Mutter Laura Hasse schlägt Alarm: zu wenig Personal für zu viele Kinder. Stadt spricht von hohem Krankenstand

Lüneburg. Normalerweise arbeitet Laura Hasse bis zum Nachmittag, und ihr Sohn geht nach der Schule in den Hort. Seit den Herbstferien kommt er nach dem Mittagessen nach Hause, und Laura Hasse arbeitet nur noch vormittags. Sie mag ihren Sohn nicht mehr in den Hort schicken.

Zwei Situationen sind es, die der Mutter Angst gemacht haben. Und ein Strukturproblem ist es, das die Mutter scharf kritisiert.

„Es gibt Probleme bei der Sicherstellung der Betreuung. Das gilt vor allem für die Krankheitszeiten im Frühjahr und im Herbst“, sagt die Mutter. Ihr Sohn besucht die dritte Klasse der Grundschule Hermann Löns, seit mehr als zwei Jahren auch den angeschlossenen Hort.

Mitunter seien lediglich zwei bis drei Betreuer für 60 Kinder anwesend. „Eine Hausaufgabenbetreuung ist dann nicht mehr möglich“, erzählt die Elternvertreterin. „Die Aufgaben mussten die Kinder machen, wenn sie um 17 Uhr aus dem Hort nach Hause kamen.“

Der Hansestadt Lüneburg scheint die Problematik bewusst zu sein. So hat die Verwaltung bereits Briefe an die Eltern verschickt und mit der Alarmglocke geschellt. „Sollten Sie aufgrund Ihrer häuslichen Situation nicht zwingend auf die Betreuung angewiesen sein oder nur zeitweise, so könnten Sie die Einrichtung sehr damit unterstützen, wenn Sie Ihr Kind in dieser Notsituation nur zu den für Sie tatsächlich notwendigen Zeiten in die Betreuung geben würden.“

Laura Hasse kann über die Formulierung nur den Kopf schütteln. „Die meisten Eltern können es sich nicht aussuchen, ob sie am Nachmittag arbeiten oder nicht.“ Nachbarn und Großeltern seien im Oktober eingesprungen, um Kinder vom Hort abzuholen und zu betreuen. Auch die vorübergehende Schließung einer oder mehrerer Gruppen war wegen des hohen Krankenstandes im Gespräch. Noch im Sommer habe die Stadt angekündigt, die Plätze von 60 auf 70 erhöhen, erzählt Laura Hasse – „und das, obwohl die Personalprobleme bekannt waren. Das kann ich nicht verstehen.“

Das alles hat Laura Hasse noch akzeptiert. Doch dann hat sie zwei Mal etwas erlebt, das sie lieber nicht erlebt hätte.

„Einmal haben die Erzieher meinen Sohn wegen der engen Personalsituation nach dem Mittagessen gefragt, ob es der Mama wohl recht wäre, wenn er schon vor den Hausaufgaben kommen würde“, erzählt die Mutter. „Er war dann vor mir zu Hause. Zum Glück hatte er einen Schlüssel. Es kann aber nicht sein, dass man so eine Entscheidung einem Achtjährigen überlässt. Ich bin die Erziehungsberechtigte. Mich hätte man informieren müssen.“

Sie schrieb einen Brief, bat um ein Gespräch. „Der angebotene Termin liegt vier Wochen nach meinem Schreiben“, sagt Laura Hasse frustriert. „Das zeigt, welche Prioritäten hier gesetzt werden.“

Zwischenzeitlich hat sie noch einen Brief geschrieben. Denn als sie kurz vor den Herbstferien ihren Sohn aus dem Hort abholen wollte, wussten die Erzieher nicht, wo er ist. 20 Minuten habe es gedauert, bis der Drittklässler endlich auftauchte. „Das Gelände ist relativ offen. Ich hatte Angst.“

Sie nahm spontan ein paar Tage Urlaub. Und arbeitet derzeit nur noch vormittags, damit ihr Junge nachmittags zu Hause sein kann. Doch das wird nicht ewig funktionieren. Schließlich bringt die 32-Jährige Kind, Arbeit und Studium unter einen Hut. „Ohne die Betreuung ist das nicht möglich.“

Auch die Qualität der Betreuung leide unter der engen Personalsituation, sagt Hasse. „Was die Eltern bei Unterschrift des Vertrags erwarten, das gibt es nicht mehr.“

Lüneburgs Erster Stadtrat Peter Koch verteidigt die Seite der Verwaltung. Es habe einen ungewöhnlich hohen Krankenstand in allen Lüneburger Kitas im vergangenen Winter gegeben. „Wir haben einen einheitlichen Personalpool und müssen in solchen Fällen umschichten.“ Als Konsequenz sei die Vertretungsreserve erhöht worden. Generell, sagt er, würden Springerkräfte solche Notstände auffangen. Koch gibt aber auch zu: „Wir haben zu wenig Ressourcen für all die guten Dinge, die wir anbieten.“

Insgesamt richten sich die Prioritäten in der Betreuung eher auf Krippen und Kitas denn auf Horte, sagt Koch. Außerdem favorisiere die Stadt Ganztagsschulen anstelle von Horten. „Dass die Stadt trotzdem noch Horte anbietet, ist anerkennenswert.“

Die Probleme wertet Koch als „nicht gravierend“. Die Einrichtung sei nicht geschlossen worden, es seien lediglich Zusatzleistungen wie etwa Hausaufgabenbetreuung nicht mehr angeboten worden. Den Einzelfall des Nachhauseschickens bedauert Koch: „Natürlich soll das mit den Eltern abgesprochen werden.“

Generell sagt der Stadtrat aber auch: „Von uns wird teilweise etwas erwartet, was wir nicht verwirklichen können. Wenn alle Mitarbeiter in einem vertrauenswürdigen Fachgebiet Grippe bekommen, was sollen wir dann machen?“ Die Stadt, sagt Koch, tut, was sie kann. „Wir justieren kontinuierlich nach.“ Dass das offensichtlich nicht reicht, wird am Mittwoch Thema sein. Da hat Laura Hasse ihren Gesprächstermin mit Hortleitung und Verwaltung. Endlich.