Probenbesuch bei der Bickbeern Schweizer Speeldeel. Premiere im April 2015 ist schon jetzt fast ausverkauft

Selbst eingefleischte Fans des Platt machen sich heute nichts mehr vor. Die Sprache spielt im Alltag kaum noch eine Rolle. Dennoch kann keine Rede davon sein, dass sie ausstirbt. Das ist den zahlreichen plattdeutschen Theatergruppen im Landkreis Harburg zu verdanken – zum Beispiel der Bickbeern Schweizer Speeldeel in der Gemeinde Rosengarten. In der vergangenen Spielzeit hatte die Theatergruppe 1.350 Besucher. Ein Rekord. Die Premiere des nächsten Stücks ist erst am 15. April, aber schon jetzt sind fast alle Karten verkauft. Zeit für einen Blick hinter die Kulissen.

Fischernetz, Dreimastermodelle und Schifffahrtsfotos schmücken die Wand. Da erwartet man als Zuschauer alles, aber nicht einen Kapitän Korl Nass, der den Boden feudelt und über die „Rümkleierei“ (Drecksarbeit) schimpft. Damit ist der Zuschauer auch gleich drin in der Geschichte mit dem Titel „Rund um Kap Hoorn“. Kapitän Korl ist nicht mehr auf großer Fahrt, er betreibt jetzt zusammen mit Steuermann Jonny (gespielt von Stephan Barghop) die Hafenkneipe „Kap Horn“.

Die beiden sind vom Reeder aufs Trockenen gesetzt worden. Nun geht es in ihrem Leben nicht mehr um Steuerbord oder Backbord, sondern um Pellkartoffeln und Labskaus – und um Christine, die Tochter des Reeders, die bei den Männern Köchin werden will. Nachdem ihr Vater sie an einen reichen Geschäftsfreund verkuppeln wollte, ist sie abgehauen.

Seit Oktober probt das Ensemble der plattdeutschen Theatergruppe. Es steht also noch ganz am Anfang ihrer Vorbereitungen. Ohne Manuskript geht es noch nicht. Auch wenn die Schauspieler noch nicht textsicher sind, so studieren sie schon jetzt den Bewegungsablauf der Szenen ein. Wer, wann, in welche Bühnentür eintritt, ist genau abgestimmt. Kai Kütemeyer, 52, der Kapitän Korl Nass spielt, und im richtigen Leben Pastor ist, übernimmt die Regie.

Obwohl er selbst Teil des Schauspiels ist, versucht er immer von außen auf das Geschehen zu schauen. Er dreht an Ausdruck, Sprache und Spiel. Alfred Schwerger, 63, als Radioreporter Alex Funk soll mit einem aufgesetzten langgezogenen „Moooooiiin“ auf die Bühne kommen. „Du kommst aus dem Rheinland und hast dir das Moin angelernt“, sagt Kai Kütemeyer.

Augendrehen, angedeuteter Schlag auf den Hinterkopf, übertrieben in die Luft gestreckter Zeigefinger. Alles kleine Gesten. Aber auf die kommt es an, damit der Zuschauer schnell abspeichert, welche Charaktere da verkörpert werden. Selbst Feinheiten, mit denen beispielsweise Judith Dethloff ihr Doppelspiel besser darstellen kann, hat Kai Kütemeyer im Blick. „Du glaubt, du stehst vor der Tarnung. Das muss man dir anmerken“, sagt er.

Workshops mit Schauspielern des Ohnsorg-Theaters waren wichtig

„Rund um Kap Horn“ stammt aus der Feder von Erfolgsautor Fritz Wempner. Für das Ohnsorg-Theater schrieb er bereits zahlreiche Lustspiele. Schlagfertige Dialoge und eine Liebesgeschichte machen das Stück aus. Da müssen Pointen, Gesten und Mimik sitzen. Das Stück hat drei Akte. Neu für die Laien in ihrem diesjährigen Spiel sind die Tanz- und Gesangszenen. Kein Wunder, dass Kai Kütemeyer und Stephan Barghop, 44, laut losprusten müssen, als sie sich unterhaken und singend über die Bühne hopsen. „Das wird noch eine harte Nuss“, sagt Stephan Barghop. „Aber wir brauchten einfach eine neue Herausforderung.“ Die Theatergruppe hat eine lange Tradition. Sie existiert bereits seit 1978. Der Sottorfer Heimatforscher Werner Voß und einige Fußballer des Vahrendorfer Turnvereins gründeten den Verein. Im Namen der Theatergruppe steckt eine Anspielung auf die Bickbeern-Schweiz, ein hügeliges Waldgebiet in der Gemeinde Rosengarten und den Schwarzen Bergen. Dort fand man früher reichlich Bickbeern vor und verkaufte sie.

Seit 28 Jahren gehört Meike Böttcher der Theatergruppe an und ist damit am längsten dabei. Für ihr Engagement wurde die 71-Jährige in diesem Jahr von Dietmar Stadie, Rosengartens ehemaliger Bürgermeister, mit der Goldenen Rosengartenmedaille ausgezeichnet. Zwar ist es heute für das Ensemble schwierig, junge Nachwuchsschauspieler für sich zu gewinnen, aber eines ist Meike Böttcher nach all den vergangenen Jahren aufgefallen: Dass sich immer mehr junge Menschen unter das Publikum mischen.

„Wir sind einfach besser geworden“, sagt Stephan Barghop selbstbewusst. Einen großen Anteil daran haben die Workshops mit Schauspielern des Ohnsorg Theaters. So haben die Laiendarsteller gelernt, wie sie an ihrer Sprechtechnik arbeiten können und worauf es bei der Bühnengestaltung ankommt.

Mit der Professionalisierung ist auch das Team gewachsen. Es gibt Souffleusen, Verantwortliche für Technik, Requisite, Maske und Bühnenbau. In den vergangenen zwei Jahren hatte Sandra Keck, Schauspielerin am Ohnsorg Theater, den Darstellern auf das Spiel geschaut. In dieser Saison kommt Erkki Hopf, ebenso vom Ohnsorg Theater, zum Ensemble, um dem Ensemble den Feinschliff zu geben. Vielleicht kann er auch Nachhilfe im Knutschen geben. „Das ist nämlich gar nicht so einfach“, sagt Stephan Barghop und lacht.