Der Bendestorfer Heiner Braband hat Zeitzeugnisse aus den letzten hundert Jahren seines Heimatdorfes gesammelt

Indien lag nach dem zweiten Weltkrieg zumindest für die Bendestorfer plötzlich vor der Haustür. Hagenbecks Tierpark hatte nach Kriegsende zwei Elefanten in den Hamburger Süden verfrachtet, die die Aufgabe hatten, für eine Sägerei im Forst Rosengarten schwere Baumstämme aus dem Wald zu ziehen. Ohne Heiner Braband würde diese Erinnerung wie so viele andere aus Bendestorfs alten Zeiten gewiss langsam aber sicher verblassen. So aber gibt es jetzt für die Dorfbewohner und jeden, der sich für die Geschichte des Luftkurortes interessiert, sein Buch mit Fotos und Postkarten.

Das älteste Exemplar stammt aus dem Jahr 1903. Die Postkarte zeigt eine Aufnahme des „Hotels zum Hünengrab“, das direkt am Kleckener Bahnhof stand. An der Seite prangt ein Schild, auf dem die Bavaria Brauerei für ihr Bier wirbt, im Vordergrund posieren drei Bahnwärter in Uniform, Kaiser-Wilhelm-Bart und ernster Miene.

Heiner Brabands Sammlung umfasst Bilder vom Anfang des 20. Jahrhunderts bis in die 70er-Jahre. Gemeinsam mit seiner Frau Elisabeth hat er die alteingesessenen Bendestorfer Bauern besucht und sich alte Familiengeschichten erzählen lassen. Anfangs war es ein nicht ganz einfaches Vorhaben. „Als Türöffner hatten wir immer Kuchen dabei. Erst wurde allgemein geschnackt, als die Hemmschwelle dann überwunden war, fingen die richtig an zu erzählen“, berichtet der 74-Jährige.

Rund 700 Fotos, 400 Dias und 150 Postkarten kamen im Lauf der Zeit zusammen. Als er dann auf einem Flohmarkt eine alte Wanderkarte von 1914 aufstöberte kam die Idee, einen historischen Spaziergang vom Kleckener Bahnhof über Bendestorf nach Harmstorf mit den historischen Fotos und Postkarten zu bebildern und über deren Geschichte zu erzählen.

Die Jahrhundertwende brachte Leben in das verschlafene Bendestorf. Die ältesten Postkarten zeigen typisch niedersächsische Höfe – und viel Heidelandschaft. So waldig, wie sich die Landschaft heute zeigt, war sie damals noch nicht, erst nach dem ersten Weltkrieg begann man damit, aufzuforsten. Bis in die 50er-Jahre hinein blieb Bendestorf ein mittelalterlich geprägtes Dorf, das von Heidelandschaft umgeben war.

Um 1900 veränderte sich die Welt: plötzlich gab es viele technische Neuerungen, das Fahren mit der Eisenbahn wurde erschwinglich und in den Zeitungen standen die neusten Nachrichten aus aller Welt. Den Gegenpol dazu bildete die Naturbewegung. Alte Religionen lebten wieder auf, Germanengötter wie Odin und Thor waren wieder modern, Richard Wagner komponierte die Nibelungen.

Natur und Erholung kamen in Mode, viele Menschen arbeiteten in der Stadt in dunklen Fabriken, die Luft war schlecht und so war man froh, wenn man übers Wochenende die Stadt verlassen konnte. Man fuhr mit Kind und Kegel ins Grüne, gerade mal 50 Pfennige kostete eine Fahrkarte für die Eisenbahn. Bendestorf bot den gestressten Städtern Natur pur, Ruhe und viel frische Luft. Die Ausflüglerströme sorgten für wirtschaftlichen Aufschwung. Innerhalb von zehn Jahren eröffneten acht Gaststätten um die Ausflügler zu verköstigen, viele hatten Fremdenzimmer, wo man übernachten konnte.

„Man schickte gern einen Gruß an Freunde und Verwandte, daher habe ich viele Postkarten von Gasthöfen aus dieser Zeit“, erzählt Heiner Braband. In seinem Buch zeigt er auch spätere Aufnahmen, an denen sehr schön nachzuvollziehen ist, wie sich die Häuser im Laufe der Jahre verändert haben. Aus der Nazizeit hat Braband fast keine Bilder, hier waren auch seine Gesprächspartner eher einsilbig. Später stieß er aber auf ein Relikt aus dieser Zeit. Bei Straßenbauarbeiten fand man in einen Hitler-Gedenkstein, den die Bauern auf die Schnelle vergraben hatten, als die Engländer im April 1945 anrückten.

In den 50er- Jahren erlebte Bendestorf seine Blütezeit, denn in den Filmstudios gingen die Stars der Zeit ein und aus. Sie wohnten in den umliegenden Gasthöfen, saßen in den Cafés an Nierentischchen und gingen mit den Filmfans auf Tuchfühlung. Zehn Jahre lang wurden in Bendestorf ein Heide- und Heimatfilm nach dem andere gedreht, als sie aus der Mode kamen, begann der Niedergang der Filmstudios. Gleichzeitig verschwanden auch langsam die vielen Pensionen, die meisten Gasthöfe mussten schließen. Heute gibt es nur noch das Landhaus Meinsbur, das die Zeiten überlebt hat.

Wer sich für das Buch von Heiner Braband interessiert kann es für 14,80 Euro in der Gemeindeverwaltung oder bei Helmin oder im Buchladen Jesteburg kaufen oder direkt bei ihm bestellen unter: 04183/72 06.