Harburg

Harburger Koalition verärgert über Senatsvertrag

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Lars Hansen

Initiative Neugraben-Fischbek und Stadt schließen „Bürgervertrag“. Bezirksversammlung fühlt sich übergangen

Harburg. In den Fraktionen der Harburger Bezirksversammlung herrscht Unmut über den „Bürgervertrag“, den der Senat und die Bürgerinitiative Neugraben-Fischbek (BINF) gestern vorstellten (das Abendblatt berichtete). Die Fraktionschefs der Großen Koalition, Jürgen Heimath (SPD) und Ralf-Dieter Fischer (CDU) werden das Papier nicht unterzeichnen, obwohl Felder für ihre Unterschriften vorgesehen sind, teilte Fischer gestern mit.

Die Kernkritik: Der Vertrag, der weit über die Unterkunftsgröße hinaus geht, berührt zahlreiche Bereiche von Politik und Infrastruktur, in denen eigentlich die Bezirksversammlung die Entscheidungskompetenz hat. Auch aus der Opposition wird der Vertrag deshalb kritisiert: Die Fraktion der Linken veröffentlichte eine Pressemitteilung in dem selben Tenor. Lediglich die Grünen begrüßen den Vertragsentwurf bislang. „Es stellt sich die dringende Frage, auf welcher Grundlage ein solcher Vertrag eigentlich abgeschlossen werden kann“, kritisierte der Linken-Fraktionsvorsitzende Jörn Lohmann. „Wenn wir auch immer wieder Bürgerbeteiligung bei der Gestaltung der Unterkünfte für Geflüchtete gefordert haben, kann es nicht angehen, dass die demokratisch gewählten Gremien hier vom Senat komplett ausgehebelt werden und einfach ein Vertrag mit einer selbsternannten Bürgerinitiative darüber geschlossen wird. Mit welcher Legitimation denn?“

Besonders bedenklich finden Fischer und Lohmann eine Passage im vorab bekannt gewordenen Vertragsentwurf, nach der für Neugraben-Fischbek ein Quartiersbeirat eingesetzt werden soll. In diesem Beirat soll die BINF eine garantierte Stimme haben. Es gibt bereits einen Stadtteilbeirat in Neugraben. Als in diesem kürzlich ein Sitz nachbesetzt werden musste, hatte sich auch die BINF beworben. „Der Kandidat der BINF erreichte das schlechteste Ergebnis“, sagt Lohmann. „Das spricht nicht dafür, dass die Anwohner in Neugraben sich von der BINF vertreten fühlen.“

Fischer kritisiert auch, dass der Verhandlungsführer der Stadt, der Vorsitzende der SPD-Bürgerschaftsfraktion, Andreas Dressel, unter großem Druck gestanden habe. „Die Stadt möchte unbedingt einen Volksentscheid über ihre Flüchtlingspolitik vermeiden, denn dieser würde wahrscheinlich mit der Bundestagswahl zusammen zur Abstimmung kommen, und der Bürgermeister fürchtet, dass dann auch allgemeine Unzufriedenheit mit der bundespolitischen Lage das Ergebnis beeinflussen könnte“, vermutet Fischer.

In der CDU-Bürgerschaftsfraktion hingegen triumphiert man: „Es ist gut, dass die rot-grüne Koalition ihr Scheitern jetzt eingestanden hat und endlich auf die Bürgerinitiative Neugraben-Fischbek zugegangen ist“, erklärt ausgerechnet Fischers politischer Ziehsohn, der Fischbeker Bürgerschaftsfraktionsvorsitzende André Trepoll.

Vom Bauplanungsrecht über die Verteilung der bezirklichen Mittel für die Jugendhilfearbeit bis hin zu Quartiersprojekten macht der Vertrag Aussagen zu Bereichen, die eigentlich in der Bezirksversammlung entschieden und abgestimmt werden. So soll zum Beispiel der Ortsamtsbereich Süderelbe über die Hälfte der Jugendhilfemittel zugesichert bekommen. Diese würden im Harburger Kerngebiet abgezogen werden.

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