Der SV Wilhelmsburg will mit seinen Trainingsanlagen im Zentrum der Elbinsel bleiben. Vor allem die Fußballabteilung wehrt sich

Wilhelmsburg. Die Freie und Hansestadt Hamburg will in den nächsten Jahren die Sportstättenlandschaft auf den Elbinseln umbauen und mit insgesamt 14,9 Millionen Euro modernisieren. Das Konzept des Bezirksamtes Mitte sieht den Neubau und die Modernisierung der öffentlichen Sportplätze an insgesamt zehn Standorten in Wilhelmsburg und auf der Veddel vor.

Die Chance zu dem gewaltigen Sportstättenbauprogramm ergibt sich aus der geplanten Verlegung der Wilhelmsburger Reichsstraße. Denn die Stadt will die vorgesehenen 15 Millionen Euro aus der Vermarktung von neuen Wohnungen erwirtschaften, für die Sportplätze aufgegeben werden. Der Wilhelmsburger SPD-Bürgerschaftskandidat Michael Weinreich sieht darin die einmalige Gelegenheit: „Wir würden in den nächsten 100 Jahren nicht so viele neue Kunstrasenplätze bekommen“, sagt er. Acht Kunstrasenplätze sollen es werden, bislang gibt es nur ein Spielfeld mit diesem Belag in Wilhelmsburg.

Beinahe alle Fußballklubs auf den Elbinseln würden profitieren. Ausgerechnet den größten Sportverein auf den Elbinseln stürzt das ambitionierte Sportstättenmonopoly aber in ein Dilemma: Der SV Wilhelmsburg mit seinen 1600 Mitgliedern muss seine sportliche Heimat am Vogelhüttendeich aufgeben und soll künftig in Kirchdorf-Süd heimisch werden. Der Verein ist nur Gast auf städtischen Gelände. Und die Stadt will die Spielstätten und das Gelände mit dem Vereinsheim am Vogelhüttendeich für Wohnungsbau nutzen.

Der Vorstand befürchtet eine Austrittswelle bei den jüngsten Fußballern, sollten die Kinder nicht mehr im quirligen Reiherstiegviertel, sondern an der Peripherie am drei Kilometer entfernten Karl-Arnold-Ring dem Ball nachjagen müssen.

Die Fußballer bilden mit 650 Mitgliedern die größte Abteilung im SV Wilhelmsburg. Der Sportverein ist gerade bei den Jüngsten stark gefragt. Allein acht E-Jugendmannschaften hat der SV Wilhelmsburg angemeldet. Das sind Kinder im Alter von acht bis zehn Jahren. Ein deutlich längerer Weg zum Trainingsplatz könnte dazu führen, dass sie sich einem anderen Verein anschlössen, befürchtet der Vereinsvorsitzende Dirk Tatge. „Unser Verein heißt SV Wilhelmsburg und nicht Kirchdorf“, sagt auch Fußball-Abteilungsleiter Dirk Zimmermann.

Dabei sieht die Sportlandschaft, welche die Fachämter Bezirklicher Sportstättenbau und das Sozialraummanagement für den SV Wilhelmsburg am Karl-Arnold-Ring vorsehen, verlockend aus: Drei statt bisher zwei große Sportplätze soll es dort in Zukunft geben. Die Stadt will den bei Fußballern unbeliebten Grandplatz aufgeben und dafür zwei Kunstrasenplätze neu bauen. Dazu käme ein neuer Naturrasenplatz. Der SV Wilhelmsburg bekäme ein neues Vereinshaus und neue Umkleidekabinen. Insgesamt 3,75 Millionen Euro soll das neue Sportzentrum „Süd“ am Karl-Arnold-Ring kosten.

Der Vorstand favorisiert ein anderes Modell: Er sähe die Heimat des SV Wilhelmsburg lieber an der Dratelnstraße in der Wilhelmsburger Mitte. Zwar könne er sich ein Vereinshaus am Karl-Arnold-Ring vorstellen. Der Trainings- und Spielbetrieb sollte aber an der Dratelnstraße sein. Dazu müsste das dortige Sportzentrum deutlich stärker als vorgesehen auf mehr als sechs Sportplätze ausgebaut werden.

Diese Position hat die Delegation des Vereins mit Dirk Tatge, Dirk Zimmermann und Manfred Wanda bereits im April in dem Bürgerbeteiligungsprozess „Perspektiven“ schriftlich deutlich gemacht. Der Traditionsverein SV Wilhelmsburg würde sonst ganz aus dem Wilhelmsburger Westen verschwinden und seine sportliche und soziale Heimat verlieren, heißt es in dem Schreiben. Der Verein hat sogar angeboten, sich an dem Ausbau des Sportzentrums Mitte finanziell zu beteiligen.

Offenbar ist der Fall SV Wilhelmsburg ein Fall von missglückter Bürgerbeteiligung. Viel von den Wünschen des Vereins ist nicht übrig geblieben. In dem Konzept des Bezirksamtes Mitte heißt es jedenfalls: Die Entwicklungsperspektiven für den Standort Dratelnstraße müssten sich auf die Modernisierung des Bestandes beschränken. Die Idee des Ausbaus sei wegen der städtebaulichen Vorstellungen der Behörde für Stadtentwicklung und Umwelt nicht mehrheitsfähig.

Planer des Bezirksamtes und Vertreter der Sportvereine werden am 9. Dezember zu einem Gespräch zusammenkommen. Korrekturen am Sportstättenbauprogramm gelten als unwahrscheinlich – zu weit ist die Planung bereits. „Es gibt einen relativ breiten Konsens, dass das Konzept so umgesetzt wird“, sagt Michael Weinreich, der zusammen mit Fred Rebensdorf (SPD) die Pläne im Vereinshaus des SV Wilhelmsburg vorgestellt hat. Die Sportplätze auf den Elbinseln würden eine „unglaubliche, qualitative Verbesserung“ erfahren, sagt Michael Weinreich.

Klaus Zawada, Gastwirt und Frikadellenmeister des SV Wilhelmsburg, will sich nicht aus dem Vereinshaus am Vogelhüttendeich vertreiben lassen: „Eher mauere ich mich hier ein“, sagt der 66-Jährige.