Neugraben-Fischbek. Fahrgäste auf den stark frequentierten S-Bahnlinien 3 und 31 zwischen Neugraben und dem Hauptbahnhof müssen auch in den nächsten Jahren mit voll besetzten Zügen rechnen. Zwar wird die Freie und Hansestadt Hamburg drei zusätzliche Langzüge anschaffen, die ab dem Jahr 2019 in Betrieb gehen sollen.
Um bei dem erwarteten Zuwachs an Fahrgästen eine ausreichende Anzahl Sitzplätze auf der Linie S3 garantieren zu können, müssten jedoch vier Langzüge angeschafft werden. Das geht aus einer Antwort des Senats auf eine Kleine Anfrage der CDU-Bürgerschaftsabgeordneten André Trepoll und Birgit Stöver hervor.
Freie Zugkapazitäten stehen der S-Bahn heute zu den Hauptverkehrszeiten nicht zu Verfügung, beschreibt der Senat in seiner Antwort das, was Berufspendler in Süderelbe auf dem Weg in die Harburger Innenstadt jeden Tag erleben: Die meisten müssen sich mit einem Stehplatz begnügen, wenn aus Neu Wulmstorf voll besetzte Wagen eintreffen. Der Qualitätsstandard der S-Bahn in Hamburg sieht vor, dass mindestens 56 Prozent der Fahrgäste einen Sitzplatz finden.
„Drei zusätzliche Züge bis 2019 reichen auf jeden Fall nicht aus“, sagt André Trepoll. Anstatt sich unentwegt mit Tempo 30 auf Hauptverkehrsstraßen oder Fahrverbote für Diesel-Fahrzeuge zu befassen, solle der rot-grüne Senat besser darüber nachdenken, den Öffentlichen Personennahverkehr attraktiver zu machen, so der Hamburger CDU-Fraktionsvorsitzende.
Über die Frage, wie der Stadtteil Neugraben-Fischbek den Verkehr bei dem erwarteten Zuwachs von 12.500 Einwohnern – so die neueste Prognose des Fachamtes Stadt- und Landschaftsplanung im Bezirksamt Harburg – bis zum Jahr 2025 bewältigen kann, haben sich Bürger und Experten aus der Verwaltung im Bildungs- und Gemeinschaftszentrum Neugraben Gedanken gemacht. Unter dem Titel „Entwicklungsperspektiven Neugraben-Fischbek 2025“ tritt das Bezirksamt Harburg mit Bürgern in den Dialog.
Die S-Bahn ist bereits jetzt deutlich überlastet
Die S-Bahn sei deutlich überbelastet, sagt Harburgs Baudezernent Jörg Heinrich Penner. Teilnehmer der Bürgerbeteiligung könnten sich eine Entlastung vorstellen, würde die private Eisenbahngesellschaft Metronom mit ihren Zügen in Neugraben halten. Das aber ist nicht vorgesehen: Die Bahn habe ermittelt, das dafür kein Bedarf bestehe, sagt der Baudezernent.
Bei der Ideenwerkstatt ist erlaubt, das scheinbar Unmögliche zu denken: Die Bürgerinitiative Neugraben-Fischbek schlägt vor, die S-Bahnhaltestelle Fischbek in das geplante Neubaugebiet Fischbeker Reethen zu versetzen. „Der jetzige Standort des S-Bahnhofes Fischbek ist unattraktiv“, sagt Sven Blum.
Städtebaulich mache der Vorschlag Sinn, sagt Jörg Heinrich Penner. Aus finanziellen Gründen bleibe er aber eine Utopie. Die S-Bahnhaltestelle Fischbek um einige hundert Meter zu versetzen, würde etwa 20 Millionen Euro kosten. Deshalb hält der Baudezernent den Vorschlagt nicht für realistisch. Als utopisch bewertet er auch Idee, den Elbtunnel für die Bahn und Radfahrer zu öffnen.
Die heute 27.500 Einwohner von Neugraben-Fischbek ärgern sich über verstopfte Straßen und zugeparkte Wege. Wie soll der Verkehr fließen, wenn zusätzlich 12.500 Menschen in dem Stadtteil leben?
Harburgs Baudezernent verblüfft mit der Aussage, dass der Autoverkehr seit dem Jahr 1990 leicht abnehme. 40.000 Fahrzeuge pro Tag bewegen sich heute im Zentrum Neugraben auf der Bundesstraße 73. Trotz der erwarteten zusätzlichen mehr als 12.000 Einwohner erwarten die Experten keine Zunahme des Autoverkehrs auf dieser Straße. Grund: Mit dem Bau der geplanten A26 würde sich die Anzahl der Fahrzeuge auf der B 73 auf 31.000 verringern, so die Prognose.
Die Wohnquartiere werden früher fertig als die A 26
Mit den zusätzlichen Einwohnern in den Baugebieten Fischbeker Reethen und Heidbrook würde der Autoverkehr zwar um 16 Prozent zunehmen, aber immer noch unter der jetzigen Belastung bleiben, erläutert Jörg Heinrich Penner.
Allerdings ist das eine Rechnung mit einer Unbekannten: Die neuen Wohnquartiere in Neugraben-Fischbek werden früher entwickelt als die Autobahn 26 gebaut sein wird. Eine optimistische Schätzung sieht den Betrieb der A26 im Jahr 2022. Auch das Jahr 2024 wird kolportiert. Sicher ist keine der Erwartungen.
Bewohner des Neubaugebietes Vogelkamp erhalten die Möglichkeit, ohne eigenes Auto auszukommen. An dem Quartiersplatz wird ein Car-Sharing-Angebot geschaffen werden, berichtet Jörg Heinrich Penner.
Auch Ladestationen für Elektroautos sind dort vorgesehen. Im Gespräch sei ein Car-Sharing-Angebot zusätzlich im Neubaugebiet Fischbeker Reethen – sicher ist das aber noch nicht. Die Einwohner von Neugraben-Fischbek dürfen allerdings mit einer neuen Buslinie rechnen, die das Quartier Vogelkamp erschließen wird.
Die Entwicklungsperspektiven in Neugraben-Fischbek zeigen sich zwar nicht in Utopien, aber durchaus im Kleinen: Der Wunsch nach einem überwachten Fahrradhaus am S-Bahnhof Neugraben hat Chancen, Wirklichkeit zu werden, obwohl die Stadt Hamburg sich damit scher tue. „Wir planen ein Fahrradhaus zunächst am Harburger Bahnhof“, berichtet Jörg Heinrich Pennern.
Aber am Neugrabener Bahnhof könne ein weiteres folgen.
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