Von 700 neuen Einheiten pro Jahr ist Harburg noch weit entfernt. Auch wenn aktuelle 694 bereits im Bau sind

Harburg. Den Bau von 2717 Wohneinheiten hat das Bezirksamt Harburg in den vergangenen vier Jahren genehmigt. Fertiggestellt wurden seit 2011 aber mit 986 nur ein Drittel, 2014 waren es ganze 39. „Zählt man die noch in Bau befindlichen dazu, ergibt sich jedoch ein ganz anderes Bild, dann liegt die Quote bei über 75 Prozent“, so Verwaltungschef Thomas Völsch. Der außerdem darauf verweist, es müsse bei diesem Thema stets ein längerer Zeitraum betrachtet werden. Weil Wohnungsbauprojekte im Schnitt drei Jahre von der Grundsteinlegung bis zum Bezug dauern würden. Und 2014 seien immerhin 694 bereits im Bau befindlich gewesen. Deshalb könne mit Fug und Recht von einer „guten Entwicklung“ gesprochen werden, die sich 2015 fortsetzen werde. Doch ist so viel Optimismus wirklich gerechtfertigt?

Angesichts des noch immer währenden Tauziehens um das Neubauprojekt Neuländer Quarrée am Binnenhafen (das Abendblatt berichtete mehrfach) wird deutlich, wie schwierig es ist, die vom Hamburger Senat geforderte Zahl an Wohneinheiten tatsächlich zu realisieren. Von den 6000 für die gesamte Stadt entfallen 700 allein auf den Bezirk Harburg. Das ist eine überaus ambitionierte Zielsetzung. Und das nicht nur, weil deutlich strengere Lärmschutzrichtlinien wirtschaftliches Bauen zunehmend erschweren.

Unter den Vorgängersenaten war die Zahl der Neubauten auf 2000 Wohnungen im Jahr heruntergefahren worden. Das hatte zur Folge, dass viele kleine und mittelständische Bauunternehmen entweder Insolvenz anmelden mussten, oder aus Altersgründen ohne Firmennachfolger aufgelöst wurden. Die übriggebliebenen haben die Auftragsbücher nun aber so voll, dass sie die Preise in die Höhe treiben können. „Vor zwei, drei Jahren haben wir noch für 2500 Euro pro Quadratmeter bauen können“, sagt Joachim Bode, Vorstand des Eisenbahnbauvereins Harburg (EBV): „Heute werden bei Angeboten Preise von 3600 Euro aufgerufen.“

Die Wohnungsbauunternehmen, die auf dieser Basis zu verhandeln beginnen, würden dann oft bei 3000 Euro landen, so Bode. „Das ist wirtschaftlich kaum zu realisieren, wenn die Quadratmetermiete nicht zweistellig ist“, sagt Bode. Das aber gebe in Harburg erstens der Markt nicht her, und entspreche zweitens nicht dem Selbstverständnis als Baugenossenschaft. Aus diesen Gründen habe der EBV gerade ein Wohnungsbauprojekt auf Eis gelegt: Die Nachverdichtung zwischen Friedrich-List-Straße und Zimmermannstraße um 22 Wohneinheiten wird neu überplant, um Baukosten zu senken.

Hinzu kommt, dass Hamburg de facto „fertiggebaut“ ist, wie Wohnungsunternehmer sagen. Weil es kaum noch Flächen gibt, auf denen noch gebaut werden kann. Das Fischbeker Kasernengelände oder die Moor-Randbebauung in Neugraben gehören zu den letzten Ausnahmen. Um mehr Wohnungen bauen zu können, müssen wie in Sinstorf oder im Binnenhafen entweder Gewerbegebiete entwidmet, oder wie in Wilhelmsburg ganze Fernstraßen verlegt werden. „Oder man muss bestehende Wohnhäuser abreißen und dort Gebäude mit mehr Wohnungen errichten, was aber nicht viel bringt“, sagt Bode.

Der Anteil der Sozialwohnungen bei Neubauten ist gesetzlich nicht festgelegt, sondern eine politische Quote. Wenn ein Wohnungsunternehmen ein städtisches Grundstück kauft, um dort zu bauen, legt der Landesbetrieb Immobilienmanagement und Grundvermögen (LIG) als Verkäufer diesen Anteil in jedem Verkaufsvertrag einzeln fest. Im Schnitt sind es 30 Prozent.

Ohne diese Vertragsquoten gäbe es für Wohnungsunternehmen wenig Anreiz für sozialen Wohnungsbau. Die Förderung durch den Staat wird über günstige Kredite gewährt – und günstige Kredite bekommen Bauherren derzeit auch bei den Banken. „Der Unterschied ist so gering, dass die meisten Unternehmen darauf verzichten, denn die Regeln für sozialen Wohnungsbau greifen nicht nur in die Mietpreise ein, sondern auch in die Architektur. Oft kann man geförderte Wohnungen nicht so bauen, dass sie auf dem freien Markt attraktiv sind, wenn nach 15 Jahren die Förderung ausläuft“, so Joachim Bode.

„Genehmigt ist noch nicht gebaut“, tönten CDU-Bezirksabgeordnete in der Vergangenheit gern. Im Koalitionsvertrag zur Großen Koalition feierten sich die Christdemokraten andererseits dafür, die Anzahl der Wohneinheiten für das Projekt Fischbeker Heidbrook von ehedem 800 auf unter 690 gedrückt zu haben. Die fehlenden etwa 100 Wohneinheiten würden im Gegenzug „an anderer, geeigneter Stelle im Bezirk ausgeglichen“. Wo genau das sein soll, blieben die Koalitionäre bislang schuldig. Auch deshalb darf bezweifelt werden, dass in Zukunft 700 Wohnungen pro Jahr gebaut werden. Und sich die Lage auf dem Wohnungsmarkt entspannt.