Saucensensation

Wilhelmsburger Ketchup aus Erdbeeren erobert Szeneläden

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Thomas Sulzyc
John-Hendric Matthies präsentiert am Wilhelmsburger Elbdeich sein hausgemachtes Ketchup

John-Hendric Matthies präsentiert am Wilhelmsburger Elbdeich sein hausgemachtes Ketchup

Foto: Thomas Sulzyc

Ein Wilhelmsburger Gourmet hat die Würzsauce neu erfunden. In Hamburgs angesagten Vierteln wird sie immer beliebter. Expansion geplant.

Wilhelmsburg.  Ein hausgemachtes Ketchup aus Wilhelmsburg wird in Hamburgs angesagten Vierteln immer beliebter. Wer ernährungsbewußt ist und wem regionale Lebensmittel wichtig sind, verfeinert Gegrilltes, Pommes oder Nudelgerichte mit „John’s Ketchup“. Zurzeit vertreibt Hersteller John-Hendric Matthies seine Würzsauce in vier exklusiven Läden in Wilhelmsburg, St. Pauli und Ottensen. Bis Ende des Jahres plant der 51-Jährige, den Vertrieb auf zehn Läden in der Stadt auszuweiten.

Der Wilhelmsburger kocht Ketchup für Erwachsene. Die klebrig-süße, zähflüssige Pampe, die Kinder zu Pommes lieben, überlässt er der Industrie. Während für alle heute im Handel üblichen Ketchupsorten die Tomate die Grundlage darstellt, basiert „John’s Ketchup“ auf Kürbis, Pflaume, Aprikose oder Erdbeere. Der Kenner erkennt die vier Sorten an der Nummer auf dem schlicht gehaltenen Etikett, das die hausgemachte, exklusive Produktion unterstreicht. „Wie bei Coco Chanel“, sagt Matthies.

„John’s Ketchup“ geht zu den Ursprüngen Mitte des 19. Jahrhunderts und Anfang des 20. Jahrhunderts zurück, als die Würzsauce aus Tomaten, Essig, Salz und Gewürzen in Großbritannien und den USA populär wurde. Mitte des 19. Jahrhunderts wurde Ketchup in den Haushalten überwiegend selbst gekocht. Der heutige Marktführer Heinz eroberte ab 1900 seine beherrschende Stellung auf dem US-Markt. Damals waren die Ketchupsorten dünnflüssiger und bitterer.

Wie kommt der Ketchup aus der Flasche? Das in Frauenzeitschriften stets wiederkehrende Thema stellt sich bei der Wilhelmsburger Würzsauce nicht. John-Hendric Matthies stellt sie dünnflüssig her, so dass nahezu nichts am Glas haften bliebt. „Ein Tropfen ist genug Geschmack“, sagt der Produzent.

Den Pflaumen-Ketchup mit der weihnachtlichen Zimtnote empfiehlt er zu dunklem Fleisch und zu allem, was Preiselbeeren verträgt. Der Erdbeer-Ketchup gibt Rührei und Fischstäbchen Würze. Mit dem Aprikosen-Ketchup lässt die sich asiatische Gemüsepfanne neu verfeinern.

„John’s Ketchup“ entstand im Jahr 2007 als Idee zu einer Illustration. Matthies’ Freundin Kirsten Maria Peter, eine Illustratorin, entwarf Zeichnungen zum Thema Kürbis. „Sie wollte Ungewöhnliches dazu haben. Und Kürbis-Ketchup kannte niemand“, sagt Matthies. Also entwarf er eine Würzsauce auf Kürbis-Grundlage, heute seine Sorte mit der Nummer eins.

Gerne gekocht hat der frühere Schifffahrtskaufmann sein Leben lang. Viel Zeit hat er bei seiner Mutter und seiner Oma in der Küche verbracht. In den Ketchup-Markt stieg John-Hendric Matthies ein, als er sich mit einem mobilen Suppenladen selbstständig machte.

„Ich habe ganze Nächte am Herd gestanden und experimentiert“, sagt er. Der Berater seiner Bank habe ihm nahe gelegt, sein Angebot zu erweitern, falls Suppe mal nicht Saison habe. Also kam hausgemachtes Ketchup hinzu, und der Kreditgeber war überzeugt.

Den Suppenwagen gab John-Hendric Matthies auf, als seine Lebensgefährtin ein Kind erwartete. Bei der Tour über die Wochenmärkte wäre er zu oft von zu Hause weg gewesen. Heute kocht John-Hendric Matthies im Hauptberuf in der Sozialarbeit mit Kindern. Seinen hausgemachten Ketchup, den er in der Freizeit produziert, passt bestens in den Trend zu regionalen Produkten, der mittlerweile zum Lifestyle in den Großstädten gehört.

John’s Ketchup entsteht nahe dem Spreehafen in unmittelbarer Nähe zu dem Deich, der die Elbinsel Wilhelmsburg schützt. In dem früheren Verwaltungsgebäude eines Hafenunternehmens haben sich verschiedene Kreative zusammengefunden – Illustratoren, Modeschöpfer und eben der Foodproduzent.

Ketchup für 50 Flaschen kocht John-Hendric Matthies hier in vier Stunden. Das ist keine Produktion, die dem Marktführer Heinz Sorgen bereiten muss. Aber der Neu Wulmstorfer Gastronom Thomas Hauschild hat auch im Keller angefangen, um mit seinem Dressing „Sylter Salatfrische“ in die erste Liga der Lebensmittelproduzenten in Deutschland aufzusteigen.

Das Geheimnis aller Ketchups liege in der Gewürzmischung, sagt John-Hendric Matthies. Und natürlich bei der dominierenden Zutat. Die Pflaumen besorge er zum Beispiel bei Obstbauern im Alten Land. „Was auf dem Etikett steht, muss man auch schmecken“, sagt der Foodproduzent.

Das ist nicht selbstverständlich. In Israel ist das Gesundheitsministerium gegen Marktführer Heinz eingeschritten, weil das Produkt zu wenig Tomatenkonzentrat enthalte. Der Ketchup-Gigant dürfe sein Produkt in dem Land nicht mehr Ketchup nennen und müsse es als „Würzmittel” zertifizieren, berichtete die Tageszeitung „Die Welt”.

Jeder Tropfen seines Ketchups enthalte genug Geschmack, sagt John-Hendric Matthies. Niemand solle die Hauptspeise in Sauce ertränken: „Die Wurst ist die Hauptsache. Mein Ketchup bekommt den Oscar für den besten Nebendarsteller”, sagt er. Aber diesen Preis will er auch gewinnen.

John’s Ketchup ist erhältlich bei „Quiddje“ in Wilhelmsburg (Veringstraße 69), „St. Pauli Delikat“ (Clemens-Schultz-Straße 55), „Obst und Gemüse der Saison“ in St. Pauli (Lange Straße 3) und „Tide Treibholz und Feinkost“ in Ottensen (Rothestraße 53).

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