Jesteburg. Ganz nackt und weiß ist der Kubus, der als Ausstellungsraum im Kunsthaus in Jesteburg dient. Die Künstler, die hier die Gelegenheit haben, auszustellen, nutzen ihn immer wieder anders. Nicht nur die ausgestellten Arbeiten, sondern auch der Raum an sich ist immer im Wandel begriffen.
Spannend ist auch, wie der Hamburger Künstler Olaf Wolters die weiß getünchten Mauern gestaltet, um seine Arbeiten, die er mitgebracht hat, in Szene zu setzen. „You would know, if I am“ lautet der eher nebulös gehaltene Titel seiner Ausstellung, die am kommenden Sonntag um 12 Uhr beginnt und bis Ende Januar im Kunsthaus zu sehen sein wird.
Wolters ist für die Kunstinteressierten in Jesteburg kein Unbekannter, schon im vergangenen Jahr waren zwei seiner Arbeiten Teil der Gruppenausstellung „Composital Pilotage“. Seine überlebensgroßes Fotografie eines mossbewachsenen Grabsteins und eine weitere Arbeit, eine herbstliche Flusslandschaft in Verbindung mit einem davorstehenden runden Spiegel, auf dem ein Feuer in einer halbe Coladose brannte, waren irritierend und verstörend, denn Botschaft und Sinn seiner Arbeiten erschließen sich nicht auf die Schnelle.
Ähnlich ist es auch in seiner Einzelausstellung: Seine Arbeiten haben meist keinen Titel, der Hinweise darauf geben könnte, worum es dem Künstler geht. Das ist durchaus vom Verursacher gewollt. „Jeder muss sich ständig Fragen stellen und auch ich werde ständig gefragt, an wen sich meine Arbeiten richten, wie ich mich engagiere und wie ich mich selbst definiere. Ich überlasse die Antworten dem Betrachter.“
Der 35-Jährige hat erst im vergangenen Jahr sein Studium an der Hamburger Hochschule für bildende Kunst in der Bildhauerklasse von Professor Andreas Solinski abgeschlossen, neben Jesteburg hat er seine Arbeiten schon bei der Art Basel und in Berlin gezeigt.
Wolters arbeitet meist intuitiv, zu Beginn einer neuen Arbeit gibt es keinen Plan: „Alles entwickelt sich ständig weiter.“ Seine Installationen, Objekte und Videoarbeiten bestehen aus Dingen, die er überall findet, die ihm etwas sagen und die er manchmal lange Zeit in seinem Atelier in Rothenburgsort hortet, bevor er sie dann irgendwann in eins seiner Werke einbezieht. Dabei spielt bei den Gegenständen nicht nur die Optik, sondern auch Struktur und Oberfläche eine Rolle.
Wolters fasziniert auch das Kino, Yul Brynner in der Rolle eines Cowboys aus der Zukunft findet bei Wolters ebenso sein Interesse, wie Robert Redford als elektrischer Reiter. Das Bild des Cowboys, der mit kleinen Lampen übersät ist und in dem gleichnamigen Film vom Westerngoucho zu einer Werbeikone wird, dieses berühmte Foto hat Wolters vergrößert. Da er mit dem Raum des Jesteburger Kunsthauses arbeitet, wird es vor einer zweiten Arbeit montiert, die eine ganze Wand des Ausstellungskubus füllt.
Hier zeigt Wolters, welche Magie er mit Licht, Fotoblitz und Spiegeln erzeugen kann. Ein zusammengerolltes Poster, eine LED Leuchte, und – man glaubt es nicht – Schweinkrusten, die wie Perlen an einer Kette aufgereiht sind, werden durch Spiegelung und Licht zu einem faszinierend leuchtenden Wesen aus der Tiefsee, oder zu einer Laterne auf einem einsamen amerikanischen Supermarktparkplatz.
Eben je nachdem, wie man diese Arbeit interpretiert und was man darin sehen möchte. Entstanden ist diese Arbeit als eine von mehreren. Dafür hat Wolters in seinem Atelier eine schwarze Wand und mehrere Spiegel. Dazu arrangiert er Fotos und Objekte und setzt sie durch Spiegel und Licht in Szene.
Einige Ergebnisse aus dieser Reihe sind auch in Jesteburg zu sehen. Wolters lässt jeder Deutung Platz und Raum: „Ich gebe den Leuten einen Blickwinkel, eine Richtung. Darin können sie sich frei bewegen und aus ihrer Perspektive meine Arbeiten sehen.“
Ergänzt wird die Ausstellung von einem weiteren Teil seines künstlerischen Spektrums: Das Badehandtuch eines Dubaier Hotels aus den 70er-Jahren hängt ausgebreitet an einer Wand, daneben ein Papiermodell eines Kreuzfahrtschiffs.
Anders als bei den Spiegelbildern geht es Wolters hier ganz konkret um Kritik am Sandabbau für die Betonburgen und Wolkenkratzer im Wüstenstaat, darüber hinaus um Kritik am Kapitalismus selbst. Auch wenn er sonst vieles offen lässt für Interpretationen, so ist ihm doch das genauere Hinterfragen und die Sensibilisierung unseres Umgangs mit dem Kapitalismus ein Anliegen.
Andererseits ist er, so wie der Titel seiner Ausstellung andeutet, auf der Suche, was seine Identität als Künstler angeht. Olaf Wolters ist auf dem Weg, ist auf der Suche nach seiner Rolle in der zeitgenössischen Kunst. Noch fühlt sich er sich nicht reif für eine klare Antwort, vielleicht will er sie gar nicht so genau finden. Seine Suche ist spannend, seine Perspektiven und Blickwinkel überraschen, sind gleichzeitig faszinierend und magisch.
Olaf Wolters: „You would know, if I am.“, 15. November bis 25. Januar 2016, Vernissage Sonntag 15. November, 12 Uhr, Kunsthaus Jesteburg, Eintritt frei
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