Gottesdienst in der Harburger Johanniskirche zeigt Gemeinsamkeiten zwischen Polizei und Kirche

Harburg. Was verbindet Kirche und Polizei miteinander? Mehr, als man auf den ersten Blick vermuten würde, wie die Besucher des Gottesdienstes in der Harburger St.-Johanniskirche am Sonntag erfahren haben. Zu Gast waren Frank-Martin Heise, Chef der Hamburger Wasserschutzpolizei, und Günter Sellmann, Leiter des Polizeikommissariats an der Lauterbachstraße, die mithilfe ihrer Alltagserfahrungen deutlich machten, dass sowohl Kirche als auch Polizei in erster Linie den Menschen in den Mittelpunkt stellen.

„Wir wollen wichtige Fragen der Gesellschaft in den Gottesdienst bringen“, erläuterte Pröpstin Carolyn Decke den Sinn der Gottesdienstreihe, die den Namen „Gastkanzel“ trägt. Zum mittlerweile siebten Mal hatte sie vorab gemeinsam mit Kirchenvorsteher und Kirchenmusiker Rainer Schmitz und dem theologischen Referenten Martin Rößler überlegt, wer in dieser Hinsicht ein geeigneter Referent sein könnte. Künstler hätten bereits vorbeigeschaut, Vertreter vom Bezirksamt, und jetzt eben zwei Polizisten, die zugleich die Chance nutzen, sich und ihre Arbeit den Gottesdienstbesuchern vorzustellen.

„Es ist dir gesagt, Mensch, was gut ist ...“ – dieser Satz aus dem Buch des Propheten Micha im Alten Testament diente dabei als Grundlage des gesamten Gottesdienstes. Der Satz handelt im Kern von Michas Erkenntnis, dass diejenigen, die Macht und Geld haben, das Recht mit Füßen treten und damit der Gesellschaft schaden. „Gott wünscht sich Menschen, die barmherzig handeln und die Welt aus Gottes Augen sehen“, sagte Carolyn Decke. Als Beispiel aus unserer heutigen Zeit verwies sie auf das Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland, das unter anderem den Schutz von Minderheiten ganz nach oben stellt. „Viele kommen deshalb zu uns, weil sie wissen, dass wir Schutz bieten.“ Doch auch das Grundgesetz müsse immer wieder verteidigt werden, wofür unter anderem die Polizei sorge.

„Die Kirche schaut in die Bibel und wir in die Strafgesetzgebung“, nannte Frank-Martin Heise den vergleichbaren Ansatz von Kirche und Polizei, ihre Arbeit im Dienste der Gesellschaft anzugehen. Grundsätzlich fuße dabei vieles auf den Zehn Geboten, beispielsweise die Vorgabe, nicht zu töten oder zu stehlen. Dass der Mensch vor allem in Krisensituationen sowohl bei Kirche als auch bei Polizei Hilfe suche, sei eine weitere Parallele. Und: Die Polizei solle Gefahren abwehren und Straftaten verfolgen. „Auch die Kirche sorgt dafür, dass die menschliche Seele keinen Schaden nimmt“, sagte Heise. Als „Waffe“ diene der Polizei in erster Linie das Wort und nur im äußersten Notfall eine echte Waffe.

Eine weitere Gemeinsamkeit zwischen Kirche und Polizei sei laut Günter Sellmann der enge Kontakt zum Menschen. „Die Rolle der Polizei hat sich im Vergleich zu früher weiterentwickelt.“ Sie gebe dem Bürger Auskünfte, sei da, höre zu und nehme immer mehr Aufgaben der Seelsorge wahr. Mehr als die derzeit in Hamburg aktiven 178 bürgernahen Beamten werde es aber wohl in nächster Zeit nicht geben, sagte er auf Nachfrage der Pröpstin. Ziel sei es vielmehr, jeden einzelnen Polizisten immer weiter zu schulen, so dass seine Arbeit weit über Straftatenverfolgung und Gefahrenabwehr hinausgehe. „Im Grunde ist jeder Polizist ein bürgernaher Beamter“, sagte er.

Allen Gemeinsamkeiten zum Trotz gebe es selbstverständlich auch Unterschiede zwischen Polizei und Kirche, verdeutlichte Frank-Martin Heise und nannte als Erstes das Gewaltmonopol der Polizei. Das greife nur dann, wenn man mit Worten nicht mehr weiterkomme, schränkte er gleich ein. Es gebe in Deutschland jedoch die Möglichkeit, selbst dieses Monopol in Frage zu stellen, wenn jemand meine, die Polizei habe bei einer Sache zu Unrecht eingegriffen. „Er kann den Einsatz dann von unabhängigen Gerichten prüfen lassen.“ Unterschied Nummer zwei sei die Tatsache, dass man sich der Kirche sehr wohl entziehen könne, wenn man wolle. „Wenn’s hart auf hart kommt, kann man sich der Polizei nicht entziehen“, sagte Heise.

Zum Ende stellte die Pröpstin ihren Gästen die Gretchenfrage: „Glauben Sie noch an das Gute im Menschen?“ Günter Sellmann lachte und antwortete voller Überzeugung: „Ja, das tun wir.“ Niemand sei ausschließlich gut oder ausschließlich böse. Die Polizei erlebe Menschen oft in einer Extremsituation. Um sie zu erreichen, müsse man sie mit Worten zunächst beruhigen, sie „runtersprechen“.

Einzig bei Kollegen, die immer wieder mit Menschen in diesen Extremsituationen konfrontiert sind, liege der Fall vielleicht etwas anders. Ihnen werde durch intensive Betreuung und Supervision geholfen, damit sie nicht denken, jeder Mensch sei nur schlecht. Hilfreich sei auch etwas, was wiederum die Verbindung zur Kirche herstellt: die Polizeiseelsorge.