Tostedt

„Ein charmanter Knall ist erlaubt“

| Lesedauer: 6 Minuten
Bianca Wilkens
Und Hopp! Hinein ins Ausstellungsvergnügen. "Udo sagt ja immer, ein charmanter Knall ist erlaubt", zitiert Erwin Hilbert, der für verrückte Sachen gut zu haben ist

Und Hopp! Hinein ins Ausstellungsvergnügen. "Udo sagt ja immer, ein charmanter Knall ist erlaubt", zitiert Erwin Hilbert, der für verrückte Sachen gut zu haben ist

Foto: Bianca Wilkens / HA

Erwin Hilbert , ehemaliger Privatsekretär von Panikrocker Udo Lindenberg, stellt zum ersten Mal seine Werke aus. Schau läuft bis zum 25. April in Tostedt.

Udo, und immer wieder Udo. Udo, der Instrumente spendet. Udo in der Realschule. Udo, der keinen Sekt, sondern nur Champagner trinkt. Udo, als er das erste Bild abkauft. Der Musiker und Maler Erwin Hilbert war drei Jahre Privatsekretär von Udo Lindenberg und an zehn Produktionen beteiligt. Er half beim Aufbau des Panikorchesters für die erste offizielle DDR-Tournee mit und begleitete den Panikrocker in den Anfängen seiner Malerei. Das ist lange her. Doch die Jahre prägten Erwin Hilbert wie keine anderen.

Jetzt aber will Erwin Hilbert, 65, sein Ding in der Malerei machen – so wie Udo immer sein Ding machte und macht – gut herauszuhören aus Lindenbergs gleichnamigem Song. Der erste Schritt dahin ist Hilberts Ausstellung „Goldakrobaten & Horizonte“, zu sehen in Tostedt. Vor einigen Wochen war die Vernissage. 150 Menschen kamen. „Eine total schöne Veranstaltung“, sagt Erwin Hilbert. Udo war nicht unter den Gästen. Das war vielleicht auch besser so. „Sonst hätte er doch zu sehr von meinen Bildern abgelenkt“, sagt Hilbert.

Die Ausstellung läuft bis Montag, 25. April, im Medienwerk 15, Friedrich-Vorwerk-Straße 15, in Tostedt. Es ist die erste, die Geschäftsführer Klaas Dittmer in dem Medienzentrum, das er vor einem Jahr eröffnet hat, zeigt. 7000 Euro hat Dittmer in Lichttechnik und Bühne investiert und Hilbert zum Kulturbeauftragten ernannt. Vier bis fünf Kulturveranstaltungen pro Jahr sollen im Medienwerk 15 laufen, um die sich Hilbert dann kümmert. „Kultivieren heißt ja umpflügen. Ich möchte die dröge Kulturlandschaft umpflügen und Neues hereinholen“, sagt Hilbert.

In den 80er-Jahren lernte Erwin Hilbert Deutschrocker Udo Lindenberg kennen

Seit 2011 widmet sich Hilbert verstärkt der Kunst und beendete damit nach 33 Jahren seine Arbeit als Pädagoge in der Kinder- und Jugendarbeit. Sein erstes Bild entstand Ende der
70-er-Jahre. „Da habe ich gemerkt, da will was raus“, sagt er. Seitdem hat er „immer so’n bisschen“ gemalt. Doch erst, als „Der Strich“ und „Der Punkt“ entstanden, wurden andere auf seine Arbeiten aufmerksam. Auch Udo. „Ich verliebte mich in sein Werk ,Der Punkt’ (...). Inzwischen reiht er ein originelles Werk ans Andere“, schreibt Udo Lindenberg in seinem Grußwort im Begleitheft zur Ausstellung

.

Hilbert entwickelte seine Arbeiten weiter. Heraus kamen die Goldakrobaten – „einfache Strichmännchen“ oder „Kritzelkunst“ wie Hilbert sagt. Eines der Männchen verpasst einem Tiger den Goldenen Schuss. Ein anderes träumt im All. „Gut abgefüllt mit Rotwein“, sagt Hilbert. Ein nächstes wagt den Sprung. „Den liebe ich so – den Sprung ins Ungewisse.“

So muss es sich auch angefühlt haben, als Erwin Hilbert in den 80er-Jahren begann, mit Udo Lindenberg zusammenzuarbeiten. Weil für ein Bandprojekt in der evangelischen Kinder- und Jugendhilfe In­strumente fehlten, bat Hilbert damals angesagte deutsche Musiker um Spenden. Nena gab etwas, Klaus Lage auch. Und Udo Lindenberg spendete. „Am Ende hatten wir eine Bandausrüstung zusammen“, erinnert sich Hilbert.

Auf den Instrumenten übten auch Hilberts Kinder Kieran und Lukas. Daraus entstand schließlich die Band „The Future“. Lukas Hilbert war damals zwölf und Kieran 14 Jahre alt. „Es war Deutschlands jüngste Rockband, die auf Udo Lindenbergs Instrumenten spielte“, sagt Erwin Hilbert. Die Band gewann 1985 das NDR-Hörfest und bekam kurz danach ihren ersten Schallplattenvertrag. Später produzierte „The Future“ mit Rolf „Rocco“ Klein, dem Gitarristen von Klaus Lage, die Single „Isabell“ und tourte durch Deutschland. So ein Konzert sollte sich Udo Lindenberg anschauen, fand Erwin Hilbert, der „The Future“ managte.

Udo Lindenberg holte die Söhne Kieran und Lukas ins Panikorchester

Hilbert lud ihn ein. Udo kam. „Dann sagte er zu meinen Söhnen: Die beiden Kleinen möchte ich haben“, so Hilbert. Lindenberg nahm die Jungs 1988 mit auf seine Feuerlandtour, holte sie in sein Panikorchester und machte Erwin Hilbert zu seinem Privatsekretär. Hilbert konnte Lindenberg auch für ein Konzert in der Tostedter Realschule gewinnen. Gemeinsam erarbeiteten die Hilberts mit Lindenberg das Album „Ich will Dich haben“, für das Lindenberg Gold erhielt.

„Wir haben uns schätzen und lieben gelernt“, sagt Hilbert. „Wir waren wie ein Ehepaar ohne Sex.“ Das das so war, liegt sicherlich auch an ihrem Hang zum Verrückten. „Udo sagt immer, ein charmanter Knall ist erlaubt“, sagt Hilbert. Man sieht, dass er sich das zum Leitgedanken gemacht hat. Gelbe Brille, Latzhose, Kappe, unter der die langen Haare hervorlugen – so ein Anblick ist selten in Tostedt, wo sich die Outfits der Menschen in der Regel nur in den Farben der Funktionsjacken unterscheiden.

Erwin Hilbert war dabei, als Udo Lindenberg seine Meilensteine in der Karriere durchschritt. Gemeinsam mit seinen Söhnen half Hilbert mit beim Aufbau des Panikorchesters für Lindenbergs erste offizielle DDR-Tournee. „Lukas war der musikalische Direktor“, sagt Hilbert. „Mit 15“, schiebt er hinterher und lacht. Auf der Tour entstanden auch die ersten Zeichnungen von Udo Lindenberg. Erwin Hilbert brachte Stifte und Zeichenblock in den Tourneebus. Udo zeichnete.

„Während wir gut gelaunt und leicht beschwipst durch die inzwischen breiter gewordene ,Bunte Republik Deutschland’ fuhren, fertigte ich die ersten Udogramme an“, schreibt Lindenberg in seinem Grußwort.

Die Minimalzeichnung „Notausgang“ vergrößerte Erwin Hilbert in ein Riesenformat. Das Bild zeigt einen Alkoholiker, vor ihm das Glas, hinter ihm der Notausgang. Die Aktion ebnete den Weg für eine Testausstellung im Atlantic Hotel mit großflächigen Bildern. Kurz darauf folgte Lindenbergs Bilderserie „Die 10 Gebote!“, mit der ihm 2002 der Durchbruch in der Malerei gelang.

„Ein Publikumsknaller“, sagt Hilbert. Auch da hatte der Tostedter seine Finger im Spiel. Er war es, der Lindenberg bei Rotwein und Spaghetti den Filmklassiker „Die 10 Gebote!“ zeigte und die erste Großausstellung in der Kirche St. Jakobi koordinierte. „Es hat Spaß gemacht“, sagt Hilbert. „Geblieben ist eine große Freundschaft.“

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