Privatleute sollen per Internet in die Immobilie am Inselpark investieren. Der Einstieg ist ab 500 Euro möglich

Wilhelmsburg. Kleinanleger können im Internet in das im vergangenen Jahr errichtete Ärzte- und Gewerbezentrum am Inselpark in Wilhelmsburg investieren. Die Hamburger Crowdinvestment-Plattform Exporo eröffnet ab dem 19. Januar die Gelegenheit dazu. Der Einstieg ist ab 500 Euro möglich. Mit der Schwarmfinanzierung im Internet wollen die vier Gesellschafter des neun Stockwerke hohen Gebäudes 1,345 Millionen Euro refinanzieren. Dazu versprechen sie einen Zins von 4,5 Prozent pro Jahr bei einer Laufzeit bis Ende März 2020.

Crowdinvestment ist eine neue Form der Eigenkapitalgewinnung, die immer populärer wird. Nach Angaben des Gründungsmanagementsunternehmens EFNW GmbH, ein An-Institut der Universität Oldenburg, wachse der Markt in Deutschland im Durchschnitt um acht Prozent im Monat. Beim Crowdinvestment erwerben eine große Anzahl Privatanleger (Schwarm, englisch: crowd, genannt) Firmenanteile. So beteiligen sie sich an der Entwicklung von Helikoptern oder an einem Bezahlsystem für Mobiltelefone. Bisher war Crowdinvestment ein Mittel bei der Finanzierung von Start-up-Unternehmen. Wer mit kleinen Summen einsteigt, hält seine Verluste überschaubar in Grenzen und erhält, wenn es gut läuft, hohe Renditen.

Das Hamburger Unternehmen Exporo sieht eine neue Geschäftsidee darin, auch Kleinanlegern den Weg zu eröffnen, in den Immobilienmarkt zu investieren – im Internet und ohne Umwege über Fondsgesellschaften oder Banken. Hafenarbeiter, Hausfrauen und Gemüsehändler auf den Elbinseln beteiligen sich mit Darlehen an einem neuen Ärztehaus vor ihrer Haustür und erhalten Zugang zu einem ihnen bisher verschlossenen Marktsegment – die Schwarmfinanzierung nimmt geradezu Züge sozialromantischer Utopien an. Die Exporo-Gründer Simon Brunke, Björn Maronde, Tim Bütecke und Julian Oertzen verstehen ihr Angebot als Gegenmodell zu intransparenten Immobilienfonds und der Vermietung von Eigentumswohnungen.

Die Verbraucherzentrale Hamburg allerdings warnt: Die Verbraucherschützer halten viele der Angebote auf Crowdinvesting-Plattformen für sehr riskant und in der Regel für Kleinanleger nicht geeignet. Sie sehen vor allem die sogenannten Nachrangdarlehen skeptisch, bei denen der Anleger im Falle der Insolvenz nachrangig nach allen anderen Gläubigern bedient wird. Auch bei dem Beteiligungsangebot zu dem Ärzte- und Gewerbezentrum in der neuen Wilhelmsburger Mitte handelt es sich um Nachrangdarlehen.

Zinszahlungen und Kapitalrückzahlung stünden in aller Regel unter dem Vorbehalt, dass damit keine Insolvenz ausgelöst wird. „Da es sich zumeist um kleine und am Markt noch nicht etablierte Firmen handelt, ist das Risiko von Gewinnausfällen und Firmenpleiten durchaus als hoch einzuschätzen“, sagt Heidi Pätzold, Expertin für Geldanlagen bei der Verbraucherzentrale Hamburg.

Die Verbraucherschützer kritisieren auch eine fehlende Risikoaufklärung gegenüber den nicht-professionellen Kleinanlegern. Crowdinvestment ist so neu, dass der Staat das Finanzierungssegment noch nicht reguliert hat. Heidi Pätzold: „Sie müssen bei Angeboten im Form von Nachrangdarlehen wissen, dass Totalverlust der Geldanlage drohen kann und dass es sich um spekulative Geldanlagen handelt.“ Jeder sollte überlegen, ob er hierfür Geld „zum Spielen“ übrig habe und im Zweifel auf das angelegte Geld verzichten könne.

In der anhaltenden Zinsflaute suchen Menschen nach renditestarken und stabilen Anlagemöglichkeiten. Das Beteiligungsangebot an dem Ärzte- & Gewerbezentrum am Wilhelmsburger Inselpark sieht eine feste Verzinsung von 4,5 Prozent pro Jahr vor. Das ist verlockend hoch. Aber: Je mehr Zins, desto mehr Risiko. Sparer erhalten zurzeit aufs Tagesgeld kaum mehr als ein Prozent. Und Wirtschaftsexperten sehen noch kein Ende der beinahe schon unheimlichen Niedrigzinsphase. Das Beteiligungsdarlehen zahlt ein Treuhänder zum 31. März 2020 zurück. Die Zinszahlung erfolgt jährlich – wenn alles gut geht.

Julian Oertzen von Exporo schätzt das Risiko eines Beteiligungsdarlehens für das Ärzte- und Gewerbezentrum in Wilhelmsburg für „sehr gering“ ein. Innerhalb nur kurzer Zeit seien mehr als 92 Prozent der Flächen vermietet gewesen. Viele Mieter hätten langfristige Mietverträge mit bis zu 15 Jahren Laufzeit abgeschlossen, sodass von einer geringen Fluktuation und einer hohen Sicherheit bei den Mieteinnahmen auszugehen sei. Die Mieteinnahmen belaufen sich laut der Hamburger Finanzhaus GmbH & Co. KG auf insgesamt 949.333 Euro im Jahr.

Das Ärzte- und Gewerbezentrum gegenüber der Behörde für Stadtentwicklung und Umwelt gehört vier Gesellschaftern, die sich im Zuge der Internationalen Bauausstellung kennengelernt haben. Das Gebäude bietet 3650 Quadratmeter für Arztpraxen und Gewerbe, 711 Quadratmeter für Läden und vier Penthouses mit insgesamt 560 Quadratmeter Fläche. Finanziert ist es mit 13,8 Millionen Euro Fremdkapital und 3,6 Millionen Euro Eigenkapital. Zusätzliche 1,345 Millionen Euro fehlten den Gesellschaftern beim Eigenkapital. Dieses Geld wollen sie über die Beteiligungsdarlehen aus dem Crowdinvestment finanzieren.