Aus Beckedorf werden die runden Gummiteile in alle Welt verschickt. Ohne Dichtungen geht nichts im modernen Leben

Beckedorf. Sie sind meistens kreisrund, manchmal nur wenige Millimeter klein, manchmal so groß, dass eine ganze Familie darin gleichzeitig Hula hoop üben könnte und immer bestehen sie aus Gummi, natürlich wie synthetisch. Die Rede ist von Dichtungen. Ohne sie wäre unser Leben und der Alltag viel komplizierter. Dann würde der Teig beim Bäcker aus dem Rührbottich auslaufen und keine Armbanduhr dauerhaft funktionieren. Ganz zu schweigen davon, dass jeder Wasserhahn tropfen würde und kein Bagger die Schaufel anheben könnte. Keine Düse könnte Farben gleichmäßig verteilen, kein Pharmaunternehmen chemische Stoffe zu Medikamenten verarbeiten und kein Bauer Milch vom Euter in den Sammeltank leiten.

„Alles, was sich bewegt, hat Dichtungen, überall, wo sich Flüssiges oder Gas befindet, ob Öl, Wasser oder Luft, braucht man sie“, bringt Martin Knoche, Geschäftsführer der Firma Dichtelemente arcus GmbH auf den Punkt, was er seinen Kunden anbietet. „Was auch immer Sie vorhaben – wir halten dicht“ lautet das Credo seines Unternehmens, das seit vier Jahren im Gewerbegebiet am Beckedorfer Bogen direkt hinter der Hamburger Landesgrenze angesiedelt ist. Rund 40 Mitarbeiter kümmern sich darum, dass Großhändler und Wiederverkäufer nie auf dem Trockenen sitzen. Und da man nun Dichtungen in allen Bereichen des Lebens braucht, ist das Angebot entsprechend vielfältig. Imposant ist deshalb auch das Lager der Firma. In langen Hochregalreihen stehen auf einer Fläche von 4400 Quadratmetern Aufbewahrungsboxen dicht an dicht. Darin liegen 60.000 verschiedene Ausführungen in allen Formen, Mengen und Größen für den Kunden bereit.

Rund 90 Prozent der Bestellungen sind Dichtungen im Standardformat, auf Wunsch übernimmt die Firma arcus auch Sonderanfertigungen, die besonders groß sind, beispielsweise für Windkraftanlagen oder besorgt Dichtungen in Mengen, die in die Millionen gehen. Verwendet wird zwar auch noch Naturkautschuk, zum größten Teil bestehen die Dichtungen heutzutage aber aus Elastomeren, formfesten Kunststoffen, die elastisch sind. Je nach Branche gibt es natürlich auch Produkte aus weiter entwickelten Kunststoffen, die in speziellen Bereichen eingesetzt werden. Je nachdem ist auch die Haltbarkeit eines Dichtungsrings sehr unterschiedlich. In der chemischen Industrie muss er in kurzen Zyklen ausgetauscht werden, in anderen Bereichen kann eine Dichtung bis zu 20 Jahre halten.

Die Kunden sind ausschließlich Wiederverkäufer. Sie können im Internet direkt bestellen oder sich telefonisch von einem Fachberater informieren lassen. Da die Typbezeichnungen für jedes einzelne Produkt herstellerabhängig ist, braucht man auch mal den Fachmann, der bei der Auswahl der richtigen Dichtung behilflich ist. „Oft schicken uns die Kunden deshalb auch Zeichnungen, Fotos oder Musterstücke“, sagt Knoche. „Das wird bei uns dann ganz genau geprüft, damit der Kunde exakt das Richtige zugeschickt bekommt.“ Nachdem geklärt ist, um welchen Artikel es sich handelt, geht der Auftrag direkt an die Kommissioniergeräte, die durch die hohen Regalwände des Hochregallagers zielgerichtet zu dem Platz fahren, an dem die Box mit der Dichtung liegt. Automatisch fährt der Stapler in das richtige Stockwerk, ein kleiner Scheinwerfer zeigt dem Fahrer an, wo genau das Gewünschte liegt. Nicht auszudenken, wenn das elektronische Warenwirtschaftssystem ausfallen würde. Denn alles läuft hier Barcode-gesteuert, und ist nicht mehr wie früher logisch sortiert, sondern chaotisch: Wo ein Platz frei ist, wird der Artikel eingelagert. Ohne das Computersystem würde kein Mensch die einzelnen Dichtungen wiederfinden. „Wir sind quasi wie ein Krämerladen mit unzähligen Einzelstücken“, sagt Knoche. Als sein Unternehmen vor vier Jahren vom Großmoorring in Harburg in das Gewerbegebiet bei Beckedorf übersiedelte, dauerte allein der Umzug des Lagers ein halbes Jahr und dabei lief der Betrieb auch noch weiter. Wenn die Bestellung zusammengestellt ist, wird sie verpackt und per Paketdienst verschickt, innerhalb von 24 Stunden liegt die Dichtung auf dem Tisch oder in der Werkstatt des Kunden. Sonderanfertigungen dauern natürlich länger. Große Mengen werden in Asien hergestellt. „Aber die anspruchsvollen Produkte kommen meist aus Europa“, sagt Martin Knoche. „Norditalien ist das Mekka der Gummiverarbeitung.“ Seine Kunden – sie sitzen zum größten Teil in Deutschland, Österreich und der Schweiz – wissen die schnellen Lieferzeiten und den Service zu schätzen. Das Hauptgeschäft macht das Unternehmen mit den kreisrunden O-Ringen. Man findet sie zum Beispiel in Wasserarmaturen, in Spritzdüsen für die Scheibenwaschanlage oder als Abdichtung für Scheinwerfer im Auto.

Vor 20 Jahren gründete Knoche gemeinsam mit seinem Bruder Reinhard die Firma in Harburg und ließ sich am Großmoorring nieder. „Damals habe ich noch mit einem Einkaufskorb die Bestellungen für die Kunden aus dem Lager geholt“, erinnert sich Knoche. Irgendwann platzte die 800 Quadratmeter große Halle aus allen Nähten und die Gemeinde Seevetal lockte mit einer attraktiven Fläche und niedrigeren Gewerbesteuern im Beckedorfer Bogen.

Hier residiert die Firma nun seit vier Jahren und beschäftigt rund 40 Mitarbeiter. Die haben es übrigens sehr gut: Einmal in der Woche sorgt ein Personal-Trainer dafür, dass keiner Rückenschmerzen bekommt, es gibt eine hauseigene „Muckibude“ mit Fitnessgeräten und in der Pause wird gern auch mal eine Partie am Kicker gedreht.

Der schnelle Service, der Internetshop mit umfangreichen Produktinformationen, das Know-how der Mitarbeiter und das immense Angebot hat arcus erfolgreich gemacht. Seit der Firmengründung 1995 verzeichnete man jedes Jahr zweistellige Wachstumsraten, und auch die zwei Jahre, als die Wirtschaftskrise für Umsatzrückgänge sorgte, sind schon lange vergessen. Seit 2010 hat sich die Anzahl der Mitarbeiter verdoppelt und über die Umsätze kann sich Knoche nicht beklagen, schließlich haben sie sich in den letzten vier Jahren, seitdem man in Beckedorf residiert, verdoppelt. Kein Wunder, schließlich handelt er mit einem Produkt, das zwar unauffällig ist – unser Leben aber ein gutes Stückchen unkomplizierter macht.