Der Rieckhof bewies langen Atem und brachte es auf 5500 Veranstaltungen. Jetzt darf runder Geburtstag gefeiert werden

A m 15. November geht es im Rieckhof hoch her: 30 Jahre besteht das Harburger Kulturzentrum in diesem Monat. Da ist eine Sause fällig. Mit Harburger Künstlern, Bands und Show-Acts wird ab 20 Uhr gefeiert. Dabei ist die Förderung der örtlichen Kulturszene nur eine der Aufgaben, die der Rieckhof seit 30 jahren erfüllt. Rieckhof-Chef Jörn Hansen ist schon so lange dabei, wie es das Zentrum gibt – eigentlich sogar noch länger. Auch sein Leitungskollege Jan Permien – Abteilung: Technik und Termine – hat mit ihm zusammen angefangen. Und wenn man ihre Zeit als aktive Nutzerin mitzählt, ist die dritte im Leitungsteam, Kulturmanagerin Ulrike Niß, auch schon im dritten Jahrzehnt im Rieckhof.

Als der Rieckhof entstand, war Harburg ein Loch. Zwischen dem Harburger Bahnhof und dem Markt war ein ganzes Quartier abgerissen und 20 Meter tief ausgekoffert worden. In der Grube entstanden eine S-Bahn-Strecke und ein Atomschutzbunker, darüber wurde neu gebaut: Einkaufszentren, Wohnheime für Studenten und Senioren, Parkhäuser, ein Hotel, eine Ringstraße und eben der Rieckhof. Zeitgleich einen Atombunker und ein Kulturzentrum zu bauen, entsprach dem Zeitgeist der 80er-Jahre. Man wollte alles auf einmal und gefiel sich bei der Vorstellung, auf dem Vulkan zu tanzen.

Auch beim Rieckhof wollte man alles. Genau wie S-Bahn, Einkaufszentren und Ringstraße sollte das Kulturzentrum Harburg auf die Höhe der Zeit und auf die Landkarte der Nord-Hamburger bringen. Der Rieckhof sollte mit öffentlich geförderten und bundesweit bekannten Großclubs, wie der Fabrik und der Markthalle auf Augenhöhe spielen. Direkt aus dem Tonmischpult im Saal geht eine Leitung nach draußen, an die sich Übertragungswagen von Funk und Fernsehen einfach nur anklinken müssen. Man träumte von „Rockpalast“-Aufzeichnungen aus Harburg.

Jeder Harburger weiß, dass Hamburger Stadtpläne unten immer noch im Fahrwasser der Norderelbe aufhören. „Der NDR hat die Leitungen exakt zweimal benutzt“, erinnert sich Jörn Hansen. Beide Male wurde im Rieckhof ein „Hafenkonzert“ produziert – Blaue Jungs statt Blood, Sweat & Tears. Das liegt zum einen daran, dass der Konzert-Kuchen schon lange aufgeteilt war, als sich der Rieckhof an den Tisch setzen wollte, und zum anderen wird der Kuchen seit genau damals auch immer kleiner: „Wir haben heute den gleichen Etat, wie im Jahr nach der Eröffnung und nächstes Jahr weniger Zuwendungen als 1987“, sagt Jörn Hansen. „Die Kosten sind aber 30 Jahre lang gestiegen. Allein für die vorschriftsmäßige Prüfung aller Anlagen müssen wir jährlich 23.000 Euro aufwenden.“

Obwohl er seit seinem Jobantritt vor 30 Jahren mehr Sparkommissar sein musste als er Kulturbaron sein durfte, hat Jörn Hansen es mit seinem Team immer wieder geschafft, Highlights nach Harburg zu holen. Woodstock-Rocker Alvin Lee spielte noch im Eröffnungsjahr, Wolf Biermann füllte den Saal und auch Nina Hagen war in den Anfangsjahren hier. Kurz vor ihrem großen Durchbruch traten die „Ärzte“ im Rieckhof auf, und eines der ersten Male, die Michy Reincke mit seiner damaligen Band „Felix de Luxe“ seinen Hit „Taxi nach Paris“ vor Publikum spielte, war in Harburg. Reincke kommt heute noch gerne in den Rieckhof.

Neben den Konzerten war der Rieckhof aber auch von Anfang an als Theaterbühne wichtig und erfolgreich. So halfen Hansen und Co. in den 80er-Jahren der zart sprießenden Hamburger Kleinkunstszene mit auf die Füße. Einige Künstler von damals kommen auch heute noch regelmäßig. Andere, die mittlerweile selbst Theater managen, versuchen dem Rieckhof die Komiker abspenstig zu machen. Auch Amateurtheatergruppen gediehen im Rieckhof. Als das Kulturzentrum im Zuge der Sparzwänge anfangen musste, Miete für die Gruppenräume zu nehmen, in denen die Theater probten, war das bitter für das Rieckhof-Team – und ein herber Schlag für die Amateurtheater. Heute sind von einer guten Handvoll Theatergruppen nur noch zwei übrig.

Eine Theaterperformance ist auch die Veranstaltung, die Jörn Hansen am meisten in Erinnerung geblieben ist: „1985 veranstalteten wir mit dem Kieler Konzeptkünstler Markus Dentler den so genannten Sklavenmarkt – mit Begutachtung, Versteigerung und allem, was dazugehört. Wir haben tatsächlich Leute in die Sklaverei verkauft, Freiwillige, für 24 Stunden. Und wir hatten mehr Bewerber, als wir verteilen konnten. Es war unheimlich und faszinierend zugleich, wie die Leute – Sklaven, Zuschauer wie Käufer – sich von der Atmosphäre haben anstecken lassen.“

5500 Veranstaltungen hat der Rieckhof in den letzten 30 Jahren gesehen, vom Polizeikasper bis zum Punkkonzert, vom Kinderflohmarkt bis zur Sammlerbörse. 25.000 Künstler standen auf der Bühne und geschätzte dreieinhalb Millionen Harburger sahen ihnen zu.

Die Gruppenräume im Kulturzentrum sind stets belegt, die Art ihrer Nutzung ist so bunt, wie der Bezirk. Die Rieckhof-Gastronomie ist bei jungen Harburgern beliebt. In Küche, Service und Hausreinigung sind 30 Behindertenarbeitsplätze integriert. Trotz dreier Jahrzehnte kontinuierlichen Sparzwangs und diverser akuter Querelen mit Politik und Bauamt haben Jörn Hansen, Jan Permien und Ulrike Niß noch jeden Morgen Lust, zur Arbeit zu gehen: „Wir würden gar nichts anderes tun wollen“, sagt Ulrike Niß. Am Sonnabend. 15. November, wird aber erst einmal gefeiert: Mit Salsa Feelings, Ronjas Räuber, Gospeltrain, Marco Prüser, Frank Plagge, Zumba und Larry Mathews. Beginn ist um 20 Uhr. Das Ende ist offen.