An der Winsener Straße soll zum Ärger der Anwohner gebaut werden. In sechs Tagen muss die Stadt Gutachten vorlegen

Wilstorf. In der Winsener Straße ist die Luft dick. Zu dick. Die hohe Luftbelastung könnte jetzt sogar das Bauvorhaben Winsener Straße 80 stoppen, bevor die Bagger anrollen. Die europäische Union (EU) setzt Großstädte wie Hamburg immer mehr unter Druck, die Schadstoffbelastung zu senken. Dieses Bauvorhaben aber würde den Stickstoffdioxid-Wert in der Winsener Straße erhöhen. Würde das Bauvorhaben wie geplant umgesetzt, entstünde eine geschlossene Straßenschlucht, in der die schadstoffbelastete Luft gefangen wäre. Die Chancen der Anwohner, die sich gegen das Bauvorhaben wehren, steigen.

Schadstoffmessungen aus den Jahren 1997 und 1999 hatten Werte von 45 bis 59 Mikrogramm Stickstoffdioxid pro Kubikmeter Luft ergeben. Der Grenzwert liegt bei 40 Mikrogramm. Nach wie vor gibt es keine aktuellen Schadstoffmessungen für die Hauptausfallstraße aus Harburg in Richtung Süden. Aber die EU hat Hamburg eine Frist gesetzt. Die Stadt muss bis zum 1. Dezember dieses Jahres einen Plan vorlegen, wie sie die Schadstoffbelastung schneller senken und die Grenzwerte einhalten will. Die Europäische Union verlangt deutliche Schritte, um die Stickstoffdioxid-Belastung in den Großstädten wie Hamburg zu senken. Auch die deutsche Justiz scheint inzwischen auf Linie der EU zu sein. Vor wenigen Wochen erst unterlag die Stadt beim Hamburger Verwaltungericht gegen den BUND. Der hatte gemeinsam mit einem Anwohner an der Max-Brauer-Allee – hier liegt der Wert bei etwa 64 Mikrogramm Stickstoffdioxid – geklagt. Das Verwaltungsgericht hatte in seinem Urteil vom 6. November die Stadt Hamburg aufgefordert, unmittelbar Maßnahmen zu ergreifen, um die Werte an der Max-Brauer-Allee in Altona zu senken.

Zwar hat Hamburg angekündigt, in Berufung zu gehen. Ob das Oberverwaltungsgericht allerdings anderer Auffassung als das Verwaltungsgericht ist, darf bezweifelt werden. Die Anwohner in Wilstorf wehren sich dagegen, dass hier eine Straßenschlucht mit einem mehrgeschossigen Neubau geschlossen wird und damit eine Grünfläche, die jetzt noch Feinstaub und Stickstoffdioxide absorbiert, verschwindet. Heinrich Küpers und seine Mitstreiter haben inzwischen Beschwerde bei der EU eingereicht. Bei den alten Messungen sei, so Küpers, das Busdepot der Hamburger Hochbahn an der Winsener Straße nicht einbezogen. Küpers und sein Nachbar Friedrich Körner gehen davon aus, dass der Bus-Betrieb die Schadstoff-Werte noch einmal deutlich erhöht. Beide haben sich jetzt auch an die CDU-Fraktion in der Bezirksversammlung Harburg gewendet und erhoffen sich Hilfe aus der Politik. Als das Bauvorhaben vor geraumer Zeit von der damaligen SPD-Mehrheit in der Bezirksversammlung abgenickt wurde, saß die CDU noch in der Opposition. Jetzt regiert sie gemeinsam mit der SPD in einer Großen Koalition.

„Nach unserer Auffassung kann das Bauvorhaben so nicht umgesetzt werden, ohne dass nicht einmal die aktuelle Belastung ermittelt wird. Eine Steigerung der Werte ist nicht zulässig“, sagt Paul Schmid, Sprecher des BUND Hamburg. Noch gehört das Grundstück, auf dem die FeWa Immobilien GmbH 140 Wohnungen im geförderten Wohnungsbau errichten will, der SAGA. Der Vertrag sei, so sagt eine SAGA-Sprecherin, in wenigen Wochen unterschriftsreif. Es fehlten lediglich noch einige Detailabstimmungen. Einen positiven Bauvorbescheid aus der Harburger Bauprüfabteilung soll die FeWa nach Informationen des Abendblatts bereits haben. Der Vorbescheid kommt einer Baugenehmigung gleich. Das heißt, der Investor könnte mit dem Bau beginnen. Der Baubeginn aber ist daran gekoppelt, dass der Investor Gutachten zur Lärm-, Verkehrs- und Schadstoffbelastung liefert. „Diese Gutachten haben wir bis heute nicht gesehen“, moniert Ralf-Dieter Fischer, CDU-Fraktionschef, dessen Fraktion seinerzeit in der Bezirksversammlung gegen das Projekt an der Winsener Straße gestimmt hatte.

Die SPD in Harburg allerdings scheint nach wie vor an dem Bauvorhaben festhalten zu wollen. Die Baulücke müsse, so Fraktionschef Jürgen Heimath, geschlossen werden. Vielmehr könne beispielsweise die Hamburger Hochbahn darüber nachdenken, ob es nicht Sinn mache, das Busdepot an der Winsener Straße nur noch für Hybrid- oder E-Busse zu nutzen, wenn das neue Busdepot an der Hannoverschen Straße fertig ist. Mit der Festsetzung der Tempo-30-Begrenzung für die Nachtstunden habe der Bezirk außerdem bereits erste Maßnahmen zur Reduzierung der Schadstoffbelastung ergriffen.