Eine Glosse von Lars Hansen

„Guten Tag“, sagt der Bauer, wenn er in die Stadt kommt, oder auch „Moin“, wenn man ihn auf dem Hof antrifft, „Mahlzeit“ sagen Kantinengänger zu einander – oft so oft, dass sie gar nicht mehr zu Essen kommen. Überall, wo zivilisierte Leute aufeinander treffen, begrüßen sie sich – sogar Erzfeinde. Und oft, siehe Kantine, gibt es für jeden Anlass eine eigene Grußfloskel.

Nur an einem häufig besuchten Ort begegnet man(n) sich grußlos: An der Männerwand. Jede Gast- oder Arbeitsstätte und jede öffentliche Anstalt hat so eine senkrechte Fläche mit knapp unter hüfthohen Becken oder auch nur einer schlichten Rinne, in die wir Kerle unseren Harn ablassen können, ohne uns der halben Kleidung entledigen zu müssen. Und wenn wir das tun, schweigen wir. Kommunikation wird auf Steinzeitniveau reduziert: Sagt der eine „Grumpf!“, sagt der andere „Umpf!“, das war’s. Selbst die größte Sabbeltasche redet hier nicht. Aber warum eigentlich?

Halten wir keine Reden, weil wir eigentlich gerade Wichtigeres zu halten haben? Wollen wir die Intimität des Momentes würdigen, indem wir nicht einfach losquatschen? Und wie sollten wir eigentlich miteinander sprechen, ohne einander in die Augen zu blicken? Wahrscheinlich ist es das: Wir müssten uns zu einander drehen, und was für eine Schweinerei gäbe das auf dem Fußboden? Anderseits: Im Bahnhof Paddington in London gab es, um dieses Problem zu lösen, im Herrenklo mal einen Urinalkreis. Der gewann einen Preis, wurde aber nie benutzt. Die Herren standen lieber Schlange vor den zwei verbliebenen klassisch parallel angeordneten Becken. Wenn einer neu dazu kam, sagter er auf Englisch: „Grumpf!“. Der bereits Stehende antwortete: „Umpf!“