Ausnahmsweise: Samtgemeinde Tostedt zahlt die Personalkosten für Sozialarbeiter Jannik Golombek bis 2017

Tostedt . Für Jannik Golombek könnte das Jahr nicht besser beginnen. Endlich hat er Sicherheit. Er darf seinen Job als Schulsozialarbeiter weiter ausführen. Die Samtgemeinde Tostedt hat zugesichert, seine Stelle bis zum Schuljahr 2016/2017 zu finanzieren. Lange Zeit war es nicht klar, ob er weiter an der Grundschule Poststraße und der Hauptschule in Tostedt tätig sein kann. Je öfter der Landkreis in den Ausschüssen über die Zukunft der Sozialarbeiter beriet, desto unübersichtlicher wurde die Lage.

Das Problem begann damit, dass Ende 2013 eine Geldquelle versiegte: das Förderprogramm Bildung und Teilhabe der Bundesregierung, mit dem die Schulsozialarbeit im Landkreis bezahlt wurde, lief aus. Der Kreis konnte die Schulsozialarbeit zwar noch bis Ende 2014 aus diesem Topf finanzieren, da im Vorjahr nicht das gesamte Budget abgerufen wurde.

Aber wer danach für die Kosten aufkommen sollte, blieb unklar. Eigentlich zahlen Landkreise und Gemeinden lediglich die Kosten für Gebäude und Innenausstattung. Das Land kommt für Personal und Pädagogik auf. Also appellierte der Landkreis weiter an das Land Niedersachsen, die Schulsozialarbeit zu finanzieren und ein Konzept zur Weiterentwicklung vorzulegen.

Nichts geschah. Notgedrungen sprangen Kreis und Gemeinden schließlich ein. Zuerst sollte das Geld bis zum Schuljahr 2015/2016 fließen. Doch CDU und WG im Kreistag fürchteten, dass sich das Land von seiner Pflicht entbunden fühlen könnte, wenn der Landkreis so lange das Geld für die Personalkosten vorstreckt. So zahlte der Kreis lediglich bis Mitte 2015 eine halbe Million Euro. Die Kommunen steuerten ebenso 500.000 Euro bei. Wie es nach Mitte 2015 weiter gehen sollte, war bis vor kurzem noch völlig unsicher.

Für Jannik Golombek war das unerträglich. Sein Arbeitsvertrag wurde jeweils nur um ein halbes Jahr verlängert. Er wurde mehr und mehr zum Spielball der Politik. Seit Januar 2013 ist der 28-Jährige sowohl an der Grundschule Poststraße und Dieckhofstraße als auch an der Hauptschule in Tostedt als Sozialarbeiter tätig. Gerade hatten sich die Kinder an ihn gewöhnt, da drohte immer wieder das Ende seiner Arbeit. „Es geht nicht, dass junge Personalkräfte derart in der Luft hängen“, kritisierte Susanne Gras, Leiterin der Grundschule Poststraße. „Auch für die Bindungsarbeit mit den Kindern ist das katastrophal.“

Jannik Golombek wurde zudem langsam unverzichtbar an der Grundschule Poststraße. Seitdem er mit den Schülern im so genannten „Trainingsraum“ arbeitet, stören die Kinder weniger im Unterricht. Das Konzept des „Trainingsraums“ hat er vor einem halben Jahr zusammen mit Eltern und Lehrern erarbeitet.

Der „Trainingsraum“ ist ein ganz normaler Raum mit Schreibtisch und PC für Jannik Golombek und vielen gemütlichen Loungekissen, die sich in der Ecke stapeln. Wenn Lehrer einen Schüler dorthin schicken, weil er den Unterricht stört, kommt das einer gelben Karte gleich und geht so: Das Kind geht zu Jannik Golombek in den Trainingsraum, der mit ihm erörtert, woran das Fehlverhalten liegt und was es künftig besser machen kann. Am Ende hält Golombek eine Lösungsvereinbarung schriftlich fest. Dann geht der Schüler wieder zurück in den Unterricht.

Wer zu spät zur Schule kommt, muss die erste Unterrichtsstunde auch im „Trainingsraum“ verbringen. Der Besuch bei ihm ist oft der Aufhänger für Golombek, intensiver mit den Eltern in Kontakt zu treten. „Dadurch werden auch Väter und Mütter in die Verantwortung gezogen“, sagte er. Eine solche Gangart könnten Lehrer neben ihrem Unterricht schon allein zeitlich gar nicht leisten. Mal ganz abgesehen von den vielen anderen Baustellen, um die sich die Sozialarbeiter kümmern, etwa Trauerfälle und Scheidungen in den Familien der Schüler. „Ich kann mich voll und ganz auf die soziale Komponente konzentrieren. Je früher man bei Problemen interveniert, desto besser“, sagt er. „So produzieren wir keine Schulabbrecher.“

Politik und Verwaltung in Tostedt wussten, wenn einem jungen Mann keine Perspektive gegeben wird, dauert es nicht lange, bis er sich nach einem neuen Job umsieht. „Wir haben da jemanden, der seine Arbeit sehr gut macht. Wir wollten ihn nicht verlieren“, sagte Samtgemeindebürgermeister Peter Dörsam.

Deshalb entschied der Rat der Samtgemeinde kurz vor Jahreswechsel, die Stelle von Jannik Golombek bis zum Schuljahr 2016/2017 zu finanzieren. Damit kommen pro Jahr maximal 47.000 Euro Kosten auf die Samtgemeinde zu. Zähneknirschend ging die Samtgemeinde diesen Weg. Auch Tostedt findet, dass eigentlich das Land die Finanzierung übernehmen muss. „In Zukunft muss es darum gehen, eine tragfähige Lösung zu finden. Die Arbeit der Sozialarbeiter darf nicht am Gerangel um das Geld scheitern“, betonte Dörsam. Jannik Golombek ist froh, dass er jetzt zwei Jahre Ruhe hat. „Das war ganz schön nervenaufreibend.“

Alle anderen Schulsozialarbeiter an mehr als 30 Schulen im Kreis bangen weiter um ihre berufliche Zukunft und wissen nicht, wie es nach diesem Sommer weiter geht. Inzwischen gibt es aber Signale, dass auch sie weiter beschäftigt werden können. Zumindest ein Jahr länger.

Die Kreistagsfraktionen CDU und Wählergemeinschaft haben vor wenigen Tagen für die nächste Sitzung des Finanzausschusses beantragt, die Förderung der Schulsozialarbeit bis zum Schuljahr 2015/2016 auszudehnen. „Wir sehen aber weiterhin das Land in der Pflicht“, betonte Hans-Heinrich Aldag, Vorsitzender der CDU-Kreistagsfraktion. Mit dem Ende des Schuljahres 2015/2016 laufe die Förderzusage des Landkreises aus.