Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow „Stargast“ im Stellwerk. Olympische Spiele gelten als rotes Tuch

Harburg. Skylights nennen sich die fünf farbigen Lichtarme, die sich seit zwei Wochen allabendlich über den zumeist verhangenen Himmel über Harburg tasten. Lust auf Olympia sollen sie machen, auf das große Fest der Sportjugend aus aller Welt, das die Hansestadt 2024 gern an Elbe und Alster ausrichten möchte. Mehr als zwei Drittel aller Hamburger sind laut Umfragen angeblich dafür. Die Linkspartei gehört definitiv nicht dazu. Das hat sie am Sonntagabend beim Besuch ihres aktuellen Superstars, Bodo Ramelow, im Stellwerk am Bahnhof Harburg einmal mehr unmissverständlich klargestellt.

Mit rund 70 Besuchern war der Musikklub gut gefüllt. Es passiert ja auch nicht aller Tage, dass ein Politpromi dieser Güte Hamburgs Süden besucht. Ramelow hat im vergangenen Jahr etwas geschafft, was vor ihm keinem anderen Linken gelungen ist: Mit den Stimmen von Grünen und SPD wurde der gebürtige Niedersachse am 5. Dezember Ministerpräsident des Freistaates Thüringen. Und ist damit der erste linke Landesvater der Bundesrepublik überhaupt.

Ins Stellwerk kam der 58-Jährige fast unbemerkt und ohne nennenswerte Entourage. Selbst die beiden Bodyguards hatte er beiseite beordert, bevor er die letzten Stufen zum Rednerpult hinabstieg. Ramelow hält nichts von einem großen Hofstaat, der andere Politgrößen seines Ranges zumeist umschwirrt. Der langjährige Gewerkschafter gibt sich gern volkstümlich, nah an den Menschen.

Und so widmet er sich nach der Begrüßung durch die Spitzenkandidatin der Hamburger Linken, Dora Heyenn, und Sabine Boeddinghaus, Fraktionschefin der Harburger Linken, erst einmal einem Mädchen, das auf dem Platz neben ihm per Smartphone einem Pixelwesen die Zähne putzt. Was es neuerdings nicht alles gebe, raunt er der Kleinen zu, das Zähneputzen prinzipiell aber wichtig und notwendig sei.Ganz im Gegenteil zu Olympia. Das Rednerpult zieren gleich zwei Plakate, auf denen sich Hamburgs Linke „Entschieden gegen Olympia“ aussprechen. Für 16 Tage Spektakel würden Abermillionen Euro zum Fenster rausgeschmissen, aber der Breiten- und Schulsport sei chronisch unterfinanziert, sagt Gastgeberin Sabine Boeddinghaus, während Ramelow nachdenklich nickt.

Für die dringende Sanierung der Sporthalle am Heimfelder Hans-Dewitz-Ring, wo am Sonnabend das erste Harburger Fußballturnier für Flüchtlingskinder stattgefunden hat, würden 120.000 Euro fehlen, doch Olympia könne Hamburg leicht drei Milliarden Euro kosten. Wo denn da bitte die Verhältnismäßigkeit bleibe, fragt Boeddinghaus. Und erinnert auch gleich noch mal an die finanziellen Abenteuer Elbphilharmonie, Internationale Bauausstellung und Internationale Gartenschau, die der Stadt noch viele Jahre finanziell zu schaffen machen würden.

Nein, die Linke wolle wahrlich nicht als Spiel(e)verderber dastehen. Aber zu der sich hier manifestierenden „sozialen Ungerechtigkeit“ könne sie nicht schweigen. Schließlich habe der Kommerz Olympia längst gekapert. Von der glitzernden Fassade des Sportfests der Völker würden letztlich doch nur wenige Großkonzerne und das IOC profitieren. Mal ganz abgesehen von dem Irrsinn, dass ein Großteil des olympischen Dorfes auf dem Grasbrook nach den Spielen wieder abgerissen werden soll, weil die Hafenverwaltung dort keine Wohnungen haben wolle.

Ramelow erweist sich dann als rhetorisch geschulter Vollprofi, der für seinen Vortrag kein Manuskript braucht. Natürlich könne man der Stadt ihren Reichtum ansehen. Die wachsende Armut allerdings auch. Deshalb müssten der Sinn einer kategorischen Schuldenbremse kritisch hinterfragt und die Debatte um den Mindestlohn energisch weitergeführt werden. Auch er sei für eine Maut – allerdings nicht für die Benutzung von Autobahnen, sondern auf sinnlose Stromtrassen, von denen doch nur die Energiekonzerne profitierten.

Der Kreis schloss sich an diesem Abend, als Ramelow zum Kampf gegen falsche Feindbilder aufrief. So sei der „faule Grieche“ eine üble Mär. Denn 80 Prozent der millionenschweren Rettungsschirme seien doch gar nicht bei den Menschen im Mutterland Olympias gelandet, sondern zur Rettung maroder Banken aufgewendet worden. Brot und Spiele – das bleibt ein weites Feld. Dass Hamburgs Linke auch in Zukunft emsig beackern wollen.