Mit vereinten Kräften und der Hilfe der Jugendbauhütte der Denkmalschutzstiftung haben die Mühlenretter die Sägerei in Karoxbostel restauriert

Karoxbostel. Kalt ist es momentan in der Wassermühle in Karoxbostel. Dementsprechend vermummt sind die ehrenamtlichen Helfer, die jeden Tag in dem historischen Gemäuer werkeln, putzen, bohren und hämmern. Während im Wohnhaus inzwischen der schöne alte Kachelofen in der guten Stube und in der Halle ein offenes Feuer ein wenig Wärme verbreiten, ist es auf der Baustelle an der alten Sägerei ziemlich frisch. Entstprechend dick angezogen sind Magnus Pflüger, Sam Duncan Fohrmann und Wiebke Tabea Koopmann. Die drei sind die „Mobis“, das mobile Einsatzteam der Jugendbauhütte der Deutschen Denkmalsschutzstiftung. Wie bei einem freiwilligen sozialen Jahr bieten die 13 Jugendbauhütten in Deutschland jungen Leuten mit und ohne Schulabschluss die Möglichkeit, ein Jahr lang praktische Erfahrungen im Bereich Denkmalschutz zu sammeln. Die junge Leute der Stader Einrichtung helfen zum Beispiel mit im Freilichtmuseum am Kiekeberg oder machen Archivarbeit im Schwedenspeicher in Stade. Die Drei in Karoxbostel sind eher die Praktiker und werden für handwerkliche Kurzeinsätze zu Denkmälern im Hamburger Süden geschickt. Seit Beginn ihres Jahres haben sie schon bei einer archäologischen Ausgrabung geholfen, für die Restaurierung der Sägerei in Karoxbostel haben sie jetzt vier Wochen vor Ort gearbeitet und gewohnt. Richtig wohl fühlen sich die junge Helfer hier. Sie sind privat untergekommen bei den Mitgliedern des Mühlenvereins. Die sorgen auch dafür, dass etwas Warmes auf den Teller kommt, wenn die jungen Arbeiter Mittagspause haben und zum Essen in das Wohnhaus der Mühle kommen. „Zuerst sollten unsere Helfer nur für die Drei kochen, aber daraus hat sich jetzt ein richtiger Mittagstisch für allen Freiwilligen, die jeden Tag hier sind, entwickelt“, sagt sich Emily Weede, die dem Mühlenverein vorsteht. In der vergangenen Woche hatte Magnus Geburtstag, er bekam sogar zwei Geburtstagskuchen von den Mühlenrettern. „Die sind echt Klasse hier“, freute er sich.

Die Junghandwerker haben ordentlich reingehauen: gemeinsam mit einem festen Team von Helfern wurde die alte Sägerei innerhalb von einem halben Jahr wieder errichtet. „Im Grunde stand nur noch das Fundament mit einer Bruchbude oben drauf“, sagt Emily Weede. Sogar die Denkmalpflege hatte das Gebäude abgeschrieben. Doch dann kam Rüdiger Heßling, Vorsitzender der Mühlenvereinigung Niedersachsen/Bremen vorbei und entdeckte einen Schatz. „Wir haben als Sägewerk ein sogenanntes venezianisches Gatter und das ist in Norddeutschland nahezu einmalig“, berichtet Weede. „Venezianergatter“ wurden in Venedig um die Wende des 15. und 16. Jahrhundert als Sägegatter für den Wasserkraftbetrieb entwickelt. Beim Ausbau des Vier-Tonnen-Brockens im vergangenen Jahr musste eigens ein Telekran anrücken, um das Sägewerk in zwei Teilen aus der Ruine zu bergen. Das Metallgestänge wurde vor Ort von den Mühlenhelfern aufgearbeitet: „Alles wurde vor dem Ausbau genau dokumentiert und fotografiert, damit alles am Ende wieder an seinem Platz sein konnte“, erzählt die Chefin des Mühlenvereins. Die Holzaufbauten, die die Säge tragen, waren vergammelt, wie der Rest des Gebäudes. Sie wurden von der Zimmerei Brauel aus Ramelsloh nachgebaut.

Unter dem Schutt fanden die Mühlenfreunde glücklicherweise die gusseisernen Fassungen der Fenster, auch sie konnten gerettet und aufgearbeitet werden. Sie werden nun in das neu errichtete Gebäude, das nach Originalbauplänen rekonstruiert wurde, wieder eingesetzt. Die drei jungen Leute von der Jugendbauhütte haben einen Großteil der Fachwerkkonstruktion mit Fichtenholz verkleidet und geholfen, das Falzblechdach aufzusetzen. Nun müssen noch die Rundbögen für die Fenster in die Holzwände geschnitten und eine Tür muss auch noch bearbeitet werden. Darum kümmern sich die jungen Denkmalschützer, während Rolf Nagel, Mühlenretter und pensionierter Ingenieur, gerade in den Keller gestiegen ist. Am unteren Teil des Sägeeinheit bearbeitet er das Schwungrad, mit dem die Säge per Wasserkraft angetrieben wird. „Da fehlen noch 50 Kilogramm Blei, damit es rund läuft“, ruft er von unten hoch. Dass das Gebäude tatsächlich wieder in voller Pracht auf dem Hof der Wassermühle steht, das hätten sich die Mühlenfreunde nicht so schnell erhofft: „Wir wollten das Projekt eigentlich erst in zwei Jahren angehen“, sagt Emily Weede. Doch das Engagement der Mühlenvereinigung, die Zusage von Spenden und das Hilfsangebot der Jugendbauhütte gaben den Ausschlag, doch loszulegen. 56.000 Euro hat die Restaurierung der Sägerei verschlungen und konnte nur deshalb gelingen, weil so viele ehrenamtlich mitgeholfen haben. 20.000 Euro spendete die Bingo-Umweltlotterie, der gleiche Betrag kam von der Niedersächsischen Sparkassenstiftung. 7500 Euro steuerten Landkreis und Gemeinde bei, so dass der Mühlenverein nur knapp 10.000 Euro selbst aufbringen musste.

An den Wochenenden führen die Mühlenretter gern Besucher durch das Gebäude. Als erste Veranstaltung in diesem Jahr lockt am Sonnabend, 28. Februar, die Lyriklesung „Verliebt in Wort und Klang“. Ab 20 Uhr hören die Gäste Altes und Neues zum Thema Liebe. www.wassermuehle-karoxbostel.de