Die Harburger SPD lud zum Bürger-Bürgermeisterdialog in den Rieckhof. Es gab nur wenig Kontroversen

Harburg. Draußen pladderte der Regen in die Pfützen, pfiff der Wind durch die Jackennähte und protestierte die Linkspartei gegen das, was ihrer Meinung nach in der Stadt schiefläuft; im trockenen, gut geheizten und gefüllten Saal des Rieckhof hingegen herrschte Wohlfühlatmosphäre, als Hamburgs erster Bürgermeister Olaf Scholz hier seine jährliche Harburger Bürgerfragestunde ganz im Zeichen des Bürgerschaftswahlkampfes absolvierte.

„Hier ist alles super“, könnte das Fazit der halbstündigen Rede lauten, mit der Scholz diesen Abend – und wohl schon diverse andere – einleitete, ohne ein Manuskript zu brauchen: Der Haushalt ist ausgeglichen, die Wirtschaft gedeiht und treibt in Hamburg sogar neue Zweige, neue Wohnungen entstehen zu tausenden und überhaupt ist das Wohnen in Hamburg viel günstiger als in teureren Städten, neue Nahverkehrsprojekte sind auf dem Weg und sogar die Elbphilharmonie wird fertig. Hamburg ist olympiareif – noch Fragen?

Heinrich Küpers hatte eine: Wie die Stadt es denn verantworten könne, direkt gegenüber des Busbetriebshofes neue Wohnungen zu bauen, wollte er wissen. „Die Schadstoffbelastung an der Winsener Straße ist ohnehin schon sehr hoch“, sagte er. „Wenn die Hochbahnmitarbeiter morgens die Busse warmlaufen lassen ist es noch viel schlimmer aber genau dort gegenüber wollen sie es Leuten zumuten, wohnen zu müssen.“

Ganz bestimmt würde Hamburg nirgendwo bauen, wo die Umweltbelastungen die Grenzwerte überschritten, sagte Scholz. „Außerdem wird die Hochbahn spätestens 2020 nur noch Busse mit alternativem Antrieb haben."

Hauptgrund für hohe Stickoxidbelastungen seien nämlich Dieselmotoren, sagte Scholz und da könne die Stadt ja schon selber etwas tun, so der Bürgermeister abschließend. Küpers eigentliche Frage war vergessen, als die nächste drankam.

So ging es Frage um Frage: Thema aufnehmen, so lange darüber reden, bis man das Thema auf sicheres Terrain gelenkt hat, Thema beenden, nächste Frage. Olaf Scholz an diesem Abend zu filmen, hätte ein Lehrvideo für Rhetorikschüler hervorgebracht – auch was die Körpersprache angeht: Scholz beherrscht die jovialen Bürgermeistergesten vom väterlichen Lächeln über den wissenden Zeigefinger bis zur beschwichtigenden Flachhand. Unterkunft Wetternstraße, Vermeidbarkeit von Kohlenmonoxid-Katastrophen, Finanzierung der Hochschulen: Kein Fragesteller fühlt sich abgebügelt – zumindest nicht, bevor er nach Hause gegangen ist und etwas nachgedacht hat.

Selbst mit Störern ging der Bürgermeister so um: Während der Rede ent-rollte eine Handvoll Harburger Linksautonomer erst ein Transparent, später ein zweites. Das erste sprach sich für ein ungeprüftes Bleiberecht aller Flüchtlinge in Hamburg aus, das zweite schlug mit einem unflätigen Anglizismus vor, was man mit der SPD tun sollte. Personenschützer stellten gelassen sicher, dass die Autonomen nicht näher an Scholz herankamen, als es den Beamten lieb war. Dreimal skandierten die Autonomen Protestrufe, dreimal zog der Tontechniker schlicht Scholz’ Lautstärkeregler hoch. Megaphone hatten die Aktivisten zu Hause vergessen.

Nur bei einem Thema wurde Scholz kontrovers: Oliver Höfer hatte gefragt warum die Wirtschaftsbehörde trotz der vielen Gegen-Unterschriften, das Beachclub-Gelände verkauft. Scholz verteidigte die Entscheidung vehement. „Eine wirtschaftliche Nutzung der Fläche liegt im Interesse aller Hamburger“, sagte er. „Es kann doch nicht ein Unternehmer bevorzugt werden, indem man ihm permanent eine Fläche zu den günstigen Konditionen einer Zwischenmiete überlässt, während der andere in die Röhre guckt, obwohl er die volle Pacht zahlen würde.“

Eine Harburger Beachclubfläche würde es aber auf alle Fälle geben, sagte Scholz, nur eben nicht am Veritaskai.

Gegen 21 Uhr endete der Abend. Die Radikalen waren schon eine Viertelstunde vorher müde und gegangen. Olaf Scholz gab Autogramme. Draußen pladderte der Regen und der Wind pfiff.