Peter Scharnowski arbeitet als Redner bei Beerdigungen. Er hilft Menschen im Landkreis Harburg dabei, von Verstorbenen Abschied zu nehmen

Harburg. Eine ernste Miene, eine aufrechte Haltung und gemessene Bewegungen gehören zu Peter Scharnowskis professionellem Auftritt. Genau wie sein dunkler Anzug und die makellos geputzten Schuhe. Der 60-Jährige strahlt Würde, Ruhe und Kompetenz aus. Er steht Menschen in ihren schwersten Stunden bei. Seine Worte machen den endgültigen Abschied von verstorbenen Liebsten und Nächsten leichter. Sie markieren den Beginn des Erinnerns.

Scharnowski ist seit acht Jahren Trauerredner. Der Tod ist buchstäblich sein tägliches Brot. Und doch liebt er seine Aufgabe, empfindet sein Wirken als Berufung. Etliche Hundert Trauerfeiern hat er bereits gestaltet. Die meisten der Davongegangenen waren konfessionslos. Aber er hat auch schon bei Beisetzungen von Kirchenmitgliedern gesprochen. „Manchmal sind die Angehörigen nicht in der Gemeinde heimisch und haben keinen Kontakt zum Pastor. Auf Wunsch verwende ich auch christliche Symbole. Ich bin katholisch erzogen worden.“ Im Elternhaus des gebürtigen Westfalen war nicht nur Gottes Wort allgegenwärtig, sondern auch Verse von Dichtern und Denkern. „Goethe, Heine, Rilke habe ich schon mit der Muttermilch aufgesogen.“ Nach der Lehre zum Buchhändler war Peter Scharnowski kurzfristig journalistisch tätig. Später arbeitete er für einen Verlag und besuchte im Rahmen dieser Tätigkeit auch ein Rhetorik-Seminar.

In seinem jetzigen Beruf kommen ihm sein Sprachtalent und sein literarisches Wissen sehr zugute. Als Trauerredner ist er weitgehend Autodidakt. Wertvolle Hilfe als Mentor leistete ihm ein erfahrener Kollege aus Buchholz. Dennoch: Scharnowski hat sich sein „Handwerkszeug“, darunter Sammlungen von Gedichten und Zitaten zum Thema Tod und Abschied, Stück für Stück selbst angeeignet.

Trauerredner ist kein Lehrberuf. Die Tätigkeit und der Begriff sind in keiner Weise geschützt. Die Bundes-Arbeitsgemeinschaft Trauer-Feier (BATF) geht zurzeit von bundesweit 500 bis 700 hauptberuflichen Trauerrednern aus. Um auf die sensible Tätigkeit sowohl intellektuell als auch mental vorzubereiten, hat die BAFT jetzt eine zweijährige berufsbegleitende Ausbildung zum Trauerredner entwickelt.

Dabei sind die Berufsaussichten für Anfänger heute nicht rosig. Feste Jobs gibt es kaum. Nur wenige Beerdigungs-Unternehmer lassen Trauerreden von ihren Angestellten halten. Sie übergeben diesen besonderen Part des Dienstleistungsangebots fast immer an erfahrene Freiberufler wie Scharnowski. Der bekommt etwa 90 Prozent seiner Aufträge von mehreren Beerdigungs-Instituten aus dem Landkreis Harburg.

Zu Kollegen hat Scharnowski eher selten Kontakt. Die „Reviere“ der Redner seien fest abgesteckt und entsprächen denen der Beerdigungsunternehmer, erzählt der Lindhorster. Einen Boom erlebte die Branche nach der Wiedervereinigung, weil der Anteil der Konfessionslosen plötzlich stark gestiegen war. Noch heute leben die meisten Trauerredner im Osten Deutschlands. Doch dort wie hier gilt heute: Wer sich als Trauerredner neu etablieren will, hat es schwer. Zwar ist die Zahl derjenigen Menschen, die keine kirchliche Bestattung für sich in Anspruch nehmen möchten, hoch. Im vergangenen Jahr war bei jeder dritten Beisetzung in Deutschland kein Pastor mehr anwesend. Doch auch auf feierliche Worte eines freien Redners wird immer öfter verzichtet.

Es kommt auch häufig vor, dass der Verstorbene zu Lebzeiten selbst verfügt hat, dass auf eine Trauerfeier verzichtet werden soll. „Insbesondere Frauen der Vorkriegsgeneration haben oft das Gefühl, im Leben im Wortsinn nichts Nennenswertes geleistet zu haben“, sagt Peter Scharnowski. Haus- und Erziehungsarbeit seien gesellschaftlich gering geachtet, und Bescheidenheit sei den Frauen anerzogen worden. „Nicht einmal im Tod möchten sie im Mittelpunkt stehen.“

Scharnowski ist überzeugt: „Jedes Leben ist einzigartig und wertvoll. Es ist nicht zu kopieren und nicht zu vergleichen, sondern einmalig und letztmalig zu würdigen.“ Dazu braucht es Einfühlungsvermögen und die Fähigkeit, in kurzer Zeit das Vertrauen von Menschen zu gewinnen, die sich in einer emotionalen Ausnahmesituation befinden. Rednerinnen, meint Scharnowski, seien da im Vorteil, weil man bei Frauen eher Warmherzigkeit und Verständnis vermute. „Meine Stärke ist es, gut zuhören zu können.“

Der monetäre Lohn für diese große Leistung ist vergleichsweise gering. 250 Euro bekommt Scharnowski insgesamt für den Hausbesuch, das Verfassen und Halten der Rede sowie gegebenenfalls die Begleitung der Trauergäste zum Grab. Im Pauschalpreis enthalten sind Telefonate, Fahrtkosten sowie auf Wunsch die Aushändigung der Trauerrede in Schriftform. Bei Sozialbestattungen arbeitet Scharnowski sogar für die Hälfte des Lohns.

Die Arbeit macht ihm Freude, sie bereichert sein Dasein. Seit er sich ständig mit dem Tod konfrontiert sehe, sei seine Lebensqualität gestiegen, sagt Peter Scharnowski. Mit der Endlichkeit direkt vor Augen lebe er bewusster und intensiver. Über die eigene Bestattung hat der Vater und Großvater selbstverständlich auch schon nachgedacht. Fest stehe für ihn: Eine traditionelle Trauerrede werde es nicht geben. Schließlich liege sein Vermächtnis mit dann hoffentlich 1000 Reden ja vor. Scharnowski: „Es ist dann doch alles gesagt!“