Zentrale Erstaufnahme Schwarzenberg: Viel mehr als Menschenverwahrung läuft hier nicht, klagen Bewohner

Harburg. Viereinhalb mal zweieinviertel Meter. Darin vier Betten und ein Tisch. Im Vorraum vier Spinde. „Wenn einer aufsteht, müssen die anderen drei liegen, sonst ist kein Platz“, sagt Musa Gorani*. Der 41-jährige Ingenieur aus Syrien ist einer von 635 Bewohnern des Flüchtlings-Erstaufnahmelagers auf dem Schwarzenberg. Seine drei Mitbewohner im Container kommen aus Palästina oder ebenfalls aus Syrien.

Gorani ist Anfang Oktober angekommen. „Ich habe Syrien verlassen, weil es nicht einmal in Damaskus mehr sicher ist“, sagt er. Musa Gorani hatte in Syrien zuletzt bei einer Firma gearbeitet, die Kompressoren baut und wartet. Er war unterwegs, um Ersatzteile zu holen, als er in eine Straßensperre geriet. Die bewaffneten Männer waren nicht uniformiert. „Die Armee sichert nur den Stadtrand. Innerhalb von Damaskus gibt es diverse Milizen, Geheimdienste und die Polizei“, sagt Gorani.

Straßensperren sind nichts Ungewöhnliches in Damaskus, doch Gorani wurde aus dem Auto heraus in Gewahrsam genommen. „Niemand hat uns gesagt, weswegen wir verhaftet waren, oder wer uns dort gefangen hielt. Am Abend hat man uns kommentarlos auf die Straße entlassen.“ Für Gorani stand damit fest, dass er nicht in Syrien bleiben kann. „Meine Frau und ich wollen Kinder“, sagt er, „aber in dieser Situation wäre das unverantwortlich.“

Gorani kratzte das Ersparte zusammen und ließ sich über die Türkei nach Europa schleusen. Sechs Wochen dauerte die Reise. „Das war gefährlich und abenteuerlich“, sagt er. „Meiner Frau will ich das nicht zumuten. Ich will sie nachholen, wenn ich hier einen festen Aufenthaltsstatus habe.“

Mit diesem Status könnte er auch den Schwarzenberg verlassen, so es denn andere Unterkünfte gibt. In der Erstaufnahmeeinrichtung gibt es seiner Meinung nach einiges zu verbessern. „Wir haben hier ein Bett, Kleidung und wir bekommen zu essen“, sagt er. „Aber darüber hinaus mangelt es an allen Ecken und Enden.“

Das geht schon vor der Containertür los: Die Wege dort sind nicht befestigt. Hier wuchs mal Gras. „Wenn es regnet, werden wir hier im Matsch waten“, segt Gorani. „Und an Frost will ich gar nicht erst denken.“

Es geht weiter mit den Versorgungseinrichtungen. Für 635 Menschen gibt es neun Waschmaschinen. Das Gedränge davor ist groß. Ist die Wäsche gewaschen, kommt das nächste Problem: In den engen Containern kann man sie nicht trocknen. Die Zäune der Einrichtung werden bei gutem Wetter zur Wäscheleine.

Die beiden Küchen- und Verpflegungszelte haben nur zu den Essenszeiten für jeweils zwei Stunden geöffnet. „Wir gehen zum Essen und stehen gleich wieder auf, damit die Nächsten auch noch eine Chance haben, sich zum Essen zu setzen. Es gibt zu wenig Plätze“, sagt Gorani. Um 19 Uhr schließt das Küchenzelt. Die Bewohner können danach nicht einmal mehr einen Tee bekommen. Höchstens eine Thermoskanne mit heißem Wasser zum Ende der Essenszeit. Einen Wasserkocher im Container zu betreiben, ist ihnen nicht erlaubt – Sicherheitsgründe. „Wir prüfen die Einrichtung einer Babyküche“, sagt Christiane Schröder, Sprecherin der städtischen „Pflegen und Wohnen“ GmbH.

„Am meisten aber stört das Nichtstun“, sagt Gorani. „Es gibt sehr wenig, was wir im Camp tun können“. Außer einem Deutschkurs gibt es eine Strickgruppe und interkulturelles Training. Nur die Kinder werden intensiver betreut, beziehungsweise beschult. „Die Deutschkurse im Camp nützen auch nicht viel“, sagt Gorani. „Dort sitzen Leute mit ganz unterschiedlichen Hintergründen; nebeneinander und ständig kommen neue Leute hinzu, sodass die Lehrer bei Null anfangen müssen.“

„Im Lager sind alle Mitarbeiter freundlich zu uns und ich glaube auch, dass sie sich alle Mühe geben, aber sie haben wohl nicht genügend Leute“, sagt Gorani. „Da könnten einige von uns helfen. Viele von uns sind Akademiker. Wir könnten selbst Bildungsangebote übernehmen. Ich glaube dass wir länger in diesem Camp bleiben, als nur ein paar Monate. Da können wir uns auch hier einbringen.“

Einbringen möchte sich Gorani auch später. „Wir Flüchtlinge haben alle Potenziale, die der Deutschen Gesellschaft von Nutzen wären. Um mich herum sind Ingenieure und Studenten. Wir sind motiviert. Das kann Deutschland doch nicht verschenken wollen. Aber wenn wir hier weiter zum Nichtstun verdammt sind, wird die Motivation der Depression weichen.“

Zeit für den Anruf in Damaskus. „Es geht allen gut“, sagt Musa Gorani. „Aber die letzten Tage sind Strom und Wasser ausgefallen.“ Er seufzt.

*Name von der Redaktion geändert