Eine Streicheleinheit von Martina Tabel

Haben Sie was gemerkt? Nichts? Typisch. Dass die Bratsche 2014 Instrument des Jahres war, ist sang- und klanglos untergegangen. Ja, wenn es um die Geige gegangen wäre! „Sie singet. Sie jubelt und klinget“, heißt es in einem Kehrreimlied, das schon in der Schule gesungen wird. Für die Bratsche bleibt da nur: „Schrumm, schrumm. In der Mitte rum.“

Kein Wunder, dass es jede Menge Witze über die Bratsche gibt. Sie ist das Mauerblümchen: belächelt und nicht zum Tanz aufgefordert. Sie ist das Aschenputtel. Braaaaatsche. Wie das schon klingt! Dabei kommt das Wort vom italienischen braccio. Das heißt Arm. Man stelle sich vor: Das Instrument in den Arm genommen – und eine warme Melodie erklingt. Denn das mit der Mittellage stimmt.

Die Bratsche hat einen rauen Charme. Das Glänzen überlässt sie anderen. Sie liefert den harmonischen Kern. Wie konstatierte ein Mitglied des Orchesters der St. Johanneskirche? „Ein Stück ohne Bratsche ist substanzlos.“ Jaja. Das ist wie die Erkenntnis von Loriot: „Ein Leben ohne Mops ist möglich, aber sinnlos“, hört man es verächtlich tönen. Stimmt trotzdem. Die Bratsche zumindest ist unverzichtbar. Denn die viola da braccio, wie sie mit Vor- und Zunamen heißt, ist die Urform. Auch wenn die Geige jubelt: Sie ist die Violine – eine kleine Viola. Das hören Geiger nicht gern. Derweil die Bratscher oft genug Humor beweisen. Vielleicht, weil viele beides können: Bratsche und Geige.