Seit einem Monat wohnen die ersten Mieter in der SAGA-Senioren-Wohnanlage an der Grumbrechtstraße. Ihre Telefone blieben wochenlang stumm

Heimfeld. Die Türen öffnen sich von selbst und im Hausflur regelt ein Thermostat die Temperatur auf angenehm. So gut wie alles in den Haus, in dem Kurt Pranckel seit Jahresbeginn wohnt, geht automatisch. Nur für seinen Telefonanschluss hat der 87-Jährige nur Rennereien. Ein Freizeichen indes kommt immer noch nicht aus seinem Hörer. Das hat verschiedene Gründe – je nachdem, wann man wen fragt.

Postpensionär Pranckel wohnt im ersten fertig gestellten Flügel der „Harburger Mühle“. Hier an der Grumbrechtstraße entstehen 106 barrierefreie Seniorenwohnungen. 25 sind seit Januar fertig, die letzten sollen im März bezogen werden. „Harburger Mühle“ hat die Bauherrin SAGA die Anlage genannt, weil die vier Gebäudeteile wie Windmühlenflügel rechtwinklig zu einander angeordnet sind. Erklärtes Ziel der SAGA ist es, älteren Harburgern zu ermöglichen, in ihrem gewohnten Stadtumfeld altersgerecht zu wohnen.. Auch Pranckel musste nicht weit umziehen. Er wohnte zuvor an der Heimfelder Straße. Die Eineinhalb- bis Zweizimmerwohnungen sind zwischen 50 und 60 Quadratmeter groß. Wenn die Anlage fertig gestellt ist, sollen die Mieter gemeinschaftlich Gruppenräume, drei Sonnenterrassen und eine Bibliothek nutzen können. Eine Sozialbetreuerin hat ihre Arbeit im Haus bereits aufgenommen. Nur mit dem Telefon ist das so eine Sache: Seit er hier wohnt, ist Kurt Pranckel nur noch über sein Handy erreichbar. Um ins Internet zu gelangen, muss er öffentliche Hotspots nutzen. „Ich gehe dafür in die Kulturwerkstatt“, sagt er.

Die Telefon- und Internet-Anschlüsse in der „Harburger Mühle" laufen über den Anbieter wilhelm.tel, eine Tochterfirma der Stadtwerke Norderstedt. Als Kurt Pranckel seinen Mietvertrag unterschrieb, wurde ihm nahe gelegt, seinen Telefonvertrag von der Telekom auf ein Angebot von wilhelm.tel umschreiben zu lassen. „Das habe ich gemacht, und es hieß, jetzt müsste ich mich um nichts weiter kümmern“, sagt Pranckel.

Sein Telefonanschluss blieb jedoch tot. Nachfragen beim Hausmeister ergaben, dass das Problem beim Telefonanbieter läge. „Rund um das Haus finden noch viele Tiefbauarbeiten statt“, sagt wilhelm.tel-Sprecher Suhar Murteca. „Wir sind lange nicht an die Reihe gekommen, unser Kabel zu legen.“

Vergangenen Montag sollte es dann soweit sein. Kurt Pranckel wartete. Er sah auch ein Montageteam einer Fernmeldetechnik-Firma aus Mecklenburg-Vorpommern, ein Subunternehmen, das wilhelm.tel beauftragt hatte.

„Die legten ein rotes Kabel und arbeiteten an einem Schaltkasten im Keller. Sie sagten mir, dies sei die Haus-Telefon-Anlage“, sagt Pranckel.

Sein Telefon blieb aber weiter stumm. „Das ist jetzt kein Drama, aber das ist ärgerlich“, sagt Pranckel, „ich habe zum Glück ein Handy. Aber das hat ja nicht jeder hier. Einige meiner Nachbarn sind auf Hilfe angewiesen. Das ist ohne Telefon schwer zu organisieren.“

Warum sein Telefon auch tot blieb, nachdem die Anlage im Keller in Betrieb gegangen war, weiß Pranckel mittlerweile. Durch seinen Umzug hat er für seinen Altvertrag bei der Telekom ein Sonderkündigungsrecht. Die Ummeldung hat wilhelm.tel deshalb nicht durchgeführt, denn das Sonderkündigungsrecht kann Pranckel nur persönlich wahrnehmen. Deshalb war seine Nummer bei der Telekom noch für die Weitergabe gesperrt. „Das hat mir aber niemand gesagt“, beschwert er sich. „Überhaupt war niemand von wilhelm.tel jemals hier im Haus, um die Mieter zu informieren. Immerhin geht es hier um 26 Wohnungen.“

Pranckel ärgert das. Als ehemaliger Postler hat er eine andere Auffassung von Dienstleistung. „Als Karl Schiller Wirtschaftsminister war, hat er von uns jeden Sonntag den Vor-Abdruck des Spiegel per Telegrammboten auf den Frühstückstisch in Jesteburg gekriegt – und wehe, das hat mal nicht geklappt.“

Das Sonderkündigungsrecht muss der Mieter persönlich wahrnehmen

Demnächst soll Pranckels Telefon tatsächlich frei geschaltet werden. „Der Mann im Telekom-Laden hat eine Ablichtung meiner Ummeldung gemacht, und jetzt soll das seinen Gang gehen“, sagt er. Nur automatisch ging es nicht.