Firma TTT stellt Prototyp des leichtesten Kühltransporters vor. Innovation ist für den Zukunftspreis Logistik nominiert

Harburg/Stade. Elf Jahre Arbeit. Elf Jahre Ideen, Überlegungen, Entwicklungen, Rückschläge, Belächelungen, Erfolge, Bewunderungen. Wer innovativ sein will, geht einen Weg voller Höhen und Tiefen. Ria Kaiser weiß das sehr genau. Weil sie all das schon erlebt hat. Jetzt ist die Ingenieurin mit ihrer Stader Firma The Team (TTT) für den Zukunftspreis Logistik der Metropolregion Hamburg nominiert.

Ria Kaiser hat Maschinenbau und Konstruktionstechnik in Magdeburg studiert, anschließend jahrelang erst die Werkzeuge für Achsen, Bremsen und Sattelauflieger gebaut und später die Produkte selbst. Ein Jahr lang hat sie ausgesetzt: als ihre Tochter zur Welt kam.

Mit Hans-Jürgen Lange hat Ria Kaiser sich 1997 selbstständig gemacht, damals kam die Ingenieurin nach Hamburg und hatte ein klares Ziel: „Wir wollten etwas Neues entwickeln.“ Wo die Probleme liegen, hatte sie selbst bei ihrer Arbeit gemerkt. Und auch, dass die Kollegen bei den Fahrzeugbaubetrieben während des Alltags kaum selbst Zeit für Innovationsentwicklung haben.

Ein Problem bei Kühlfahrzeugen ist das Gewicht. Wiegt ein Kleintransporter der Kategorie 3,5 Tonnen allein schon 2,5 Tonnen, bleibt als Nutzlast nur eine Tonne übrig – mit der Folge, dass der Wagen oft nur halb beladen durch die Gegend fahren kann, je nachdem wie schwer die Lebensmittel oder Medikamente sind, die er von A nach B bringen soll.

Das wiederum bedeutet: mehr Fahrten, mehr Treibstoffverbrauch, mehr Emissionen.

Ria Kaiser und ihr Team setzen daher auf den Werkstoff CFK. Korrekt heißt das carbonfaserverstärkter Kunststoff, landläufig wird er Carbon genannt. Rennräder und Flugzeuge tragen schon lange die Fasern in sich – jetzt auch Kühlfahrzeuge. Mit dem Ergebnis: 40 Prozent mehr Zuladung und 30 Prozent weniger Fahrten, 60 Prozent weniger Kühlmaschinenleistung nötig, Elektroantrieb möglich.

„Bislang gibt es nur den Prototyp“, erzählt die Firmenchefin, 55, „in den nächsten zwei Jahren wollen wir den Prozess für die Serienproduktion entwickeln.“ Dafür hat die Ingenieurin mit ihrem Geschäftspartner Hans Jürgen Lange die Firma Carbon Truck & Trailer GmbH gegründet, der Betrieb wird die CFK-Teile produzieren. Das niedersächsische Wirtschaftsministerium fördert die Entwicklung mit rund zwei Millionen Euro, die übrigen 55 Prozent der Kosten tragen die Firmen Volkswagen und Coop.

Volkswagen liefert den Zugkopf des kleinen Kühlfahrzeugs – eine T5-Maschine, die sich wie ein Pkw und ohne Lkw-Führerschein fahren lässt. Die Coop-Gruppe aus der Schweiz will den Transporter einsetzen, sie ist es auch, die den Prototyp kauft und über die Ria Kaiser überhaupt auf die ganze Idee gekommen ist.

„Eigentlich haben wir mit Coop über einen neuen Sattelauflieger gesprochen, dann erwähnten sie jedoch, dass sie mit ihren kleinen Transportern die größten Problemen haben: weil sie sie wegen des hohen Gewichts nicht voll beladen können“, erzählt Kaiser.

Da die TTT-Ingenieure nicht selbst ihren Kühlkoffer an den Zugkopf montieren können, hat die Firma einen Fahrzeugbauer gesucht, der das für sie erledigen kann – in kurzer Zeit, denn der Prototyp sollte für die Internationale Automobilausstellung (IAA) in Hannover fertig sein.

Heute Abend wird der begehrte Preis im Hotel Lindtner vergeben

Ria Kaiser ist in Lüneburg fündig geworden: bei Petra Wille, Chefin der Wille Karosseriebau GmbH von 1895, Urenkelin des Firmengründers. „Nach dem ersten Gespräch war uns klar: Das kriegen wir hin“, sagt die Diplom-Kauffrau, 58. „Wir machen immer gern etwas Neues. Mit CFK haben wir noch nie gearbeitet, unsere Fahrzeugbauer mussten sich sehr umgewöhnen. Sonst schrauben und schweißen sie sehr viel, das geht bei CFK und der Vakuumdämmung nicht. Hier musste alles geklebt werden.“

Ohne Petra Wille und ihr zuverlässiges Team hätte Ria Kaiser ihren Prototyp nicht rechtzeitig für die IAA abgeben können – und ohne Dr. Sabine Johannsen auch nicht. Die Volkswirtin aus dem Vorstand der NBank Hannover ist zuständig für die Fördermittel, ohne die die kleine Firma aus Stade ihre Innovation nicht hätte entwickeln und umsetzen können.

Und so sind es drei Frauen, die den weltweit einzigartigen Kühltransporter zum Rollen gebracht haben. In einer Branche, die von Männern dominiert wird.

A propos Männer. Einen möchte Ria Kaiser nicht vergessen zu erwähnen: Michael Petz, Leiter der Innovationsabteilungen bei den Industrie- und Handelskammern Stade sowie Lüneburg-Wolfsburg. „Wir haben mehr Tiefen als Höhen mit TTT erlebt“, sagt die Vorstandschefin frei heraus. „Viele nannten uns Visionäre, als Spinner wurden wir bestaunt und belächelt. Michael Petz aber hat uns jahrelang unterstützt und begleitet, das war sehr wichtig für uns.“ Besonders, wenn wieder einmal Zweifel aufkamen, wenn etwas nicht voran ging. Elf Jahre nach vielen Tiefen ist TTT jetzt rundweg auf der Höhe. Ob es noch ein wenig bergauf geht mit der kleinen innovativen Firma aus Stade, ob TTT den Zukunftspreis Logistik 2014 der Logistik-Initiative Hamburg in Kooperation mit der Süderelbe AG bekommt, wird sich heute Abend zeigen. Gemeinsam mit dem Wissenschaftstag wird der Preis im Privathotel Lindtner verliehen. Den Damen werden gute Chancen eingeräumt.