Mit seinen Trickfilm-Installationen im Kunstverein Buchholz verbindet Tobias Dostal Kino-Nostalgie und die Tradition der Zauberkünstler

Buchholz. Das menschliche Auge ist langsam. Zu langsam um zu erkennen, dass ein Film nur eine schnelle Aufeinanderfolge von einzelnen Bildern ist. Wir meinen, Filme geben die Realität wieder – doch das täuscht. Die Täuschung liegt darin, dass das eigentlich Unmögliche möglich wird. Surreale Szenen entstehen, aus Hunderten Fotos oder Zeichnungen.

Tobias Dostal hat die Trickfilmerei als künstlerische Ausdrucksform für sich entdeckt, als er während seines Studiums mit dem Regisseur Christoph Schlingensief arbeitete. Darüber hinaus tritt Dostal als Zauberkünstler auf. Beides ergänzt sich bestens, denn von der Illusion lebt auch seine Ausstellung, die er ab Sonntag, 8. März, im Kunstverein Buchholz zeigt. „Die Zauberkünstler galten als Erfinder der Projektion“, sagt Dostal. Ein bisschen Jahrmarkt-Budenzauber soll der Betrachter spüren, wenn er den bewegten Bildern folgt. Es geht weniger darum, Geschichten zu zeigen, sondern vielmehr Effekte.

Die Technik ist dabei mal mehr, mal weniger vordergründig. So nehmen den Raum vor allem zwei Installationen ein: der riesige „Bilderrahmen“, der wie eine virtuelle Wand erscheint. Ein Flackern, das wie eine Barriere erscheint, umgibt ihn. Dazu ein Knistern wie elektrische Spannung. Es ist möglich und sogar erwünscht, durch den Rahmen hindurchzutreten. Denn in ihm laufen zwölf 16-Millimeter-Filme in einer Endlosschleife. Es dauert eine Weile, einen Fixpunkt zu finden, um die Bewegungen der winzigen Figürchen zu erkennen.

Gleich dahinter stehen sich zwei identische Filmprojektoren gegenüber, auch sie verbindet ein Filmstreifen in einer Endlosschleife. Als Leinwand dienen vier weiße Federn, die an einer Stange rotieren. Ein weiterer Täuschungsvorgang am Auge also. Der Zeichentrickfilm von etwa einer Minute Laufzeit ist genau auf die Entfernung der Projektoren zueinander abgestimmt. Außerdem wird er sich im Laufe der Zeit durch Abnutzung verändern, er wird Kratzer bekommen oder Staubkörnchen. Die Filme hat Tobias Dostal mit einer Bolex-Kamera hergestellt, auch die Filme entwickelt er selbst.

Die Zeichnungen für den Film sind am Glastisch entstanden. Minimale Veränderungen pro Aufnahme. „Die Zeichnungen sind nur Mittel zur Herstellung des Films und werden von mir nicht aufbewahrt“, erläutert der Künstler. Sie sind ein paar Tuschestriche, die für die nächste Einstellung wieder verwischt werden. Die rund 60 Jahre alten Projektoren und die analogen Filme sind auch eine Hommage an das „Expanded Cinema“: In den 50er- und 60er-Jahren wollten Filmemacher weg von der frontalen Präsentation auf der Kinoleinwand und experimentierten mit unterschiedlichen Perspektiven.

Mit den alten Filmen hat Tobias Dostal sein Medium gefunden – aber Digitalfotografie nutzt er auch: für Trickfilme, die im Daumenkino-Prinzip entstanden sind. Um diesen Film zu sehen, nimmt der Zuschauer in einem antiken Stuhl neben einem runden Tisch Platz. Per Fußpedal bringt er die Tischplatte zum Drehen, und die wie in einem Dia-Magazin aufgereihten Bilder werden abgespult. „Ich habe dabei zwei Kameras benutzt, die abwechselnd aus leicht unterschiedlicher Richtung fotografierten. Dadurch entsteht ein 3-D-Effekt“, erklärt Dostal. Nicht nur das: Ist auf dem einzelnen stehenden Bild Bewegungsunschärfe zu erkennen, werden die Konturen beim Abspielen gestochen scharf. Für diese Installation gibt es bereits einen Kaufinteressenten. Abgesehen davon ist es möglich, sie mit neuen Fotos zu bestücken.

Und auch modernste LED-Technik spielt eine Rolle: 18 Säulen mit je 3 LEDs, die winzige, ausgestanzte Filmstücke durchleuchten, werden zu einer Sequenz zusammengefasst. Mini-Projektionen wird es auch im Schaufenster des Kunstvereins, neben dem „Caspari“, geben. Seit er dank eines Stipendiums des Landes Niedersachsen in New York arbeiten konnte, lässt er sich auch vom dort allgegenwärtigen Blinken und Blitzen der Leuchtreklamen inspirieren.

Bleibt die Frage nach dem Titel der Ausstellung, „Katastrophale Metamorphosen“: „Es geht immer um Transformationen, um Assoziationsketten, die sich beim Betrachter einstellen“, sagt Dostal. Ein Drehbuch für seine Filme gibt es nicht, nur eine vage Idee. Überraschung ist also gewiss. Fazit: Unbedingt anschauen!

Bis zum 5. April ist die Ausstellung im Kunstverein Buchholz, Kirchenstraße 6, dienstags bis freitags von 16 bis 18 Uhr und am Wochenende von 11 bis 17 Uhr zu sehen. Einen begleitenden Workshop zum Thema Trickfilm und Daumenkino gibt es am Sonnabend, 21. März, die Teilnahme kostet fünf Euro. Anmeldung unter 04181/380 08 68 oder workshop@kunstverein-buchholz.de.

www.tobiasdostal.com