Zum Hospiz-Jubiläum zeigt die Buchholz-Galerie die Ausstellung „30 junge Menschen“ in Gesprächen mit Sterbenden

Buchholz. Moderne Einkaufszentren kommen nicht ohne Präsentationsflächen aus. Meist wird hier geworben für etwas Neues, etwas, das Freude und Genuss verspricht. Auch die Buchholz-Galerie macht keine Ausnahme. Doch sie lädt dieser Tage nicht nur zu italienischen Wochen mit Wurst- und Schinkenhäppchen zum Probieren. Ein schlichter, begehbarer Stoffwürfel gleich hinter dem Eingang Breite Straße hat mit Freude und Genuss sichtlich wenig zu tun. Im Gegenteil: Die dezent in einer Ecke neben den Hockern platzierte Taschentuch-Box lässt ahnen: Hier können Tränen fließen, es darf geweint werden.

Die Kubus genannte dreidimensionale begehbare Leinwand zeigt knapp zwei Wochen lang die Ausstellung „30 junge Menschen“, eine Videoinstallation über das Sterben. Bei dem Projekt der Universität Witten-Herdecke, das 2011 realisiert wurde, haben Schüler, Auszubildende und Studenten Gespräche mit Menschen, die bald sterben werden, oder auch den Angehörigen von Sterbenden geführt. In sieben- bis zehnminütigen Videoclips sind die Gespräche zusammengefasst. Sie werden auf den Kubus projiziert. An einer weiteren Seitenwand stehen dazu die Gedanken, die sich die jungen Interviewer vor, während und nach dem Gespräch gemacht haben. Ob die Interviews ihre Sicht auf das Leben verändert haben. Der Zuschauer, der im Kubus steht oder sitzt, wird zugleich Teil der Installation: Wie er reagiert auf das, was er dort erlebt, wird über eine weitere Kamera nach außen projiziert. Der Ökumenische Hospizdienst Buchholz und das Hospiz Nordheide, die in diesem Jahr 20- beziehungsweise zehnjähriges Bestehen feiern, haben die Ausstellung zu ihrem Jubiläum nach Buchholz geholt. Nur eine von zahlreichen Aktionen in diesem Jahr, um auf die Arbeit der Hospizeinrichtungen aufmerksam zu machen. „Mit dieser Ausstellung wollen wir vor allem junge Leute ansprechen“, erläuterte Hospizgeschäftsführer Peter Johannsen bei der Eröffnung am Sonnabend. Dahinter stecken zwei Intentionen: Zum einen, dass sich weitere Menschen ehrenamtlich im Hospizdienst einbringen. Zum anderen haben gerade die jungen Menschen, für die Sterben und Tod so unendlich weit weg scheinen, die Möglichkeit, sich dem doch schwierigen Thema zu nähern. „Wir haben auch die Schulen angeschrieben und über die Ausstellung informiert. Wir denken, dass es wichtig ist, die jungen Menschen nicht erst dann mit dem Tod zu konfrontieren, wenn sie betroffen sind“, sagt Svenja Weisemöller, Sozialpädagogin am Hospiz Nordheide.

Johannsen appellierte an die Politik, die Hospizarbeit besser zu unterstützen, vor allem auch finanziell. Die Botschaft schien bei Gisbert Saulich, der als Ratsvorsitzender die Stadt Buchholz offiziell bei der Eröffnung vertrat, angekommen zu sein. „Auch aus meinem Umfeld sind zwei Leute im Hospiz gestorben. Die Politik muss hier einfach anwesend sein und das unterstützen“, betonte er. Die Ausstellung hingegen unterstützen die Sparkasse Harburg-Buxtehude mit 2500 Euro, die Bürgerstiftung Hospiz Nordheide und die Buchholz-Galerie, die dafür keine Gebühren verlangt.

Der Kubus wird während der gesamten Dauer der Ausstellung von den ehrenamtlichen Hospizdienstmitarbeitern betreut. Damit jemand zum Reden da ist, oder einfach zum Zuhören. Die ersten neugierigen Besucher schauen hinein. Zu sehen ist gerade das Gespräch der 17-jährigen Nora mit Hannelore W. Die korpulente Frau sitzt unter einer Wolldecke in einem roten Plüschsessel und spricht davon, dass sie sich vor allem um ihre Tochter sorgt, nicht so sehr um sich selbst. Die Kamera schwenkt zur Anrichte, auf der Medikamente neben Kosmetika stehen. Man sieht Nora weinen. Doch sie wirkt zugleich froh darüber, einen Gesprächspartner gefunden zu haben. „Meine Freundinnen wollen von dem Thema nichts wissen“, erzählt sie Hannelore.

In einem anderen Film spricht der Auszubildende Sebastian mit Walter K. Über die Vorgeschichte der Interviewpartner wird nichts bekannt, aber aus dem Gespräch ist zu erkennen, dass Walter K. von Beruf Künstler gewesen sein muss. Die Kamera zeigt Pinsel und Farben, halbfertige Bilder und Holzplastiken. Walter K. sagt, dass es ihn ärgert, körperlich nicht mehr in der Lage zu sein, kreativ zu arbeiten. Dass die Schmerzen seine Gedanken zerstören. Und spricht davon, dass das Grün da draußen völlig unterschiedlich riecht. Dinge, die man früher kaum wahrgenommen hat, weil sie so selbstverständlich waren. „Das ist wahnsinnig traurig, dass Normalität zur Exklusivität wird“, sagt Walter K. abschließend. Die 30 kurzen Filme laufen als Endlosschleife im Kubus, der Zuschauer hat keine Möglichkeit, sich bestimmte Beiträge auszuwählen. Das kann er aber auf der Internetseite des Projekts, www.30jungemenschen.de, nachholen. 120 Bewerbungen waren für das Projekt eingegangen, die von der Projektleitung ausgewählten 30 Teilnehmer kannten einander vorher nicht. In einem Workshop wurden sie auf ihre Interviews vorbereitet. In den Gesprächen erzählen sie auch von sich, von ihren Erlebnissen mit Tod und Trauer. Das Projekt fand seinen Abschluss in einem Dokumentarfilm mit dem Titel Berührungsängste. Die Ausstellung „30 junge Menschen“ ist bis Donnerstag, 12. März, in der Buchholz-Galerie zu deren Öffnungszeiten zu sehen.