100 Tage sind die neuen Bürgermeister im Landkreis Harburg im Amt. Anstelle eines Interviews hat das Abendblatt zum Spaziergang gebeten. Den Anfang macht Jan-Hendrik Röhse, Buchholz

Als erstes zeige ich Ihnen etwas Schönes“, kündigt Jan-Hendrik Röhse an, während er seinen Dienstwagen, ein umweltfreundliches Hybridauto, aus der Rathausgarage lenkt. Eigentlich fahre er gar nicht so viel damit, sagt der Buchholzer Bürgermeister. Nicht, dass er die Amtsstube nur selten verlässt, vielmehr ist in Buchholz vieles zu Fuß erreichbar. Und doch ist die 40.0000-Einwohner-Stadt so weitläufig, dass wir fahren müssen, um all das zu erkunden, was dem Rathauschef am Herzen liegt. Oder auch mal Sorgen bereitet.

Die Fahrt geht zum Sportzentrum am Holzweg. Die Nordheidehalle, das Kletterzentrum. „Dieser Platz ist ein Highlight“, sagt er begeistert. Oder meint er jetzt die Wiese davor? „Wir wollen ja noch einen weiteren Kunstrasenplatz anlegen. Das wäre hier die optimale Ergänzung.“ Die Sporthalle, die jüngst erweitert worden ist, soll vorerst so bleiben. „Sie entspricht den Anforderungen einer Stadt unserer Größe.“

Weiter geht es, die Bremer Straße hinunter. Auffällig ist der Fahrradschutzstreifen stadtauswärts, um den es im Stadtrat schon viel Streit gegeben hat. Auch Röhse ist kein Freund dieser Lösung, gibt er zu. „Die Straße ist auch zu sehr Flickwerk, die müssen wir früher oder später komplett sanieren.“ An der Bremer Straße liegen auch viele Flüchtlingsunterkünfte der Stadt. Hier sind neben den festen Häusern Container dazugekommen. „Sieht noch ein bisschen trostlos aus“, findet der Bürgermeister. Er wird jetzt ernst, denn: „Die Grundstücke, die wir hatten, sind belegt. Wir prüfen derzeit weitere, aber es ist noch nichts spruchreif. „Ein, zwei Anlagen gehen noch, dann wird’s knapp.“ Ihn freue, dass das Bündnis für Flüchtlinge so aktiv ist. Die Möglichkeit, dass wie vor 20 Jahren wieder Flüchtlinge in die Schützenhalle müssen, wolle man möglichst vermeiden.

Wir treffen am Trelder Berg ein, im Gewerbegebiet III. Mehrere Gebäude sind in Bau, „wer ist denn das hier“, fragt Röhse seinen Pressesprecher. „Der T+T-Markt, er eröffnet im März“, klärt ihn Heinrich Helms auf. „Ach, dann kommen da wohl die Chinesen hin“, sinniert Röhse. Gemeint ist der Aufzugbauer Diao Elevator. „Wir haben die Aussicht, 4,5 Hektar an einen Interessenten zu verkaufen. Dann ist nur noch wenig Platz übrig“, erklärt er.

Die Sonne strahlt, als wir über Sprötze in Richtung Suerhop fahren. „Jetzt kommt etwas weniger schönes“, kündigt Röhse an. Die Waldsiedlung verdient ihren Namen stellenweise nicht mehr, so viel gebaut wurde in den letzten Jahren. Damit nimmt der Verkehr zu – und die Zahl der Schlaglöcher. Die Schotter- und Kopfsteinpflasterstraßen schließt eine sogenannten Tränkdecke provisorisch ab. Der Ausbau war ursprünglich für dieses Jahr geplant gewesen – musste aber geschoben werden. „Wir mussten erst einen Platz für ein Regenrückhaltebecken finden. Einige Wegeflächen mussten wir außerdem zukaufen.“ Solange werden die Löcher immer wieder mit Kaltasphalt zugeschüttet.

Jenseits des Bahnübergangs liegt ein Bolzplatz direkt neben den Häusern des Reiherstiegs. „Komisch – hier gibt es nie Probleme mit Anwohnern“, sagt Röhse im Hinblick auf den gar nicht weit entfernten Sportplatz der Wiesenschule, dessen Nutzung einige Anwohner per Gericht einschränken wollen. Zu viel Lärm, zu viele Unbefugte. „Gerade gab es wieder Beschwerden – ich frage mich, wie die über den Zwei-Meter-Zaun gekommen sind.“

Ganz in der Nähe: der 150 Jahre alte Mühlentunnel unter der Bahnlinie. Er wird nun endlich saniert. Nicht alle Buchholzer sind davon begeistert, sie glauben, dass der Verkehr dort stark zunehmen wird. Vor allem solange es keine Umgehungsstraße gibt. „Von 1974 bis 1983 bin ich da als Schüler mit dem Rad durchgefahren“, erinnert sich der 50-jährige Röhse, der im Wahlkampf stets betonte, ein Buchholzer Jung zu sein, auch wenn in seinem Ausweis Hamburg als Geburtsort steht. Die Diskussion um die Tunnelsanierung sei beschwerlich: „Ich muss den Leuten immer wieder klar machen, dass Tunnel und Ostring zwei getrennte Themen sind.“ Zur Umgehungsstraße bleibt denn auch nicht viel zu sagen, noch immer liegt die Akte Ostring vor Gericht.

Wir fahren in Richtung Parkhaus Süd. „Waren Sie bei der Info-Veranstaltung zur Wahl im Kulturbahnhof dabei?“, fragt Röhse, „da beschwerte sich doch jemand, dass das Parkhaus immer so leer sei.“ Es ist inzwischen 15 Uhr, das Parkhaus ist gut gefüllt. An der Rütgersstraße waren im Dezember Parkplätze auf einer Schotterfläche geräumt worden, weil dort gebaut werden soll. „Am nächsten Tag war das Parkhaus Süd komplett belegt. 124 Plätze waren auf einen Schlag weg“, erläutert der Bürgermeister. Das dürfte nicht das Ende der Fahnenstange sein. Wir blicken nach Süden zur Rütgersfläche, die saniert werden muss, bevor sie bebaut werden kann. Aus Stadtplanersicht ein Sahnestück, zentral und in Bahnhofsnähe gelegen.

„Da liegen ja noch Schienen“, staunt der Pressesprecher. In Richtung Norden sieht man die künftige Südtangente, eine Schotterfläche, auf der Autos von Bahnpendlern stehen. „Wenn wir die Südtangente bauen, brauchen wir im Grunde noch ein Parkhaus“, betont Röhse.

Platzmangel betrifft auch die Radfahrer, die ihre Drahtesel in Einzelboxen oder in Fahrradkäfigen abstellen können. Viele Plätze sind leer. „Wir werden am System etwas ändern müssen“; sagt Röhse. Bisher können sich Radfahrer einen Schlüssel für die Boxen im Rathaus holen. Aber offensichtlich nutzen viele Schlüsselinhaber die Boxen kaum und müssten fairnesshalber ihre Schlüssel an die abtreten, die sie dringend brauchen. Ohnehin wird die Gegend rund um den Bahnhof ihr Gesicht verändern. Auf die neue Bahnhofstraße sei er gespannt, sagt Röhse beim auf der Wohlaubrücke – „die ist sehr schick“ – Überqueren der Gleise. Ein Investor aus Buchholz will die gesamte Straße sanieren, aufwerten, einer neuen Nutzung zuführen.

Wir laufen in die Innenstadt. Röhse und Helms plaudern über Geschäfte, die es hier und da früher gegeben hat, Fahrschule, Supermarkt und ein Erotikshop. „Ja, Buchholz verändert sich“, philosophieren die Herren aus dem Rathaus. Sorgenkind heute ist das Citycenter, in dem viele Läden leer stehen.

Trotzdem sieht Röhse hier Potenzial. Die Fläche, die seit Jahren den Arbeitstitel Citycenter II trägt – wenn sie dereinst bebaut ist – , daneben das alte Center und die neue Buchholz-Galerie direkt in einer Linie – „das ist ideal“. Vor dem Citycenter ist vor wenigen Tagen das Pflaster erneuert worden. Barrierefreiheit ist das Ziel. Querrinnen aus Kopfsteinpflaster, die die Rotklinker durchbrechen, müssen dafür noch entfernt werden. Das größte Schmuckstück in der Fußgängerzone? „Die Empore!“, sagt Röhse.

Wir spazieren zurück zum Bahnhof, am Kabenhof entlang. Ein widersprüchliches Gebäude – hier Schmuddel vor den Türen des Discounters, dort eine etablierte Bar und ein beliebter Feinkostladen. Wenn die Südtangente kommt, führt sie direkt hier vorbei. Auf der Rückfahrt eine kurze Bilanz. Macht Bürgermeister sein noch Spaß? „Oh ja, sehr“, betont Röhse. „Auch wenn man gar nicht so viel ‚Macht‘ hat, wie viele denken. Oft ist es das Geld, das einen einschränkt. Eine Busverbindung zum Sportzentrum wäre toll – aber sie muss bezahlbar sein. Und wenn wir Regenwasserkanäle erneuern, führt keiner Freudentänze auf. Aber das ist nun einmal nötig.“ Auf vieles habe er auch wenig Einfluss. Wenn etwa Bundesgesetze die Kommunen herausfordern. „Wir bekommen zwar Zuschüsse für Krippenplätze – die reichen aber nicht aus.“ Zu seiner ersten Amtshandlung, der Steuererhöhung, steht er daher. Jan-Hendrik Röhse, das wird klar, macht sich Gedanken um seine Stadt.