Y-Trasse, Raststätten, kaputte Brücke: Bürgermeisterin Oertzen vermisst Unterstützung von Minister und Behörden

Hittfeld. „Kennen Sie schon das Heide-Roulette?“ Reinhard Crasemann hält eine mit Styropor verstärkte Heide-Landkarte in der Hand, darauf baumelt ein roter Faden. „Einmal schütteln, und schon haben Sie eine neue Trasse. Ich bin mir sicher, genau so planen die“, sagt er mit einer Mischung aus Spott und Bedeutsamkeit. Und Werner Görlich wundert sich darüber, dass „seit 22 Jahren von einem dringenden Bedarf die Rede ist – das ist schon ein Widerspruch in sich.“ Beide Männer vertreten Seevetaler Bürgerinitiativen gegen die Y-Trassenpläne, Görlich ist seit den 90er-Jahren aktiv im Verein zur Erhaltung des gesunden Lebensraums, Ohlendorf, Crasemann hat just die Bürgerinitiative Y-Monster gegründet.

„Wir als Gemeinde sind auf solche Initiativen angewiesen, denn was wir vonseiten der Gemeinde tun, reicht nicht“, sagt Seevetals Bürgermeisterin Martina Oertzen, die, flankiert von den beiden Bürgervertretern, ihren Unmut über das am Freitag beginnende Dialogverfahren, aber auch allgemein der Umgang der höherrangigen Behörden mit Kommunen und Bürgern ausdrückt. „Grundsätzlich finde ich so ein Dialogforum gut, es kann zielführend sein und bietet gute Gelegenheit, sich auszutauschen und Dinge zu hinterfragen“, sagt sie. Doch: „Wir wollen Details zu Verkehrsmengen und -strömen wissen. Wir brauchen solche Zahlen als Basis für die Verhandlungen.“

Nicht der einzige Aufreger: „Herr Görlich war für das Dialogforum zunächst gar nicht eingeladen worden. Die Organisatoren des Dialogforums und das niedersächsische Wirtschaftsministerium haben die Zuständigkeiten hin- und hergeschoben. Wenn man sich schon nicht einig ist, wen man einlädt, wie neutral ist dann das Forum?“, fragt sie. Inzwischen hat Werner Görlich seine Einladung doch erhalten, er fährt morgen nach Celle, wo die rund 80 Teilnehmer des „Dialogforums Schiene Nord“ über die Y-Trasse und ihre Varianten diskutieren werden.

Die Gemeinde Seevetal ist besonders stark betroffen von den Bahn-Plänen. Nicht nur, dass jeder Variante den Rangierbahnhof Maschen berührt, sondern sie bildet auch eine weitere Lärmquelle für die von Autobahnen und Fernbahnlinien durchzogene Gemeinde. „In Ramelsloh würde die Y-Trasse in der Variante SGV die einzige noch unverbaute Richtung kreuzen“, sagt Reinhard Crasemann. Er befürchtet, dass das Dialogforum wie Gladiatorenkämpfe am Ende nur einen Sieger übrig lässt. Dem schließt sich Oertzen an: Es sei zu befürchten, dass verschiedene Interessen gegeneinander aufgehetzt werden.

Werner Görlich erwartet verlässliche Verkehrsprognosen zu bekommen. Zugleich verweist er auf eine Studie der Uni Hannover, die für das vorhanden Schienennetz bis zu 70 Prozent Kapazitätsreserve errechnet hat. Und zitiert Bahnchef Rüdiger Grube, der erst im November in einem Interview gesagt habe, man wolle erst das pflegen, was man habe. Die Bahn wolle 28 Milliarden Euro ins bestehende Streckennetz investieren. „Das geht unserer Meinung nach in die richtige Richtung“, sagt Görlich. Die Bürgermeisterin indes sieht das Dialogverfahren auch als Weichenstellung an: „Wohin wird der Zug fahren, was will das Forum erreichen?“

Die mangelnde Kommunikation zwischen Landesbehörden und Kommune verursacht auch sonst Verdruss. Beispiel A7-Rastplatz Hasselhöhe: „Wir haben am runden Tisch mit dem Straßenbauamt Verden den Ausbau der Lkw-Stellflächen abgestimmt. Dabei sollte der rückwärtige Zugang gesperrt werden, weil sich Anwohner beschwert hatten, dass sich dort Lkw-Fahrer gern ‚erleichtern‘“, erläutert Reinhard Crasemann. Ein Wall sei aufgeschüttet worden, „und im Dezember haben wir entdeckt, dass sich dort jetzt eine Treppe befindet.“ Diese habe nicht im Planfeststellungsbeschluss gestanden. „Die Treppe ist leicht zu entfernen, aber das Beispiel zeigt, dass man aufpassen muss wie ein Schießhund.“ Martina Oertzen hatte das Amt in Verden angeschrieben – die aber von der Treppe gar nichts gewusst hätten und an das Amt in Lüneburg verwiesen. „Das ist nicht gut für das Vertrauen.“

Auch Niedersachsens Verkehrsminister Olaf Lies verschont die Bürgermeisterin nicht. „Seit er meinem Amtsvorgänger die Finanzierungszusage der Westumgehung gab, war er nicht mehr hier. Bis er vor kurzem den Rangierbahnhof Maschen besuchte – ohne dass ich davon wusste. Das ist doch kein gemeindefreier Bezirk!“ Sie hätte sich gefreut, wenn Lies sich auch einmal Zeit für Probleme wie die sanierungsbedürftige Decaturbrücke oder die geplante Raststätte Elbmarsch genommen hätte. „Im Februar 2014 wurden uns hierzu aktuelle Verkehrszahlen angekündigt – darauf warten wir bis heute.“ Sie fühle sich manchmal alleingelassen: „Ich bin hier verantwortlich für 40.000 Menschen in Seevetal und erwarte von unserer Landesregierung Unterstützung und bessere Zusammenarbeit mit dem Wirtschaftsministerium“, so Oertzen .