In Lewenwerder und Am Aschenland sollen weitere Flüchtlingsunterkünfte mit insgesamt 450 Plätzen entstehen

Harburg. Die ursprüngliche Tagesordnung des Sozialausschusses am Montagabend im Großen Saal des Harburger Rathauses verhieß wenig Aufregendes. Doch dann wurden von der Ausschussvorsitzenden Claudia Loss (SPD) kurzfristig zwei Punkte auf die Agenda gehievt, die es in sich hatten. Die Hamburger Sozialbehörde hat die Anhörung der Bezirksversammlung gemäß Paragraf 28 Bezirksverwaltungsgesetz zu zwei weiteren Flüchtlingsunterkünften auf den Weg gebracht: Die bereits bestehende Anlage in Lewenwerder soll erweitert und ein neuer Standort an der Straße Am Aschenland in Fischbek erschlossen werden.

Hamburg hat im vergangenen Jahr fast 7000 Zuwanderer aufgenommen. Bis Ende 2015 müssen nach aktuellen Prognosen bis zu 5000 weitere Plätze geschaffen werden, das Gros als längerfristige Kapazitäten für die öffentlich-rechtliche Folgeunterbringung. Dass dem Bezirk Harburg dabei eine zentrale Rolle zukommt, ist nicht neu. Allerdings werden nach neuesten Erkenntnissen deutlich mehr Plätze entstehen, als bislang bekannt. Insgesamt dürften im laufenden Jahr mindestens 700 neue Plätze entstehen.

„Die zentralisierte Unterbringung von Flüchtlingen in Harburg Kern ist bis auf weiteres alternativlos“, legte der von der Behörde entsandte Referent Heie Kettner dar. Da man nach wie vor jede verfügbare Fläche optimal nutzen müsse, sei auch eine Aufstockung ursprünglich geplanter Kapazitäten unumgänglich. Das betrifft konkret die Erweiterung des Standorts Lewenwerder. In der Ad-hoc-Verfügung der Senatskommission war das Zusatzquartier noch mit 120 Plätzen konzipiert gewesen. Laut Kettner werden es nun 198 sein. Überdies sei es unumgänglich, die ursprünglich gewährte Befristung auf fünf Jahre aufzuheben und die Unterkunft auf unbestimmte Zeit vorzuhalten. Auch die Zusage, dort nur Familien unterzubringen, ist offenbar hinfällig.

„Die Erklärungen des Behördenvertreters waren durchaus schlüssig. Sie ändern aber nichts an der Tatsache, dass eine Integration der Flüchtlinge dadurch entscheidend erschwert wird“, sagte Iwona Mazurkiewicz von der Bürgerinitiative Wetternstraße, die kurz vor Weihnachten bei der großen Integrationskonferenz in Berlin für ihr herausragendes ehrenamtliches Engagement geehrt worden war. „Wenn alle geplanten Maßnahmen umgesetzt sind, werden mit dem Bezug des Flüchtlingsschiffs im Binnenhafen, der Unterkunft in Bostelbek und der Erweiterung der Zentralen Erstaufnahme an der Schlachthofstraße neben dem Elbcampus insgesamt fast 2400 Flüchtlinge im Harburger Zentrum leben. Da wird Integration zu einer kaum noch leistbaren Herkulesaufgabe.“

Das Thema Flüchtlingsunterbringung erreicht nun endgültig auch die Süderelbe-Region. Am Aschenland sind zehn doppelstöckige Modulbauten mit je vier Wohneinheiten für maximal 26 Menschen geplant. Der Standort, der eigentlich dem Ausbau des Wohnquartiers „Vogelkamp Neugraben“ vorbehalten war, soll etwa 250 Flüchtlingen vorerst bis Ende 2019 ein temporäres Domizil bieten.

Aus Sicht der Harburger FDP ist das eingeleitete Anhörungsverfahren einmal mehr alles andere als ergebnisoffen. „Die Erweiterung von Lewenwerder hatte der Senat unter Anwendung des Polizeirechts und ohne Beteiligung der Bezirksversammlung bereits im September beschlossen. Und auch daran, dass die Unterkunft Am Aschenland genau so umgesetzt wird, wie vom Senat geplant, dürfte es kaum einen Zweifel geben“, so der Abgeordnete Carsten Schuster. Vor diesem Hintergrund sei völlig unverständlich, dass sich bei der Abstimmung des FDP-Antrags zur „Flüchtlingspolitik im Bezirk Harburg“ am Montagabend alle Fraktionen der Stimme enthalten hätten.

In ihrem Antrag vom Oktober 2014 hatten die Liberalen unter anderem einen Verteilungsschlüssel gefordert, der sich am Sozialmonitoring orientiert. Und dass auf „die generelle Anwendung des Polizeirechts“ verzichtet wird. Die BV hatte den Antrag Ende Oktober in den Sozialausschuss verwiesen, wo er im November vertragt wurde. Nun erklärte die CDU-Abgeordnete Dr. Antje Jaeger, ihre Fraktion hätte zeitbedingt weiteren Beratungsbedarf. Diese Verfahrensweise fand nicht nur Schuster „unfassbar“. Auch Iwona Mazurkiewicz zeigte sich empört: „Angesichts der Dringlichkeit des Themas ist diese Verfahrensweise nicht nachvollziehbar.“