Dem Theaterfundus KostümGut in Wilhelmsburg droht das Aus, weil die Ein-Euro-Jobs wegfallen. Der Mitte-Bezirksamtsleiter soll verhandeln

Wilhelmsburg. Sorgfältig und mit viel Liebe zum Detail näht die 31 Jahre alte Stefanie eine Schürze, wie sie Hausbedienstete in vornehmen Häusern tragen. Dabei geht die Mutter von drei Kindern davon aus, dass sie ihren Arbeitsplatz zum 1. Februar 2015 verlieren wird. Genau wie die anderen 24 Kollegen, die als Ein-Euro-Jobber beim Theaterfundus KostümGut im Wilhelmsburger Reiherstiegviertel arbeiten. Das gemeinnützige Unternehmen der Grone Netzwerk Hamburg GmbH muss schließen, weil es bei der Vergabe von sogenannten Arbeitsgelegenheiten, so heißen die Ein-Euro-Jobs im Amtsdeutsch, leer ausgegangen ist.

Auf dem ersten Arbeitsmarkt sieht die Mutter von drei kleinen Kindern (zwei, sieben und zehn Jahre) ihre Chancen als aussichtslos an. Den 20-Stunden-Job als Näherin bei dem gemeinnützigen Theaterfundus hat sich die Wilhelmsburgerin selbst gesucht. Er gebe ihrem Alltag Struktur. “Und es ist gut, wenn die Kinder sehen, Mama geht zur Arbeit”, sagt sie.

Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales kürzt die Finanzierung von Ein-Euro-Jobbern und reduziert das Angebot bezahlter Arbeitsgelegenheiten. Ein-Euro-Jobber erhalten 1,60 Euro pro Stunde. In Hamburg sinkt die Anzahl zum 1. Februar 2015 um etwa 700 auf dann 2320, sagt Andrea Franke vom Grone Netzwerk Hamburg. Die soziale Einrichtung werde einen Teil des Fundus retten können, allerdings in Wandsbek.

Neben dem Kostümverleih sind in Wilhelmsburg noch die Nachbarschaftshilfe im Laurens-Janssen-Haus und der Kinderbauernhof in Kirchdorf-Süd von der Streichung betroffen. Die Einrichtungen stehen deshalb vor dem Aus. Insgesamt gehen 68 Arbeitsgelegenheiten verloren. Mehr als 20.000 Kinder und Erwachsene im Jahr besuchen den Kinderbauernhof. Schulen nutzen ihn als Lernort. In das Laurens-Janssen-Haus hat der Bezirk Hamburg Mitte im Jahr 2011 noch 150.000 Euro investiert. Die gemeinnützige Passage GmbH betreibt hier die Nachbarschaftshilfe, eine Schreibstube und den Kinder-Secondhand-Laden Stupsnase.

Die Wilhelmsburger SPD will den bevorstehenden Verlust der sozialen Einrichtungen auf den Elbinseln nicht hinnehmen und wird am heutigen Montag, 1. Dezember, im Regionalausschuss Wilhelmsburg beantragen, dass Bezirksamtsleiter Andy Grote (SPD) sich für den Erhalt des Kostümverleihs, des Nachbarschaftstreffs und des Kinderbauernhofes mit einer ausreichenden Mitarbeiterzahl einsetzen soll.

Die SPD setzt ihre Hoffnung auf ein angekündigtes zweites Vergabeverfahren, bei dem noch Korrekturen bei den Arbeitsgelegenheiten möglich sein sollen. So könne zum Beispiel die Bedeutung der Ein-Euro-Jobs für den Stadtteil neu bewertet werden.

Als wahrscheinlicher gilt aber, dass die drei sozialen Einrichtungen möglicherweise über Plätze für die sogenannten Förderzentren gerettet werden könnten. Dabei handelt es sich aber um sogenannte Null-Euro-Jobs.

KostümGut verleiht Kostüme für Theateraufführungen vor allem an Schulen, aber auch Kindergärten und Kirchengemeinden. Das Schauspielhaus Hamburg, das Thalia Theater und die Hamburger Staatsoper unterstützen den gemeinnützigen Fundus mit Kostümen. Die Mitarbeiter von KostümGut machen die Kleidungsstücke dann passend für das Schultheater oder schaffen an der Nähmaschine völlig Neues. Zum Beispiel das Kostüm einer grünen Raupe, in das zwei Kinder gleichzeitig schlüpfen können.Der Verleih ist kostenlos. Für jedes verliehene Kostüm wird lediglich 0,50 Euro fällig, dazu eine Pflegepauschale für die Wäsche und das meist aufwendige Bügeln: zwölf Euro pro Waschmaschine.

Der Ruf des Kostümverleihs geht mittlerweile über Hamburg hinaus. Stefanie näht die Haushaltsschürzen im Auftrag einer Schule aus Kiel. Der Kostümverleih mache als Betrieb Sinn, dass zeige die Nachfrage: “Wir können belegen, wie viel wir ausleihen. Wir haben Kundschaft”, sagt Stefanie. Beinahe jeden Tag würden Schulen etwas ausleihen, sagt auch Bärbel Sandberg, die zusammen mit Cornelia Zeuch den Kostümfundus leitet. Darstellendes Spiel habe viel mit Integration zu tun, sagt sie, warum der Fundus besonders wichtig für die Elbinseln sei.

Mittlerweile verschenkt der Kostümverleih seine Arbeiten. Das Unternehmen bereitet sich auf sein Ende vor. Sollte Andy Grote KostümGut aber doch noch retten können, wird der Theaterfundus nicht leer sein: “Wir können neue Kostüme akquirieren und nähen”, sagt Bärbel Sandberg. Stefanie näht ja auch noch weiter - mit großer Sorgfalt wie immer: “Ein Kostüm verlässt erst das Haus, wenn es gut genug ist”, sagt sie.