Landwirte der Arche-Region an der Elbe wollen sich zu einer Haltergemeinschaft zusammentun. Ihr erstes Projekt: Schweine-Leasing

Neuhaus. Bunte Bentheimer sind ja schon fast alte Bekannte. Zumindest für alle, die gern gutes Fleisch essen. Aber Husumer Protestschweine? Wer beim Fleischkauf auf Qualität und Haltungsbedingungen achtet, kann sich jetzt ein eigenes Tier mästen lassen. Kein schnödes industrielles Massenexemplar, sondern einen rot-weiß gestreiften Exoten. An der Elbe schließen sich Halter von Husumer Protestschweinen und ähnlichen Artgenossen zusammen, um gemeinsam ihre Produkte in Richtung Hamburg verkaufen. Die erste Idee: Schweine-Leasing.

Etwa 100 Menschen sind es, die aus der Region südöstlich von Lauenburg eine Arche an der Elbe machen. Es ist die einzige Arche-Region Norddeutschlands, sie liegt im nordöstlichsten Zipfel Niedersachsens und zählt zu den ausgezeichneten Orten im bundesweiten Wettbewerb „Land der Ideen“ 2014. Gerade hat das Projekt einen neuen prominenten Unterstützer bekommen: Holger Kray, Leiter der Agrar-Abteilung bei der UNO-Weltbank in Washington ist Mitglied im Förderverein Arche-Region geworden. „Die Arche-Region an der Elbe hat Bedeutung weit über Niedersachsen, auch über Deutschland hinaus“, sagte er. Daher wolle er beim Aufbau helfen.

Auf den Wiesen und in den Ställen der Region leben Rauwillige Pommersche Landschafe, Brillenschafe, Lippegänse – und Husumer Protestschweine. Früher Demonstrationsobjekt der dänischen Minderheit im preußischen Schleswig-Holstein, weil sie ihre Nationalflagge Danebrog nicht hissen durften, sind die rotbunten Schweine heute vom Aussterben bedroht.

Einer ihrer Retter ist Sören Vogt. Er betreibt seit 16 Jahren Landwirtschaft in Stiepelse an der Elbe und hat gemeinsam mit Frank Hübner aus Vockfey die Initiative zur geplanten Haltergemeinschaft in Gang gesetzt. Ob Schinken vom Englisches Parkrind, Wurst vom Bentheimer Schwein oder Käse von der Thüringer Waldziege: Rund 20 Kollegen wollen sich zusammentun, um ihre Produkte künftig auch im Großraum Hamburg verkaufen zu können. „Der Markt ist da. Die Leute sind bereit, tiefer in die Tasche zu greifen, wenn sie von der guten Haltung überzeugt sind“, sagt Sören Vogt. „Wir beliefern schon heute Privatkunden in Hamburg, allerdings per Post. Die Leute warten darauf, dass wir zu ihnen kommen. Doch dafür hat keiner von uns die Kapazitäten, die Betriebe sind zu klein.“ Gemeinsam könnten die Landwirte jemanden mit Marketing und Vertrieb beauftragen, und sie selbst erledigen die Arbeit auf dem Hof.

Als Erstes steht die Einrichtung einer nahen Schlachtstätte, denn bislang müssen die Halter mit ihren Tieren 40 Kilometer und mehr zum nächsten Schlachthof fahren. Retten und schlachten ist dabei kein Widerspruch, sagen die Landwirte: Schützen durch Nutzen, Erhalten durch Aufessen lautet die Devise der Gesellschaft zur Erhaltung alter und gefährdeter Haustierrassen. Soll heißen: Die Rassen überleben, indem der Mensch sie nutzt. Nur eben nicht so industriell wie die massenkompatiblen Arten.

Die erste Idee läuft bereits gut an, sagt Sören Vogt. Es handelt sich ums Schweine-Leasing nach dem historischen Modell der Lohnmast: Ein Jahr lang ziehen die Züchter die Schweine groß, im Familienverbund, auf Stroh und Gras. Der Pächter kann sein Schwein regelmäßig besuchen und beim Aufwachsen beobachten.

Sören Vogt hat den kompletten Wurf seiner Sau verleast, neun Ferkel. Für die nächsten fünf gibt es schon eine Warteliste. Dabei ist das Leasing nicht gerade günstig: Einmalig 100 Euro und 50 Euro im Monat zahlen die Pächter, am Ende kommen Kosten für Schlachtung und eventuelle Verwurstung hinzu. Um die 1000 Euro kosten die 100 bis 120 Kilogramm Fleisch am Ende.

Zum Vergleich: Beim Discounter ist Schweine-Kotelett im Angebot ab 2,99 Euro das Kilo zu kriegen. Im Supermarkt kostet Schnitzel 15 Euro, Nacken 7,50, Kotelett im Angebot 4,50 Euro, Filet 20 Euro. Die Preise für Fleisch des von der Qualität vergleichbaren Herstellers Neuland reichen von 10,50 Euro für Nacken über 18 Euro für Schnitzel bis zu 27 Euro für Filet. Ingo Rosenberg sieht in Projekten wie Schweine-Leasing und Haltergemeinschaft die Chance zum Überleben seines Hofes. „Die Arche ist zum großen Teil Hobby“, sagt der Landwirt, der seinen Hof in Groß Banratz gemeinsam mit seiner Frau bewirtschaftet. „Aber wir müssen auch davon leben.“ Und das ist schwierig, wenn die Vermarktung der Produkte hinterm nächsten Kirchturm endet.