Die Crew des Kutters „Sea Watch“ will im Mittelmeer kreuzen und Hilfe für havarierte Flüchtlingsboote organisieren

Harburg. Die alte Dame ist fast 100 Jahre alt. 1917 lief der Fischkutter in Enkhuizen vom Stapel und holte danach von Stellendam aus Hering, Makrele, Scholle und Seezunge aus der Nordsee. Später fuhren Skipper damit Angler in der Scheldemündung umher, noch später war die „GO 46“ ein Hausboot. Jetzt soll sie ein Menschenfischer werden und unter dem Namen „Sea Watch“ Flüchtlingen im Mittelmeer aus Seenot helfen. Eine private Initiative mit gleichem Namen ist derzeit im Harburger Binnenhafen dabei, das Schiff umzubauen und auszurüsten.

Initiator des Projektes ist Harald Höppner, 41, Familienvater, Kleinunternehmer aus Barnim in Brandenburg. „Ich bin eine absolute Landratte“, gibt er zu. „aber man kann ja nicht einfach zugucken, wie die Leute im Meer ertrinken.“

Seine Initiative gründete er zunächst mit Freunden und Nachbarn, aber sie wuchs schnell. Mittlerweile sind auch Helfer aus den Niederlanden und aus Schweden dabei. Darunter Seeleute, Segler und Schiffbauer, aber auch Ärzte und Sanitäter.

Ab Mai will die Sea Watch von Malta aus ins Seegebiet vor Libyen fahren und dort jeweils 14 Tage lang in dem Gebiet kreuzen, durch das die meisten Flüchtlingsboote kommen. „Wir sind kein Rettungskreuzer“, sagt Skipper Tilmann Holsten. „Das können wir mit diesem kleinen Schiff gar nicht leisten. Wir können aber sehr wohl einen Notruf absetzen und damit andere Schiffe in die Pflicht nehmen.“

Flüchtlingsboote in Seenot würden von Handelsschiffen häufig ignoriert, sagen die Sea-Watch-Aktivisten. Das gelte vor allem für die Notrufe, die per Handy abgesetzt werden. Handys sind aber oft das einzige Kommunikationsmittel der Flüchtlinge auf See. „Wenn wir allerdings über Seefunk einen echten Notruf absetzen, weil ein Flüchtlingsboot havariert ist, wird das registriert, und wer nicht hilft, bekommt Probleme“, sagt Holsten.

Für akute Notfälle wird die „Sea Watch“ Rettungsinseln und -Flöße sowie Schwimmwesten mit an Bord nehmen, um Menschen vor dem Ertrinken zu bewahren. Außerdem wird der Kutter Trinkwasser dabei haben, um es an die Flüchtlingsboote weiterreichen zu können. „Die Flüchtlige sind oft völlig unvorbereitet. Sie wissen meistens gar nicht, dass ihr Weg nach Europa mit einem kleinen Boot über das Meer führt“, sagt Höppner. „Oft sind sie schon nach dem ersten Tag dehydriert.“ Die Wasserflaschen sollen auch helfen, den ersten Kontakt mit Flüchtlingen an Bord der kleinen Boote herzustellen. Bei Bedarf wollen die Sea-Watch-Aktivisten auch medizinische Hilfe leisten, zumindest aber Erste-Hilfe-Päckchen auf die Flüchtlingsschiffe bringen.

Neben Nothelfern will die Sea Watch auch Journalisten mit auf ihre Rettungstörns nehmen. „Dabei geht es nicht um uns“, sagt Sea-Watch-Sprecher Ruben Neugebauer. „Es geht uns darum, für die Flüchtlingsproblematik Öffentlichkeit zu schaffen. Die EU-Länder müssen wieder mehr Geld für die Flüchtlingsrettung in die Hand nehmen. Vielleicht werden wir dann wieder überflüssig.“

Bis zum Herbst soll die „Sea Watch“ vor Libyen operieren, alle 14 Tage mit einer neuen, ehrenamtlichen, Besatzung. Helfer sind willkommen. Doch erst einmal steht am 27. März die Schiffstaufe an. Taufe für eine fast 100-Jährige Dame, die wieder das Abenteuer sucht.