Wilhelmsburg. Die Bilder tragen verstörende Titel wie „Lunge & Bacon”. Sie sind voll mit Muskeln, Bindegewebe, Knorpel, Knochen, Zähnen und Fasern. Was sich unappetitlich anhört, entpuppt sich im großen Format auf der Leinwand als Landschaft, die den Blick in das Innerste des Menschen wirft. „In & out” lautet dann auch der Titel der Ausstellung mit Werken von Christian Waldbüßer im Atelierhaus23.
Eine Bilderreihe mit Fleischlandschaften hat die Künstlerin aus Ehestorf geschaffen. Man könnte auch sagen, die Fleischbeschau der Christina Waldbüßer gibt dem Kilo Rinderrippen aus dem Discounter wieder seinen Wert zurück. Fleisch auf der Leinwand hat in der Kunst Tradition.
Der „Geschlachtete Ochse” von Rembrandt (1606 bis 1669) zeigt ein Rindvieh, das wie gekreuzigt an den Hinterbeinen hängt. Christine Waldbüßer nimmt auf den niederländischen Meister Bezug und hat eine ihrer Organansammlungen „Rembrandts Ochse” genannt.
Zur Eröffnung ihrer Ausstellung fordert die Künstlerin die Besucher auf, über richtige und verfälschte Anatomien zu grübeln. Die Werke ihrer Reihe Fleischlandschaften stehen im Mittelpunkt, die Werkschau erschöpft sich aber nicht darin. Beinahe naturalistisch kommt ein Bild daher, das den Hamburger Michel zeigt. Nur mit der kleinen Gemeinheit, dass Christine Waldbüßer der Hamburger liebste Kirche beinahe hinter Dampf oder Dunst verschwinden lässt.
In ihren Apothekenbildern übermalt Christine Waldbüßer medizinische Schautafeln aus den 1970er-Jahren und ergänzt sie mit Bildfetzen aus Zeitschriften. Auch in den Collagen setzt sich die Künstlerin mit dem menschlichen Innenleben auseinander.
Das Wartezimmer eines Arztes sei kein geeigneter Ort, ihre Kunst zu zeigen. „Wer eine OP hinter sich hat, will das nicht sehen”, sagt Christine Waldbüßer. Sie selbst isst übrigens Fleisch. Ihr Vater sei Arzt und Jäger gewesen, sagt sie. In knallrot leuchtenden Sneakers erscheint die Künstlerin zur Vernissage. Die hatte sie sich kur zuvor von einer syrischen Frau geliehen, die neben ihr in einer Flüchtlingsunterkunft lebt.
„Mit meinen hohen Pumps bin ich hingeknallt”, erklärt Christine Waldbüßer. Die Künstlerin, die in Wilhelmsburg ihr Atelier hat, lebt die Nachbarschaft mit den Geflüchteten. Ein zwölf Jahre altes Mädchen aus Afghanistan singt zu Beginn der Ausstellung ein Lied. Die syrische Familie leiht nicht nur Turnschuhe aus, sondern bringt auch noch Gebäck. Diese Nachbarschaft ist wirklich „in”.
Christine Waldbüßer: „In & out“, Galerie im Atelierhaus23 in Wilhelmsburg, Am Veringhof 23 A&B, bis 23. April, Mo und Mi bis So 9 bis 18 Uhr
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