschung: Der Motor hört bei 25 km/h auf zu unterstützen und wenn man es ganz alleine antreiben muss, merkt man, dass so ein Pedelec schwer ist. Deshalb sollte man auch besser immer auf den Akkustand achten.
Über die Triftstraße fährt die Gruppe zur Großen Straße hinunter und über die Große Straße dann zum E-Bike-Härtetest, dem erwähnten Anstieg kurz vor dem Hainholzweg. Ganz ohne Anstrengung lässt der sich nicht bewältigen, aber der Aufwand hält sich in deutlichen Grenzen.
Oben gibt es zur Stärkung ein alkoholfreies Harburger Craft Beer und ein paar Hintergrund-Daten: Ein Zehntel der in Deutschland gekauften Fahrräder sind mittlerweile E-Bikes. „Es stimmt, dass die meisten davon von älteren Leuten gekauft werden“, sagt ADFC-Miglied Björn Loss. „Und das ist ganz gut so. Mit steigendem Alter wird man immer bequemer. Durch das E-Bike bleiben Menschen aktiv und das ist gesund. Aber auch dafür muss eine gute Fahrrad-Infrastruktur in den Städten vorhanden sein.“
Angesichts des demografischen Wandels – die Leute aus den Baby-Boomer-Jahrgängen überschreiten in den nächsten acht Jahren allesamt die 60 – wird der Anteil an E-Bikes am Fahrradverkehr in den nächsten zehn Jahren ständig zunehmen. „Und dann sind weder das Alter, noch die Hügel noch ein Argument gegen eine vernünftige Fahrradpolitik“, sagt Loss.
Bei SPD, Grünen und Linken stößt er mit dieser Argumentation auf offene Ohren. „Es ist allerdings immer langwierig, vernünftige Fahrtradkonzepte durchzusetzen“, erklärt Robert Klein. „Meistens lehnt die Polizei als untere Verkehrsbehörde Maßnahmen zu Lasten des Autoverkehrs ab. Dann muss das Projekt in der Bürgerschaft beschlossen werden, damit man die Verkehrsbehörde übergehen kann. Das dauert jedes Mal.“
Einen kleinen Schritt, um die Fahrrad-Infrastruktur zu verbessern hat die Harburger Bezirksversammlung gerade wieder vollbracht: Der Hauptausschuss beschloss einstimmig, das Göhlbachtal zur Fahrradstraße zu machen. Der Antragsteller immerhin war auf der E-Bike-Tour dabei: Peter Bartels von den Sozialdemokraten.
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