Harburger Fotofachhandel Alster Photo schließt am 3. März. Inhaber Reinhard Sittner konnte keinen Nachfolger finden

Harburg . Thomas Sulzyc

Nach 44 Jahren schließt der Harburger Fotofachhandel Alster Photo am 3. März. Mittlerweile 68 Jahre alt, hätte Inhaber Reinhard Sittner längst in den Ruhestand gehen können. Lange hat der Einzelhandelsfotokaufmann nach einem Nachfolger gesucht – aber vergeblich. Trotz intensiver Hilfe der Handelskammer und des Dachverbandes Ringfoto, immerhin nach eigenen Angaben Europas größter Verbund unabhängiger Fotofachhändler, bei der Suche, habe niemand den Laden übernehmen wollen. „Einzelhandel und selbstständig“, sagt Reinhard Sittner, „das ist für junge Leute nicht besonders sexy.“

Am Standort Harburg liege es nicht, sagt der gebürtige Harburger, der im Zentrum des Stadtteils lebt. Obwohl kaum ein Geschäftsinhaber länger die Entwicklung der Harburger Fußgängerzone beobachtet haben dürfte als er, stimmt Reinhard Sittner nicht in das Lamento über den vermeintlichen Niedergang der Lüneburger Straße ein. Die „Lü“, wie sie das Citymanagement verniedlichend nennt, sei keine so schlechte Straße, sagt er. Früher hatte sich Sittner in der heute nicht mehr existierenden Werbegemeinschaft City Harburg engagiert.

In der Regel sehen Kaufleute in der Eröffnung des Einkaufszentrums Phoenix- Center mit seinen 110 Geschäften den Grund für den Attraktivitätsverlust des Einzelhandels in der Lüneburger Straße. Reinhard Sittner dagegen sieht die Konkurrenz des Einkaufstempels erstaunlich unaufgeregt: „Die Ware sucht sich ihren Weg“, sagt der selbstständige Kaufmann.

Die Geschäftswelt verändert sich. Und inhabergeführte Läden scheinen bei dieser Entwicklung schlechte Karten zu haben. Reinhard Sittner verweist auf das Beispiel der Hamburger Schuhkette Görtz, in der die Eigentümerfamilie zunehmend an Einfluss verliert. Es sei absehbar, prophezeit der selbstständige Fotohändler, dass es in Harburg keine inhabergeführte Geschäfte mehr geben werde. Für den Fotohandel Alster Photo wäre aber noch Platz am Markt. Davon ist Reinhard Sittner überzeugt.

Das Berufsbild hat sich in den letzten 44 Jahren radikal verändert

In einer Kombination aus verschiedenen Dienstleistungen rund um das Foto hätte ein Nachfolger das Geschäft wirtschaftlich führen können, sagt er. Viele Menschen bräuchten den Fotofachhandel, um alte Dias und Super-8- Filme digitalisieren zu lassen und auf diese Weise zu bewahren. Bei den exakten Vorgaben der Behörden zur Anfertigung von Passbildern seien Automaten keine Alternative zu den Fotostudios. Und Bewerbungsbilder würden heute wie damals gebraucht.

Kein Zweifel aber: Das Berufsbild hat sich in den vergangenen 44 Jahren radikal verändert. Eine ganze Industrie sei in der Zeit kaputt gegangen. Sittner nennt die Unternehmen Kodak und Agfa, die ihre weltweite Bedeutung als Hersteller für fotografische Ausrüstung längst verloren haben. Auch die Fotokultur sei heute eine andere. „Noch nie wurde so viel fotografiert wie heute. Und nie wurden so wenig Bilder produziert“, beschreibt der Einzelhandelsfotokaufmann pointiert die Manie der Menschen, bei jeder Gelegenheit die Handykamera zu zücken.

Urlaubsaufnahmen lasse heute niemand mehr als Papierfoto beim Fachhandel entwickeln. Heute schössen die Menschen im Urlaub 240 Fotos mit der Handykamera. Aber wer wisse nach einigen Jahren noch, was er da auf der Festplatte abgespeichert habe?

„Meine Befürchtung ist, dass in Zukunft viele Menschen keine Kinderbilder von sich mehr haben werden“, sagt Reinhard Sittner. War früher doch mehr Lametta, wie Opa Hoppenstedt in einem berühmten Sketch von Loriot behauptet? Reinhard Sittner ist kein griesgrämiger Technologieverächter. Wie sollte er auch als Fotokaufmann? Das Internet sei fantastisch, schwärmt er. Und im Jahr 1971, als er Alster Photo damals noch am Standort Bremer Straße 30a eröffnet, pries er in seinem Schaufenster Spiegelreflexkameras als das überlegene System an.

Sogar einen Elefanten ließ Sittner für Werbezwecke auflaufen

Aber früher ging eben doch einiges mehr für den Fotohändler. In den 1980er-Jahren begleitete Reinhard Sittner Harburger auf Fotoreisen nach Asien. Auf einem Hochbahn-Bus warb er für sein Geschäft. Und zur Eröffnung einer Filiale in der Wilstorfer Straße 110 im Jahr 1982 ließ der Fotohändler einen sogar einen lebendigen Elefanten aufmarschieren. „Das wäre heute wohl nicht mehr erlaubt“, schmunzelt er. Zum 3. März, wenn Reinhard Sittner seinen Laden an der Bremer Straße 2 schließt, wird er andere mit dem Entsorgen der Regale beauftragen.

Es würde ihn schmerzen, das selbst zu tun. „Es wird ein trauriger Tag, wenn ich die Schlüssel abgebe“, sagt der Vollblutkaufmann. Ruhestand könne er sich noch nicht wirklich vorstellen. Sein Enkelkind wird ihn beschäftigen. Und viele Bücher warten darauf, endlich gelesen zu werden. Ganz oben auf dem Stapel: Biografien von Nelson Mandela und Gandhi.