Als Student entwickelte Christoph Gilb ein Konzept, „Metronom“-Züge zu verlängern. Nun arbeitet er bei dem Unternehmen

Winsen. Beinahe hätte ein Bahngleis seinen Plan zerstört. Ein einziges Gleis am Bahnhof des Fleckens Ottersberg kurz vor Bremen. Dieses eine Gleis war zu kurz, um seinen Plan vom Schreibtisch auf die Schiene zu bringen. Doch das Gleis ist in diesem Jahr verlängert worden. Und der Plan von Christoph Gilb aus Winsen ist seit dem 14. Dezember Teil des Fahrplans der Metronom Eisenbahngesellschaft: ein Waggon mehr an Zügen zwischen Hamburg und Uelzen, Hamburg und Bremen.

Aufgewachsen in Stöckte mit vier Geschwistern, ist Christoph Gilb nach dem Abitur nach Braunschweig gezogen. An der Technischen Universität hat er Mobilität und Verkehr studiert, am Ende seiner Bachelor-Zeit machte sich der Student auf die Suche nach einem Unternehmen, bei dem er nicht nur ein Praktikum absolvieren, sondern auch seine Abschlussarbeit schreiben konnte.

Er fand die Metronom Eisenbahngesellschaft in Uelzen. Und die Metronom Eisenbahngesellschaft fand ihn. Denn Christoph Gilb ist ein Paradebeispiel für das perfekte Zusammenspiel von Wissenschaft und Praxis, von Hochschulen und Unternehmen. Der Student hat für die Firma ein Problem gelöst, das sie selbst zuvor jahrelang nicht gelöst hat.

Inzwischen bietet die Zuggesellschaft täglich 7000 Sitze mehr an

In schöner Regelmäßigkeit haben Fahrgäste und ihre Lobbyverbände über Jahre hinweg im Vorwege von nahezu jedem Fahrplanwechsel gefordert, die zu den Pendlerzeiten überfüllten Metronom-Züge zwischen Hamburg und Uelzen zu verlängern. Geht nicht, funktioniert nicht, klappt nicht, lautete stets die Antwort – von allen Seiten gleichermaßen bedauert.

In diesem Winter überraschte „metronom“ dann mit einer Mitteilung an die Öffentlichkeit: Wir verlängern unsere Züge, hieß es da, wir erfüllen einen Herzenswunsch: mehr Platz in den Zügen.

Wie bitte?

Es stimmt tatsächlich.

Christoph Gilb sitzt in Wollpullover und hellblauem Hemd im ersten Stock des Mehrzweckwagens ganz vorne im Zug und erklärt, warum auf einmal möglich ist, was jahrelang unmöglich schien.

„Die Fragestellung lautete: Wie lassen sich mit der vorhandenen beschränkten Infrastruktur und den bestehenden Mitteln die Sitzplatzzahlen erhöhen? Klar war: Zusätzliche Züge sind wegen der Überlastung der Strecke nicht möglich. Also musste ich mir etwas anderes überlegen.“

Schnell kam er ans Ende seiner ersten Überlegungen: Die schnellen „metronom“-Züge lassen sich tatsächlich nicht verlängern. Sie rollen ohnehin schon mit sieben Wagen in den Hamburger Hauptbahnhof ein – und damit ist die Kapazität der Gleise dort erreicht. Denn am Hauptbahnhof halten regelmäßig zwei Züge gleichzeitig auf einem Gleis, und das wäre mit acht Waggons nicht länger möglich. Außerdem hätten Signale umgelegt werden müssen – zu aufwendig für den Schienenbetreiber DB Netz.

Christoph Gilb ließ sich nicht beirren und rechnete weiter. „Dann war mir klar: Es ist möglich, die Fünf-Wagen-Züge zu verlängern.“ Das sind die, die an allen Bahnhöfen zwischen Hamburg, Winsen und Lüneburg halten. „Ich habe analysiert, welche von denen besonders voll sind und in welchen die Fahrgäste stehen müssen.“ Durch regelmäßige Fahrgastzählungen und Infrarot-Sensoren an den Türen einiger Züge hat die Eisenbahngesellschaft für jeden einzelnen Zug im Jahr die Zahlen ihrer Fahrgäste, sagt Gilb. „Warme Luft durch die Gegend zu fahren“ sei schließlich weder Ziel des Auftraggebers Landesnahverkehrsgesellschaft noch des Auftragnehmers „metronom“.

Für die vollsten Verbindungen morgens und nachmittags unter der Woche berechnete der Student anschließend die Auswirkungen auf sämtliche Umlaufpläne, Werkstattaufenthalte et cetera et cetera. „Überall gibt es Konflikte. Jeder Wagen mehr bringt das bisherige System völlig durcheinander“, sagt Gilb. Er konnte die Konflikte lösen und das System wieder aufräumen. Jetzt sind laut „metronom“ jeden Tag 48 Zugfahrten mit einem Waggon mehr ausgestattet und bieten insgesamt 7000 Sitzplätze täglich mehr an.

Auch wenn es eine Weile gedauert hat und der frisch gebackene Absolvent zwischenzeitlich schon nicht mehr an die Umsetzung seiner Abschlussarbeit von der Hochschule in die Realität des Zugverkehrs zwischen Hamburg und Uelzen sowie Hamburg und Bremen geglaubt hat. Doch Anbieter wie „metronom“ müssen bereits im Frühjahr ihre Fahrpläne für den Winter bei der Landesnahverkehrsgesellschaft anmelden – und so haben die 130 Sitzplätze mehr fast zwei Jahre gebraucht von der Bachelorarbeit bis zum Bahnsteig.

Als er sein Studium begann, hat Christoph Gilb gedacht, er würde nie zur Bahn gehen. Jetzt steigt er in Lüneburg aus dem Zug von Winsen aus und in den nach Uelzen ein. Denn der 26-Jährige arbeitet als Verkehrsplaner für den „metronom“ in Uelzen, wohnt in Winsen fußläufig zum Bahnhof – und sieht sichtlich zufrieden aus.