Sabine Brauer hat die Initiative Lobby pro Tier vor sechs Jahren gegründet und kommt ohne jede Drohgebärde aus

Neugraben/Rade. Tierschützer, das sind Menschen, die sich an Tiertransporter ketten, vor Schlachthöfen campieren und Farbbeutel auf Pelzfabriken werfen. Soweit das Klischee. An solche Aktionen würde Sabine Brauer, die sich vor allem gegen Tierversuche einsetzt, nicht einmal denken. Sie protestiert anders. Nicht schrill, eher sachlich. „Unsere Aktion hat einen anderen Charakter als manche Tierrechtsorganisationen. Wir drohen nicht, und das kommt gut an“, sagt Sabine Brauer.

Wer in Rade wohnt, kommt am Thema Tierversuche nicht vorbei. Sabine Brauer lebt seit 1994 in dem Ort und wann immer der Wind günstig steht, hört sie die Beagles in der fast einen Kilometer entfernten Tierversuchsanstalt bellen und jaulen. Es beherrschte sie immer ein Gefühl der Ohnmacht, nichts gegen das LPT (Laboratorium für Pharmakologie und Toxikologie) unternehmen zu können.

Das änderte sich im März 2009. Nie kam sie der Versuchsanstalt so nahe wie damals, als sie die Rodungsarbeiten für das neue Logistikzentrum Mienenbüttel dokumentieren wollte. Das Labor befindet sich unmittelbar neben dem ehemaligen Waldstück. Ohrenbetäubendes Gebell schlug ihr entgegen. „Da war mir klar, dass auf kleiner Fläche sehr viele Beagles leben“, sagt sie. „Das hat mich sehr betroffen gemacht.“

Sie informierte sich, suchte nach einem Partner und fand ihn in der Organisation Ärzte gegen Tierversuche. Wenige Monate später war die Initiative Lobby pro Tier mit 20 Aktivisten geboren. „Tiere sind nicht dafür da, sie zu quälen“, sagt Sabine Brauer. Klar, dass die vierbeinigen Mitbewohner in ihrem Haus, das die 59-Jährige mit ihrem Mann bewohnt, inzwischen in der Mehrzahl sind. Vor dem Wohnzimmerfenster sind Körbchen aufgereiht, dazwischen ein Kratzbaum. Einige der Tiere haben Tierschutzorganisationen vermittelt, andere hat Sabine Brauer von der Straße aufgelesen. Katzen aus Porzellan, in Form eines Lampenschirms, aus Plüsch und als Holzanhänger. Ja, Sabine Brauer liegen die Tiere am Herzen. Seit sie gegen Tierversuche mobil macht, isst sie auch kein Fleisch mehr. Aber sie würde nie so weit gehen wie einige militante Tierschützer, die sogar Brandanschläge auf Mastställe verüben.

Selbst die Organisation „LPT schließen“ geht Sabine Brauer zu weit. „Das LPT ist ein altes Familienunternehmen. Wir fordern nicht, dass es dicht macht. Es darf gern weiter Geld verdienen, aber mit tierversuchsfreien Methoden“, sagt sie. Die Tierschützerin ist stolz darauf, dass ihr Weg ohne Konfrontation auskommt. Mit ihren kurzen Haaren, der randlose Brillen und ihrer nüchtern-sachlichen Art kann man sich Sabine Brauer auch schlecht vorstellen, wie sie Tierversuchsbefürworter beschimpft. „Ich will den ganz normalen Bürger erreichen, das tue ich nicht, wenn ich ihn verschrecke“, sagt sie.

Der Erfolg gibt ihr Recht. Längst hat Sabine Brauer mit den Grünen und der SPD Parteien in der Gemeinde Neu Wulmstorf gefunden, die sie unterstützen. Das hofft sie auch im Bezirk Harburg zu erreichen. Denn in Neugraben befindet sich der Hauptsitz von LPT. Erste Kontakte sind geknüpft. Auch Prominente wie Ingrid van Bergen und Hugo Egon Balder stehen hinter der Aktion Lobby pro Tier. Die stillen Mahnwachen, die die Aktivisten immer noch zweimal pro Woche vor dem LPT in Neugraben abhalten, finden Zuspruch bei den Anwohnern. „Wir haben einen Weg eingeschlagen, der uns viel Respekt eingebracht hat. Das zu verlieren, wäre viel zu schade.“ Deshalb hat sie sich entschlossen, sich nicht an der Aktion „LPT schließen“ zu beteiligen. „Ich möchte lieber langfristig und nachhaltig etwas erreichen.“

Wobei das mit dem Erreichen der Ziele so eine Sache ist. Das Dilemma, in dem sich Sabine Brauer und ihre Mitstreiter befinden, ist, dass sich das LPT im gesetzlichen Rahmen bewegt. So beantwortete auch Jost Leuschner, Geschäftsführer des LPT, eine Anfrage des Hamburger Abendblatts mit den Worten: „Alle bei LPT durchgeführten Untersuchungen an Tieren oder mit Alternativmethoden werden vom deutschen und europäischen Gesetzgeber gefordert und sind im Arzneimittelgesetz festgelegt.“

Lobby pro Tier hält dagegen, dass immer wieder im Tierversuch geprüfte Medikamente vom Markt genommen werden, weil bei Patienten nicht vorhergesehene Nebenwirkungen, zum Teil mit Todesfolge, auftraten. „Nach allem, was ich gelernt habe, ist es gefährlich, sich auf Tierversuche zu verlassen“, sagt Sabine Brauer. Sie verweist auf die In-vitro-Forschung, auf Studien mit menschlichen Zell- und Gewebekulturen sowie Computersimulationen, die auf menschlichen Daten basieren. „Sie bringen gut wiederholbare und eindeutige Ergebnisse, denn das Problem der Übertragbarkeit zwischen Tier und Mensch entfällt“, sagt sie.

Deshalb fordert Lobby pro Tier, ein gesetzliches Verbot für Tierversuche und die Anwendung tierversuchsfreie Methoden zu fördern. Sabine Brauer weiß, dass sie von diesem Ziel noch weit entfernt ist. Frust plagt sie dennoch nicht. „2009 sind wir mit einem großen Fragezeichen angefangen. Jetzt ist das Thema sehr viel mehr in den Vordergrund gerückt. Die Menschen schauen nicht mehr weg.“