Die Idee der Bergedorfer WillkommensTour sollte nach Ansicht der Grünen bald auch in Harburg umgesetzt werden

Harburg. Ein Stadtrundgang in Dari und Arabisch? Doch, ja, das gibt es! Allerdings nicht in Harburg, wo die Zentrale Erstaufnahme und ihre Ableger in den vergangenen Wochen so viele Flüchtlinge aufnehmen mussten, wie nie zuvor. Die Idee stammt stattdessen aus dem Nachbarbezirk Bergedorf. Wo es die Willkommens-Touren auch in Farsi, Russisch und Englisch sowie in Deutsch gibt. Die Harburger SPD-Fraktion findet, dass diese Initiative auch im Süden Schule machen sollte. Und hat das hiesige Bezirksamt jüngst gebeten zu prüfen, „ob dieses Projekt auch in Harburg umsetzbar wäre“.

Mit der „Bergedorfer WillkommensTour“ hat die Verwaltung des Nachbarbezirks bereits im Frühjahr dieses Jahres auf die drastisch gestiegene Zahl von Asylbewerbern reagiert. „Durch eine starke lokale Identifikation kann die schnelle Integration am besten gelingen“, sagt Jorge Birkner, Bergedorfs Integrationsbeauftragter: „Ein gesunder Lokalpatriotismus mit inklusivem Verständnis kann hier sehr hilfreich sein.“

Birkner weiß, wovon er spricht. Als Siebenjähriger ist der gebürtige Brasilianer 1981 nach Bergedorf gekommen. Das Ankommen in einem fremden Kulturkreis hat ihn auch während des Studiums in Berlin und Philadelphia als Thema weiter beschäftigt. Und jetzt erst recht, da der Soziologe und Historiker als Integrationsbeauftragter für das Bezirksamt Bergedorf tätig ist.

Sein Grundansatz für die Willkommens-Touren: Es sollen Stadtrundgänge von „alteingesessenen“ Migranten für neue Migranten sein. „Die gemeinsame Herkunftssprache sichert, dass Guides und Teilnehmer gewissermaßen auf Augenhöhe miteinander kommunizieren“, sagt Birkner. Die Teilnehmer hätten so weniger Hemmungen, Fragen zu stellen: „Und die Stadtführer dienen zudem als Vorbilder, wie die Integration vor Ort gelingen kann.“

Das bestätigt Laila Halim. Die Afghanin war von der Idee sofort begeistert und bereit, Migranten durch Bergedorf zu führen. „Es hilft Neuankömmlingen natürlich sehr, wenn du aus erster Hand berichten kannst, wie man sich selbst eingelebt hat und wo es überall Hilfe bei den vielen kleinen und großen Problemen des Alltags gibt“, so Laila Halim.

Die Rundgänge sind an die örtlichen Integrations- und Sprachkurse angeschlossen, wodurch das Gros der Teilnehmer generiert wird. Weitere Teilnehmer stoßen aus den Offerten anderer Integrationsträger hinzu. Sie kommen zum Teil auch direkt aus den Asylbewerberunterkünften des Bezirks.

Jeder rund 90 Minuten dauernde Rundgang startet am Bahnhof Bergedorf. Was aus logistischen Gründen Sinn macht, aber auch aus symbolischen. Auf der anschließenden Tour erfahren die Teilnehmer anhand konkreter Gebäude nicht nur Wissenswertes über die Geschichte Bergedorfs. Es gibt auch jede Menge praktische Informationen. „Die Guides zeigen, welche Ämter für welche Leistungen zuständig sind, welche Hilfen freie Träger offerieren, wo sich migrantische Vereine und Gemeinden befinden und welche Freizeitangebote der Bezirk zu bieten hat. Das alles soll das Zurechtfinden und Einleben in der neuen Heimat erleichtern“, so Birkner.

Die bis zu zwölf Führungen pro Jahr sollen unterdessen auch ein wichtiges Stück bezirklicher Willkommenskultur abbilden. Deshalb enden sie stets im Bergedorfer Rathaus, wo die Gruppen von Mitarbeitern der Verwaltung begrüßt und offiziell in Bergedorf willkommen geheißen werden. Zum Abschluss erhält jeder Teilnehmer ein so genanntes „Willkommenspaket“. In einem praktischen Textilbeutel finden sich außer einem Bergedorfer Stadtplan, die Neubürgerbroschüre des Bezirks sowie Flyer und Broschüren mit den Angeboten zahlreicher Träger und Vereine.

Durch die finanzielle Unterstützung der Buhck-Stiftung und der Bergedorf-Bille-Stiftung sowie enge Kooperationen mit dem Internationalen Bund e.V., weiteren Trägern der AG Integration und migrantischen Vereinen ist die WillkommensTour für alle Teilnehmer kostenlos. „Ich hoffe, dass wir so etwas auch in Harburg hinkriegen“, sagte die Abgeordnete Tülin Akkoc von den Grünen bei der Präsentation des Projektes im Harburger Sozialausschuss.

Sozialdezernent Holger Stuhlmann (SPD) fand die Bergedorfer Initiative zwar auch toll, verwies aber gleichzeitig auf das ohnehin schon große bezirkliche Integrationsengagement. So habe Harburg in den vergangenen drei Jahren mit Lotsenausbildung und Integrationskonferenz bereits eigene Akzente gesetzt, es gäbe Stadteilrundgänge in Heimfeld und demnächst auch die Wahl eines Integrationsrates. Aber man könne die Idee der WillkommensTour ja „in die nächste Integrationskonferenz einbringen“. Nach großer Begeisterung klang das nicht.