In der Estemündung startet der Schiffbau durch. Zwei Aufträge sind sicher. Brennbeginn für den ersten ist im Mai.

Neuenfelde/Cranz. „Ob das noch was wird“, fragten sich viele Altländer, als die russische Werftengruppe Pella Anfang des Jahres die Sietas-Werft kaufte. „Und ob das was wird", verkündete Fritjof Rohde, Wirtschaftschef der neuen Pella-Sietas-GmbH am Montagabend beim Arbeitskreis Cranz. Gut 60 Cranzerinnen und Cranzer waren zusammengekommen, um seinen Vortrag zu hören.

„Die Konstruktion und die Vorarbeiten für den ersten Auftrag laufen bereits“, konnte er berichten. „Im Mai ist Brennbeginn.“

Das ist eine gute Nachricht für Cranz und Neuenfelde. Nach der Insolvenz der Sietas-Werft im Jahr 2011 waren nur noch Restaufträge abgewickelt und immer mehr Schiffbauer entlassen worden. Jetzt stellt Pella Sietas wieder ein. „Die Ansage der Russen ist, dass wir bis Ende des nächsten Jahres bei 400 Mitarbeitern sein sollen. Im Moment stellen wir drei Leute pro Woche ein. Das haut hin.“

Der erste Auftrag ist ein eistauglicher Hochseeschlepper. danach folgt ein Eisbrecher. „Es gibt auch schon einen dritten Auftrag, aber den könnten wir gar nicht so schnell bauen, wie die Zentrale in St. Petersburg ihn haben will. Wir werden dieses Schiff in Hamburg entwerfen und bei einer kanadischen Werft. bauen lassen. Es müssen Spezialisten sein. Leute, die Eis auch kennen.“

Pella in St. Petersburg ist Experte für robuste Arbeitsschiffe – Schlepper, Versorger, Eisbrecher. Allerdings können die Schiffbauer in ihren zwei russischen Werften keine Schiffe über 60 Meter Länge bauen. Hier kommt die Hamburger Werft ins Spiel, denn bei Sietas gibt es sowohl die passenden Docks, als auch das Know-How im Spezialschiffbau – und zum Glück gibt es noch Leute, die Rohde zurückholen kann; die sich noch nicht in Frührente und andere Jobs gerettet haben.

Rohde selbst ist Rückkehrer. Er war nach der Sietas-Insolvenz beim Germanischen Lloyd gelandet, wie einige andere auch. Als Pella Sietas kaufte, war es für ihn keine Frage, zurückzukommen: „Ich bin Cranzer, seit 1993 bei Sietas und schon mein Vater hat hier gearbeitet“, begründet er die Entscheidung. Er bereut die Rückkehr nicht und hat auch keine Zweifel an der Ernsthaftigkeit der neuen Konzernmutter: „Alles, was die Russen uns bisher versprochen haben, haben sie auch gehalten“, sagt er. „Sie könnten nur etwas mehr versprechen.“

Von den angepeilten 400 Mitarbeitern soll ein Viertel in den Konstruktionsbüros tätig sein, drei Viertel in den Docks. Gegenwärtig hat Pella Sietas schon 130 Leute. Rohde fürchtet den Fachkräftemangel, merkt ihn aber noch nicht. „Bei den Hochschulabsolventen gelten wir als das letzte Abenteuer im Schiffbau“, sagt er. „Anstatt mit dem Rucksack durch die Tropen zu trampen, bewerben sie sich bei uns.“

Das Abenteuer Sietas liegt für die Bewerber nicht in der Ungewissheit der wirtschaftlichen Zukunft, denn darüber, betont Rohde noch einmal, müssen sie sich keine Sorgen machen. Es besteht in der Herausforderung. „Wir können ja nicht mit den Chinesen um die Wette schweißen, sagt Rohde. „Wahrscheinlich würden wir vom Schweißen her gewinnen, aber deren Preise können wir nicht schlagen. Deshalb konstruieren wir Schiffe, die die asiatische Konkurrenz nicht einfach nachbauen kann. Das war schon bei Sietas so. Ich kann mich nicht erinnern, jemals ein 08/15-Schiff gebaut zu haben.“

Die meisten Mitarbeiter, die Rohde jetzt schon hat, sind in den Konstruktionsbüros. Allerdings hat er auch schon gut drei Dutzend Facharbeiter. „Wir nehmen kleine Reparaturaufträge an, um die Leute beschäftigt zu halten und langsam wieder in Fahrt zu kommen. Außerdem läuft auch der Rohrleitungsbau der Sietas-Werft wieder an. „Zum Teil haben wir aber auch Schweißer zum Unkrautjäten über das Werftgelände geschickt. Das ist natürlich nicht wirtschaftlich. Aber es ändert sich ja jetzt.“

Mit den Reparaturen arbeitet die Pella-Sietas-Werft auch daran, ihren Ruf als kleine leistungsfähige Werft zu plegen. Am Morgen von Rohdes Vortrag kam zum Beispiel ein Boot der HPA mit Propellerschaden herein. Innerhalb von zwei Stunden hatte das Schiff eine neue Schraube. In Schiffbaumaßstäben kommt das einem Formel-1-Boxenstopp gleich.

Sietas, 1635 gegründet,ist nicht nur Deutschlands älteste Werft, sondern auch ein Stück Altländer Identität. Nicht zuletzt, weil die Familie Sietas zunächst auf den Bau von Fischereifahrzeugen und Lastewern spezialisiert war. Es gibt kaum einen Kutter in den Hamburger Traditionshäfen, der nicht bei Sietas ge- oder zumindest irgendwann umgebaut wurde. Seit den 50er-Jahren baut Sietas auch Hochseefrachter.