Der Hamburger Schauspieler spielt am Harburger Theater in „Ladykillers“ den Gentleman-Ganoven. Berühmte Filmvorbilder schrecken ihn nicht

Harburg . Am Theater ist Jacques Ullrich schon öfter in Rollen geschlüpft, in denen berühmte Filmschauspieler Maßstäbe setzten: In dem Gerichtsklassiker „Die zwölf Geschworenen“ gab der heute 49-Jährige den Zeugen Nummer Acht, dem Henry Fonda ein Gesicht gab. Und in dem Rührstück „Der kleine Lord“ spielte er den mürrischen Earl of Dorincourt und konkurrierte damit automatisch mit der Erwartungshaltung, die Alec Guinness geweckt hat. Ab dem 19. Februar nimmt es Jacques Ullrich am Harburger Theater wieder mit einem Kino-Vorbild auf. In der Kriminalkomödie „Ladykillers“ plant er als Professor Marcus den genialen Überfall – ebenfalls eine bekannte Rolle von Alec Guinness.

Dass das Publikum möglicherweise sein Spiel auf der Bühne mit dem des Mannes der tausend Gesichter, wie Alec Guinness genannt wird, vergleicht, stört Jacques Ullrich nicht im Geringsten. Er selbst habe den Film aber nicht im Kopf präsent. „Ich mache meine Sache“, zeigt Jacques Ullrich sich unbeeindruckt. Und was der bescheiden auftretende Schauspieler wohl nie über sich selbst sagen würde: In der Hamburger Theaterlandschaft ist er schließlich jemand. Mehr als fünf Jahre gehörte er zum festen Ensemble des Deutschen Schauspielhauses. Seine Ausbildung erhielt er an der Staatlichen Schauspielschule in Bochum.

„Ladykillers“ ist ein Klassiker der schwarzen Komödie. Zur Vorbereitung eines Überfalls auf einen Geldtransporter quartiert sich eine als Streichquartett getarnte Ganovenbande in das einsam gelegene Haus einer harmlosen alten Dame ein. Als die freundliche, aber aufdringliche Vermieterin den genialen Plan des Dr. Marcus eher zufällig zu durchkreuzen droht, muss die Alte weg – aber ein Gentleman-Gangster bringt ja nicht einfach mal eben eine Lady um.

Das neue Stück am Harburger Theater ist eigentlich ein altes. In der Bühnenfassung und Regie von Axel Schneider wurde es im Jahr 2001 uraufgeführt. Damals wie heute dabei: Jacques Ullrich und Hannelore Droege als die unfreiwillige Ganovenjägerin Mrs. Wilberforth. Nur die beiden kennen noch den Regieeinfall Axel Schneiders, den das Publikum nie zu sehen bekam: Ein Schauspieler saß zunächst bei den ersten Proben im Vogelkostüm im Käfig, krächzte und sprach gelegentlich. Der Darsteller protestierte schließlich und Axel Schneider sah ein, dass seine Idee eine Spur zu verrückt gewesen sei. Darüber lachen die Beteiligten noch heute. Den sprechenden Papagei gibt es in der Inszenierung trotzdem – klein im Hintergrund und absolut nicht lebendig.

In „Ladykillers“ erwartet das Publikum ein ausgezeichnet eingespieltes Ensemble. Im vergangenen Frühjahr gab es mehrere Gastspiele, zuletzt am Silvesterabend in Elmshorn. Axel Schneider verzichtet deshalb auf lange Proben. Die Schauspieler kommen erst einen Tag vor der Premiere zu einer fünf Stunden langen Probe zusammen. Zu einem „Durchlauf“ mit Unterbrechungen, wie es in der Branche heißt. Sollte der Regisseur Bedarf sehen, stehen am Premierentag noch Korrekturen auf dem Stundenplan.

Im vergangenen Jahr ist das Harburger Theater zu Hamburgs Privattheater mit der zweitgrößten Bühnentiefe avanciert. Der Bühnen- und Garderobenneubau sei auch ein Thema, sagt Jacques Ullrich. Die Investition in das Theater zeige, dass der Stadtteil Harburg aufzuholen scheine. Das sei der Eindruck bei den Gesprächen mit Kollegen. Von Harburg kennt Jacques Ullrich nicht viel – zumindest aber den Weg von der S-Bahnhof zum Theater. Er selbst lebt in Altona.

An das ihm gut bekannte Harburger Theater hat der Künstler noch eine Erinnerung aus dem Jahr 2005. Damals spielte Jacques Ullrich die Hauptrolle in „Die zwölf Geschworenen“. Eine „Leib- und Magenrolle“, wie er sagt. Und ausgerechnet in seiner Lieblingsrolle zeigte sich das Publikum als unruhig. „Ich wurde vom Schauspieler zum Schaukämpfer“, sagt Jacques Ullrich. Ein Kämpfer auf der Theaterbühne sei jemand, der das Publikum in die Aufmerksamkeit zwingen will.

Jacques Ullrich verkrümelt sich im Theater und hört Deutschlandfunk

Wer dem freundlichen Schauspieler gegenüber sitzt, vermag sich nicht wirklich vorstellen, dass dieser Mann überdrehen könnte. Er bestellt einen Tee, Rooibus Vanille. Dem Fleischgenuss hat er entsagt. Erst als Vegetarier, heute als Veganer. Sein Konsumverhalten stellte Jacques Ullrich um, als im Jahr 2000 Schreckensmeldungen über die Rinderseuche BSE die Nachrichten dominierten. Anlass seien die Berichte im Fernsehen gewesen. „Ich sah die Rinder am Haken hängen. Welche Hässlichkeiten die Massentierhaltung beinhaltet“, erinnert er sich.

Jacques Ullrich überrascht. Nicht nur, weil er zu der Minderheit in der Schauspielbranche zählt, die in der Bundeswehr gedient hat. Er verpflichtete sich als Sanitäter. Der Künstler ist ein politischer Mensch. Er verfolgt im Fernsehen und im Internet – wenn irgendwie möglich – Bundestagsdebatten. Schauspielkollegen kennen das Bild, wenn Jacques Ullrich im Theater sich in die hintere Sitzreihe verkrümelt und vor Proben und Vorstellungen über Kopfhörer Nachrichten im Deutschlandfunk hört.

Welchen Politiker würde er gerne mal spielen? „Einen, der sehr stark reflektiert, was er mit seinem Handeln auslöst“, sagt Jacques Ullrich. Diplomat ist er also auch noch. Zumindest nennt er dann doch noch einen Namen: Auf George W. Bush würde das Rollenprofil auf keinen Fall zutreffen.

„Ladykillers“, 19. Februar bis 28. Februar, Harburger Theater, Museumsplatz 2, Eintrittskarten: 16 bis 32 Euro, Kartentelefon: 040/333 95 060