Wegweisende Neubauten, fertiggestellte Straßen, Planungen für Millionen Euro, ein Mord an einem elfjährigen Mädchen und das Thema Flüchtlinge

Landkreis Harburg . Wohnungsbau, Straßeneinweihungen, Schulstandorte und Wirtschaftsentscheidungen. Das waren die Themen, die Politik und Einwohner im Landkreis Harburg beschäftigt haben. Eins kam dazu, das zu Beginn des Jahres in seiner Dimension wohl keiner richtig eingeschätzt hatte: die Unterbringung der Flüchtlinge aus den Kriegsgebieten dieser Welt. Zum Jahresende werden 1270 Menschen, die meist nur mit ein paar Habseligkeiten ihre Heimat verlassen mussten, in den Kommunen im Landkreis Harburg untergebracht sein. Allein in diesem Jahr haben 784 Menschen hier ein Obdach gefunden. Auch 2015 wird die Unterbringung der Flüchtlinge ein Thema bleiben, bis Ende September müssen für weitere 1000 Menschen Unterbringungsmöglichkeiten geschaffen werden.

Was sich genau in den Ortschaften südlich der Hamburger Landesgrenze ereignet hat, worüber man in diesem Jahr gesprochen, diskutiert und gestritten hat, haben die Landkreis-Redakteure des Hamburger Abendblatts für Sie zusammengetragen.

In Winsen als politisches Zentrum des Landkreises, wurden in diesem Jahr drei zukunftsweisende Entscheidungen gefällt. An erster Stelle steht der politisch stark umstrittene Beschluss für den Ausbau der Grundschulen zu Ganztagsschulen. Sie sollen mit ihrem Angebot, die Betreuung für Familien abdecken, in denen beide Eltern berufstätig sind. An den bestehenden Horten, die eine längere Betreuung bieten, soll aber nicht gerüttelt werden. In die Haushalte 2015 und 2016 gehen deshalb rund sieben Millionen Euro für die Hanseschule und die Schulen am Borsteler Grund und am Ilmer Barg ein. Dafür werden Klassenräume und Mensen neu entstehen oder ausgebaut. Zum Schuljahrsbeginn 2016/17 soll das Angebot starten. Ob die Planung auch auf Pattensen ausgeweitet wird, ist dagegen noch nicht entschieden.

Klar ist, dass Winsens Bahnhof ein Parkhaus für mehr als 500 Pkw- und 300 Zweiradstellplätze erhält. 6,8 Millionen Euro soll das Haus kosten. Die Stadt rechnet mit der finanziellen Hilfe der Landes-Nahverkehrsgesellschaft, die mehr als vier Millionen Euro betragen könnte. Allerdings soll der Bau erst beginnen, wenn die Entscheidung über den Zuschuss gefallen ist.

Nach der Fertigstellung der Luhebrücke, auf die die Bewohner nun bis zum Herbst 2015 hoffen, soll mit der Sanierung des Innenstadtrings begonnen werden. Die Straßen bekommen neue Asphaltdecken, Geh- und Radwege werden modernisiert. Allerdings wird es keinen Schutzstreifen für Radfahrer geben. Denn die Mehrheit der Politiker hat sich für die günstigste Variante für gut 1,5 Millionen Euro ausgesprochen. Die Arbeiten sollen bis Ende 2016 abgeschlossen sein.

In Buchholz wurde 2014 die Bürgerbeteiligung groß geschrieben: Zur Erarbeitung des Integrierten Stadtentwicklungskonzeptes (ISEK) konnten die Buchholzer in zwei Bürgerwerkstätten ihre Vorschläge und Wünsche einbringen. Ganz konkret erwuchsen daraus die „Initiative pro Buchholz“ als Schnittstelle zwischen Bürgern und Verwaltung. Und die Initiative „Kul-TRaum21“, in der sich die Kulturschaffenden der Stadt regelmäßig zum Austausch treffen. Erstes gemeinsames Projekt: Die Buchholzer Kulturnacht 2015.

Vieles ist fertig geworden: die Turnhalle der Holm-Seppenser Mühlenschule, zweieinhalb Jahre, nachdem die alte Halle abgebrannt war, das Isi-Businesszentrum im Gewerbegebiet, das sich an Existenzgründer richtet, die Zukunftswerkstatt und die Sanierung der Gutskapelle Holm.

Eine halbwegs gute Nachricht für einen Großteil der Buchholzer kommt aus Lüneburg: Das Oberverwaltungsgericht hat der Beschwerde des Landkreises gegen die Nichtzulassung der Revision gegen das Ostring-Urteil stattgegeben. 2011 hatte das Verwaltungsgericht den fertigen Planfeststellungsbeschluss für die Umgehungsstraße kassiert. Ein Bürgerentscheid im Januar 2013 brachte zu Tage, dass eine Mehrheit von 62 Prozent der Bürger am Ostring festhalten will. Während das OVG dem Landkreis und der Stadt ein Mediationsverfahren nahelegt, will es der Kreis auf ein Verfahren in der nächsthöheren Instanz ankommen lassen. Dafür ist vor Jahresende ist die Dibbersener Ortsumgehung eröffnet worden.

Was bringt 2015? Die beliebten Veranstaltungen wie Stadtlauf und Stadtfest sind schon wieder gebucht. Das Krankenhaus Buchholz nimmt im Februar seinen großen neuen Anbau in Betrieb. Vollständig abgeschlossen ist das Projekt erst im September, bis dahin wird die Station M umgebaut. Anfang Februar soll das ISEK fertig gestellt sein. Es ist eines der wenigen Großprojekte, die zum Abschluss kommen werden. Alles andere beginnt jetzt erst: das Planfeststellungsverfahren für den Mühlentunnel, die Umgestaltung der Bahnhofstraße sowie die Bebauung des Zivildienstschulengeländes. Im Gewerbegebiet III am Trelder Berg wollen mehrere Betriebe Eröffnung feiern, so der Raumausstatter T+T, der Fahrstuhlhersteller Diao Elevators und der Verpackungsspezialist Linder.

In Jesteburg sollte der „Famila-Deal“ längst in trockenen Tüchern sein. Die Gemeinde will auf dem ehemaligen Schützengelände einen dringend benötigten Vollsortimenter bauen. Doch im Sommer hatte Hanstedt mit einer Normenkontrollklage vor dem OVG Lüneburg das Projekt fürs erste ausgebremst. So lange das Gericht nicht darüber geurteilt hat, ob sich die Ansiedlung mit dem Regionalen Raumordnungsprogramm (RROP) und dessen Vorgaben deckt, sind den Jesteburgern die Hände gebunden. Immerhin hat Jesteburg dem ehemaligen Eigentümer, dem örtlichen Schützenverein, die Fläche für 1,7 Millionen Euro schon mal abgekauft. Eine echte Erfolgsgeschichte ist dagegen die Eröffnung der neuen Oberschule, die nach langem Ringen und großem Engagement einer Elterninitiative nach den Sommerferien ihren Betrieb aufnehmen konnte. Zum Jahresende sollte eigentlich außerdem über die Bebauung des Clement Grundstücks im Dorfkern entschieden werden. Nachdem kurzfristig ein zweiter Investor seine Pläne vorgestellt hatte, will die Gemeinde im Januar Nägel mit Köpfen machen und sich festlegen.

Nach vielen Diskussionen und immer neuen Lösungsansätzen hat die Gemeinde in Bendestorf im März entschieden: die Halle A1 auf dem Gelände der ehemaligen Bendestorfer Filmstudios wird abgerissen. Ein rühriger Förderverein, der die Erinnerung an die Glanzzeiten der Studios in den 50er-Jahren aufrecht erhält, will hier jetzt einen „Kulturraum“ Wirklichkeit werden lassen. In einem Nebengebäude, den ehemaligen Vox Klangstudios, soll eine ständige Ausstellung zur Geschichte der Studios und ein historischer Kinosaal neu entstehen. Im Januar wird eine Entscheidung des Gemeinderates erwartet, die die Änderung des Bebauungsplanes für das Gelände betrifft. Dort, wo die alten Filmhallen standen, möchte ein Investor im kommenden Jahr mit dem Bau von seniorengerechten Wohnungen beginnen.

Die Maschener Schulstraße hat ein neues Gesicht. Die Verkehrsachse, die Kunden zu den Geschäften locken soll, lädt schon während der Fahrt zum Schaufenstergucken ein, die dicken Hubbel zwingen zum Fahren im Schritttempo. Nicht nur für Maschen, sondern auch in Stelle und Meckelfeld hat die Deutsche Bahn Anfang Dezember für frohe Gesichter gesorgt. Die niedersächsische Landesregierung und die Deutsche Bahn investieren 150 Millionen Euro bis 2018 in die Modernisierung von niedersächsischen Bahnhöfen, unter anderem auch in die drei Bahnhöfe im Landkreis Harburg. An allen drei Orten sollen Bahnsteige auf 220 Meter erneuert, Aufzüge neu gebaut und Wege, Dächer sowie in Stelle die Unterführung modernisiert werden. Die Investitionssummen liegen nach den bisherigen Schätzungen in Maschen bei 4,55 Millionen Euro, in Meckelfeld bei 4,79 Millionen und in Stelle bei 4,71 Millionen Euro.

In Hittfeld feierte das Kulturzentrum „Ric“ der Stahlberg Stiftung zehnjähriges Jubiläum. In dem kleinen aber feinen Veranstaltungszentrum zeigen einmal im Monat Klassik-Konzertanten, Theater- und Musicalstars und Kabarett- und Nachwuchskünstler, was sie drauf haben. Für das kommende Jahr sind unter anderem der Musicalsänger Thomas Borchert, das Kabarettistenpaar Ehnert und Ehnert, Klezmerkönig Giora Feidman sowie das A-capella-Comedy-Quartett „LaLeLu“ gebucht. Weiterhin wurde mit dem Bau der Westumfahrung Hittfelds begonnen. Nach der Fertigstellung im kommenden Jahr und insbesondere in Kombination mit dem Bau der geplanten Kiestrasse der Firma Dörner werden Hittfeld und Eddelsen deutlich profitieren - es wird dort merklich ruhiger werden.

Für die sonst so beschauliche Gemeinde Neu Wulmstorf war es ein Jahr der Verbrechen und der Aufruhr: Der Mord an der elfjährigen Aya und die Vergewaltigung einer 17-jährigen Hamburgerin am S-Bahnhof Neu Wulmstorf im November schockierte den Ort bis ins Mark. Für den Mord des Mädchens wurde der 19-jährige Bruder Ahmed A. erst kürzlich vom Landgericht Stade zu sieben Jahren Haft verurteilt.

Auch auf politischer Ebene gab es Wirbel. Nachdem eine knappe Ratsmehrheit den Weg für eine Ansiedlung von Famila auf dem ehemaligen Möbel-Meyn-Gelände geebnet hatte, formierte sich massiver Widerstand an der Bahnhofstraße. Die Einzelhändler fürchten um ihre Existenz. Eine endgültige Entscheidung pro oder contra Famila steht aber noch aus. Im Frühjahr nächsten Jahres sollen Gutachten vorliegen, die Lösungen für die schwierigen Verkehrsanbindungen aufzeigen sollen. Stimmt der Rat für die Niederlassung des Verbrauchermarktes, sind Klagen zu erwarten.

Selbst auf den Straßen blieb es in der Gemeinde Neu Wulmstorf nicht ruhig. Hundert Arbeiter der Wurstfabrik Schwarz Cranz demonstrierten im Sommer und warfen dem Subunternehmen des Fleischfabrikanten vor, Lohn einbehalten zu haben. Wegen der anhaltenden Probleme mit den Subunternehmen kündigte Schwarz Cranz schließlich die Verträge und erhöhte den Anteil der Festangestellten.

Auch Hollenstedt geriet ins Visier der Polizei. Eine Erpresserbande bedrohte zwei Jahre lang einen 16-Jährigen aus Hollenstedt, der mehr als 100.000 Euro an die Bande zahlte. Am Ende wußte der inzwischen 19-Jährige nicht mehr weiter und wendete sich an die Polizei.

Erfolgsmeldung aus Tostedt: die Kindertagessätte Dieckhofstraße wurde eröffnet und das Jugendzentrum hat eine neue Leitung bekommen. Aber nirgendwo sonst begehren auch so viele Bürger auf wie hier. Auch der neue Samtgemeindebürgermeister Peter Dörsam sorgte gleich für Aufruhr. Er protestierte gegen den Haushaltsplan für die nächsten zwei Jahre und wollte die hohen Schulden nicht mittragen.

In Nenndorf charakterisierten Baustellen das Ortsbild. An der Kreuzung zur Eckeler Straße entstand ein zweiter Kreisel und auch ein neues Fachmarktzentrum befindet sich im Bau. Voraussichtlich im Sommer 2015 können die Nenndorfer dort einkaufen. Vielleicht wird sich das Ortsbild sogar noch stärker ändern: Das Rathaus ist stark sanierungsbedürftig und verschlingt derart viel Geld, dass man überlegt, das 36 Jahre alte Gebäude abzureißen. Ein Gutachten soll darüber demnächst Aufschluss geben.

Eigentlich hatte die Oberschule Nenndorf nicht damit gerechnet, schon wieder Gegenstand der Schlagzeilen zu sein. Die Bildungsstätte hatte sich gerade wieder von der angekündigten Schließung erholt, da kam die Idee im Kreisschulausschuss auf, die Oberschule in eine Außenstelle der Integrierten Gesamtschule (IGS) in Hittfeld umzuwandeln. Am Ende machte der Kreistag einen Rückzieher.