Schützengilde öffnet sich der „Zivilgesellschaft“. Die Einladungsliste spricht für sich

Die Harburger Schützengilde, ein Club alter Herren und verstaubter Traditionen? Wer auch nur einmal kurz in den Winterball der Gilde hineinschnuppert zweifelt schnell an diesem Vorurteil. Über 700 Gäste konnten Gildepatron Enno Stöver, Gildekönig Ulf Schröder sowie ihre Mitstreiter am Sonnabend begrüßen. Mindestens die Hälfte davon kam nicht aus Schützenzusammenhängen. Besonders auffallend diesmal: Der hohe Anteil an Frauen, die nicht als Begleiterinnen ihrer Männer gekommen waren, sondern auf Einladung.

Ranghöchste war Hamburgs zweite Bürgermeisterin Dorothee Stapelfeld, die für den Senat gekommen war. Hinzu kamen Politikerinnen und Managerinnen jeder Couleur und Ebene: MdB Herlind Gundelach, die Bürgerschaftsabgeordneten Melanie Leonhardt, Birgitta Schulz und Birgit Stöver, Citymanagerin Melanie-Gitte Lansmann, die DRK-Fundraiserin Dirka Grießhaber sowie die Hospiz-Projektleiterin Sandra Köbe, Ramona Michael von der Regionalleitung der Hamburger Sparkassse, NDR-Moderatorin Bettina Tietjen sowie Bezirkspolitikerinnen wie Claudia Loss, Helga Stöver, Viktoria Pawlowski und Barbara Lewy. Selbstverständlich waren auch männliche Politiker und Manager vertreten aber auch auf dem Ball wächst die Frauenquote parallel zu der in der Gesellschaft.

„Das ist auch so gewollt“, sagt der Erste Patron der Schützengilde, Enno Stöver. „Die Gilde öffnet sich zur modernen Gesellschaft. sonst würde sie auch eingehen.“

Dafür ist nicht nur Stöver selbst ein Beispiel, der den Nachnamen seiner Frau annahm, neben dem Beruf engagierte Vater ist und mit Gattin und Schwiegermutter gleich zwei Politikerinnen in der Familie unterstützt, wo er kann. „Auch unser König ist ein Indikator“, sagt er. „Ulf ist das Gegenteil von von alt, verknöchert und konservativ: Erst 33 Jahre alt, homosexuell und Sozialdemokrat. Dieser König hat uns jetzt schon viele Sympathien eingebracht, weit über Harburg hinaus.“

Vor zehn Jahren hatte die Harburger Schützengilde die Trendwende eingeleitet. Damals wurde der traditionelle Königsball, zudem hauptsächlich Schützenvereine eingeladen waren, in den Winterball umgewandelt. Zum Königsball waren zuletzt nur noch etwa 300 Gäste gekommen. „Seitdem haben wir es geschafft, jedes Jahr wieder mehr Gäste begrüßen zu dürfen“, sagt Stöver. Die Zahl 700 war vor zehn Jahren als Traumziel genannt worden. Jetzt muss sich die Gilde neue Ziele stecken. „Noch ging es mit dem Platz“, sagt Enno Stöver. „Aber wenn wir weiter so wachsen, müssen wir wohl auch noch den zweiten Saalflügel dazunehmen.“

Die Gilde feierte bis fünf Uhr morgens. Mit vorrückenden Stunden verschob sich das Gästeverhältnis in Richtung Schützen. Die genossen noch das Spiegeleierfrühstück. In traditionellen Schützenvereinen bereitet das eigentlich die Königsgattin zu. Beim Gildeball schon lange nicht mehr. Und in diesem Jahr sowieso nicht.