Die neue Besitzerin des traditionsreichen Harburger Weinlokals schwenkt von italienischer auf mediterrane Küche um

Harburg. Erst kürzlich war von Archäologen ein Abschlussbericht zu Ausgrabungen an der Harburger Schloßstraße vorgelegt worden. Aus bis zu fünf Meter Tiefe hatten sie Fundstücke ans Tageslicht befördert, die Harburgs etwa 1000jährige Stadtentwicklung zumindest in Teilen dokumentieren. Wer wissen möchte, wie vor etwa 400 Jahren in Harburg gebaut wurde, der muss nicht tiefe Löcher buddeln, sondern kann ganz einfach von der Schloßstraße kurz um die Ecke zur Straße Karnapp gehen. Das Haus mit der Nummer 5 stammt aus der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts und war ab 1986 von dem Hamburger Soziologen Geerd Fischer in Abstimmung mit dem Hamburger Denkmalschutzamt mühevoll saniert worden.

Den meisten Harburgern ist das Fachwerkgebäude besser bekannt als Spirituosen- und Weinlokal „Grauer Esel“. Bis vor kurzem war der Graue Esel von Daniela Buzzacarin Dölling als italienische Gaststätte geführt worden. Aus Altersgründen gab sie auf und hatte ihre „Enoteca Italiana“ auf gewerblichen Immobilienseiten zur Übernahme angeboten. Zeynep Kilic, 31, Tochter einer vor gut 40 Jahren nach Harburg gezogenen türkischen Gastarbeiterfamilie, hatte die Anzeigenseiten studiert. „Als ich den Grauen Esel sah, da wusste ich sofort, das ist es, wonach ich gesucht hatte“, sagt sie.

Zeynep Kilic ist gelernte Einzelhandelskauffrau und hat viele Jahre im Lebensmittel-Einzelhandel gearbeitet. Als Mutter von drei Kindern pausierte sie beruflich. Aber nun sagt sie: „Ich will jetzt wieder einer Arbeit nachgehen.“ Ihr Mann Mehmet unterstützt sie dabei. Und dann ist da die Partnerin ihres Bruders Volkan, die 23jährige Alina Riggers aus Buxtehude. „Sie ist auch meine Freundin“, sagt Zeynap Kilic. Als gelernte Sozialpädagogik-Assistentin will Alina Riggers ab August noch eine Ausbildung zur Erzieherin beginnen. Zuvor aber steht für beide Frauen der Graue Esel an erster Stelle, um das Lokal auf die Zukunft vorzubereiten. Aber eines steht schon jetzt fest: „Große Veränderungen wird es nicht geben“, sagt Zeynep Kilic, „wir haben hier viele treue Gäste übernommen. Sie sollen sich weiterhin wohl fühlen. Wir wollen natürlich auch neue Gäste hinzu gewinnen.“

Es wird sich am Namen Grauer Esel nichts ändern, wohl aber an der näheren Beschreibung. Statt „Enoteca Italiana“ wird künftig das türkische „Efkar Taverna“ zu lesen sein. „Das steht für Unterhaltung in gemütlicher Runde“, erklärt Zeynep Kilic. Ihren Nachnamen erklärt sie auch auf Deutsch: „Kilic heißt Schwert.“ Und was die gastronomische Ausrichtung angeht, so wird aus italienischer Speisekarte künftig eine „mediterrane Ausrichtung“ mit viel Obst und Gemüse. Da der Graue Esel nach wie vor räumlich begrenzt ist, nur etwa 35 Gästen Platz bietet und auch über keine Küche mit Kochstelle verfügt, ist überwiegend „kalte Küche“ angesagt: Salate, Obstteller, Käseplatten. „Alles wird frisch zubereitet“, sagt Zeynep Kilic. Freitags und sonnabends werden auch warme Speisen geboten, darunter Gemüse- und Nudelpfannen, die in einer externen Küche zubereitet werden.

Der graue Esel behält seine bisherigen Öffnungszeiten von Dienstag bis Sonnabend jeweils ab 17 Uhr mit offenem Ende. Freitags ist Kultur angesagt. In einer Ecke vorm Tresen wird Platz für einen Gitarristen oder einen Pianisten geschaffen. „Wir hatten hier auch bereits viel Spaß mit Karaoke“, sagt Alina Riggers. Und am heutigen Freitag gibt es eine Premiere, die im Gastraum des Grauen Esels während seines 400jährigen Daseins noch nicht erlebbar gewesen sein dürfte. Den Gästen wird erstmals Bauchtanz vorgeführt.

Auf der Getränkekarte hat sich die Auswahl an Weinen deutlich vergrößert. „Wir haben jetzt neben Rot- und Weißweinen aus Italien auch Weine aus Deutschland, Spanien, Frankreich und der Türkei“, sagt Alina Riggers, „und neben den Weinen ist unsere Käseplatte mit fünf verschiedenen Käsesorten der Renner.“ Neben Weinen gibt es eine große Auswahl an Spirituosen. An Bier wird Flaschenbier ausgeschenkt. Zwei Marken stehen zur Wahl. Die Gäste kommen werktags zumeist nach Feierabend ab 17 Uhr. „Viele arbeiten hier im Binnenhafen“, sagt Zeynep Kilic, „darunter auch einige Architekten und Anwälte.“ Zumeist freitags und sonnabends kommen Gäste nicht nur aus dem Bezirk Harburg und aus Wilhelmsburg sondern auch aus den Landkreisen Harburg und Stade. Zeynep Kilic: „Der Andrang war bereits so groß, dass wir keine Gäste mehr reinlassen konnten.“