23 Firmen stellen Ausbildungswege vor. Das Abendblatt begleitete die 16-jährige Jil aus Buchholz über die Job-Börse

Buchholz. Konditorin steht ganz oben auf der Liste. Gemessen an all den reich verzierten Cupcakes und Kuchen, mit denen Jil Siedler ihre Familie und Freunde bisher schon versorgt hatte, scheint das die richtige Jobwahl. Eine Ausbildung in einer Konditorei zu beginnen – mit dieser Vorstellung im Kopf betritt die 16-Jährige aus Buchholz am Sonnabend die Ausbildungsbörse in der Empore. Doch am Ende geht sie mit einem ganz anderen Berufswunsch wieder hinaus.

Als erstes steuert sie mit ihrem Vater Harald Siedler, 58, den Stand der Kreishandwerkerschaft an. Denn einen Haken hat der Beruf der Konditorin, findet sie: Das Ausbildungsgehalt sei mit 270 Euro pro Monat zu gering. Schließlich, so glaubt sie, müsse sie ihre Arbeit früh morgens beginnen. Tanja Ruschmeyer und Karin Eckhoff von der Kreishandwerkerschaft beschwichtigen. Betriebe, die sowohl Bäcker als auch Konditor ausbildeten, zahlten meistens gleich. Die Frauen geben Jil Siedler noch eine Liste von Bäckereien mit, die Konditoren ausbilden, darunter Danker in Rosengarten und Schmanns in Seevetal.

Jil Siedler ist eine von rund 600 Jugendlichen, die der Einladung der Arbeitsagentur und des Jobcenters in die Empore folgen. Zum ersten Mal findet die Ausbildungsbörse mitten in Buchholz und am Sonnabend statt. Zuvor hatten die Veranstalter die Börse in der Arbeitsagentur oder in Schulen in der Woche abgehalten. Das neue Konzept scheint aufzugehen. „Die Arbeitgeber sind zufrieden. Das Gute einer Ausbildungsbörse am Sonnabend ist, dass die Jugendlichen freiwillig kommen“, sagt Jens Mathias, Geschäftsführer der Arbeitsagentur. So ganz freiwillig ist Jil Siedler allerdings nicht hier. Ihr Vater musste sie schon etwas überzeugen.

Wohin jetzt? Insgesamt 23 Arbeitgeber stellen ihre Ausbildungsmöglichkeiten vor. Längst nicht alle Betriebe interessieren Jil Siedler, die kurz vor ihrem Realschulabschluss an der Waldschule in Buchholz steht, aber als ihr Blick auf abgepackte Gummibärchen und Kekse landet, wird sie neugierig. Sie schaut auf das Firmenlogo. Johannes Lühders in Stelle? „Nie gehört“, sagt sie. Die Firma präsentiert sich zum ersten Mal auf der Messe. Der Mangel an geeigneten Bewerbern treibt die Unternehmen an, um die Auszubildenden zu buhlen. Allein in der Geschäftsstelle Buchholz der Arbeitsagentur blieben im vergangenen Jahr 26 von 542 freien Ausbildungsstellen unbesetzt. Doch da die Süßwaren in der Firma Johannes Lühders an der Maschine hergestellt werden, ist Jil Siedler nicht gleich Feuer und Flamme.

Was jetzt? Erst einmal von der Arbeitsagentur beraten lassen. Jil Siedler berichtet Barbara Lücke von ihrem Faible für die Konditorei und dass sie außerdem mit einer Tätigkeit im Kaufmännischen liebäugelt. Doch Beraterin Barbara Lücke kann ihr da kaum große Hoffnungen machen – weil Jil Siedler an einer Lese-Rechtschreibschwäche leidet. Nachdem Lücke an den Zensuren Stärken im technisch-naturwissenschaftlichen Bereich ablesen konnte, klärt sie Jil Siedler über mögliche Berufe auf. „Wenn es Talente in diesem Bereich gibt, versuche ich, die Aufmerksamkeit dahin zu lenken“, sagt sie. Stichwort Industriemechaniker.

Jil Siedler ist nicht abgeneigt. Auf Empfehlung von Lücke erkundigt sie sich nach der Ausbildung bei Milford Tea. Milford-Ausbilder Peter Erdmann sagt, dass weibliche Bewerber in seiner Firma natürlich auch eine Chance hätten und dass er zunächst nicht auf die Noten schaue, vielmehr auf unentschuldigte Fehltage. „Habe keine“, sagt Jil Siedler und berichtet ihm vom Werkunterricht, in dem sie beim Feilen und Bohren immer gut bis sehr gut abgeschnitten habe.

Ein gutes Gespräch, vielleicht ein Anstoß für eine Bewerbung um einen Praktikumsplatz. Also Industriemechaniker? „Warum nicht?“, sagt Jil Siedler. „Klingt interessant.“