Mit Mona Michels betreibt jetzt eine Einheimische den Musikclub im Reiherstiegviertel. Er ist Symbol für die Lebendigkeit im Stadtteil

Wilhelmsburg. Die frühere Restaurant-Bar „Tonne“ im Wilhelmsburger Reiherstiegviertel ist jetzt ein Musikclub für elektronische Tanzmusik und trägt den literarischen Namen „Turtur“. Nach dem Betreiberwechsel führt mit der 28 Jahre alten Mona Michels eine Einheimische den Laden. Die Techno-Musikerin, Erzieherin und Mutter hat ein feines Gespür für die Menschen im Stadtteil und lässt das Bier für die Hamburger Szene unglaublich niedrige 2,30 Euro über den Tresen gehen. Vieles wird neu in dem gläsernen Pavillon am Ufer des Veringkanals: Die Clubchefin kündigt neue Techno-Partyformate, Live-Konzerte, Spieleabende und Ausstellungen an.

Mancher hat das Aus für die „Tonne“ als Symbol für den Niedergang eines Szeneviertels interpretiert, welches das Reiherstiegviertel bis heute nie gewesen ist. „Ich bin froh, dass es nicht das neue Schanzenviertel ist“, sagt Mona Michels über das Quartier, in dem sie lebt und arbeitet. Ihr sei von Anfang an klar gewesen, dass die Internationale Bauausstellung nicht den großen Boom in der Ausgehkultur auslösen würde.

Das Reiherstiegviertel ist zwar kein Szeneviertel, aber allemal lebendig. Viele Studierende und Künstler leben mittlerweile hier, weil städtebaulich noch nicht entwickelte Ecken Chancen versprechen wie in keinem anderen Stadtteil Hamburgs. Obwohl die „Tonne“ nur annähernd zwei Monate geschlossen hatte, war die Sehnsucht nach Partykultur vor der Haustür groß: Zur Eröffnungsfeier mit dem Titel „Hello Wilhelmsburg“ verließen die letzten Gäste am nächsten Tag um elf Uhr morgens das „Turtur“.

Belesene Mütter und Väter kennen den Scheinriesen Tur-Tur aus Michael Endes Jugendbuch „Jim Knopf und die Wilde 13“. Mona Michels hat ihrem sechs Jahre alten Sohn daraus vorgelesen und sich schließlich für die literarische Figur als Namensgeber ihres Musikclubs entschieden. Das von den anderen zu Unrecht gefürchtete Wesen, das deshalb einsam in der Wüste lebt und eigentlich ganz lieb ist, steht für das, was Mona Michels im Stadtteil bieten möchte: Kein anonymer Musikclub zu sein, sondern vielmehr Wohnzimmer. „Im Übrigen klingt Turtur einfach gut“, sagt die Musikerin.

Schritt für Schritt will Mona Michels das Clubinnere neu gestalten. Birkenäste sollen ein Dach bilden. Der Berliner Streetartkünstler Alias wird eine Wand gestalten. Ein Selfie-Fotoapparat ist vorgesehen. Hektische sechs Wochen hat Mona Michels hinter sich, um die Neueröffnung vorzubereiten. Der Club sei noch in der Aufbauphase. Ihr Leben als Clubchefin habe sich noch nicht eingependelt. „Ich habe sechs Wochen lang nicht richtig gegessen, immer nur Fertigpizza“, sagt Mona Michels.

Ohne Hilfe ginge gar nichts. Zum „Turtur“-Team zählen noch Barchef Bassti Lichtenberg, 25, und Andreas Döbler, 28, der für alle technischen Lösungen zuständig ist. Zusätzlich beschäftigt der Club sieben Mitarbeiter auf Honorarbasis. „Die Verantwortung ist jetzt größer“, sagt Mona Michels über ihr neues Leben als Unternehmerin in der Bespaßungsbranche. Erfahrung mit dem Geschäft hat sie bereits. Die Techno-Musikerin, die sich als Künstlerin Mona Moore nennt, war Programmmacherin in der „Tonne“ und hat mit ihrer Freundin Coco den Techno nach Wilhelmsburg gebracht.

Mindestens zwei Abende in der Woche gehören der Techno-Szene, und damit ist der musikalische Schwerpunkt benannt. Programmatisch öffnet sich das „Turtur“ anderen Genres der elektronischen Tanzmusik. In diesem Monat treffen sich Freunde des HipHop zur Partyreihe „Smoking in the barrel!“ (22. November), und am 28. November tanzen die Gäste bei „Bassboje“ zu rumpeligem Drum ’n’ Bass. Mona Michels wird im Dezember ein neues Techno-Format ausprobieren. „Mukks“ wird es heißen und verspielten Techno bieten.

In Zukunft soll es Live-Musik im „Turtur“ geben. Die Bühne ist bereits ausgebaut. Musik in klassischer Rockbesetzung mit Gitarre, Bass und Schlagzeug ist ausdrücklich erwünscht. „Es gibt in Wilhelmsburg viele Bands, die richtig gut sind“, schwebt Mona Michels vor, der heimischen Musikszene eine Chance zu geben.

Die unternehmerische Bewährungsprobe kommt im nächsten Sommer, wenn Open-Air-Festivals den Clubs das Wasser abgraben. Mona Michels denkt darüber nach, das Turtur bei einer Umbaupause im Frühjahr für Hochzeitsgesellschaften herzurichten. „Im Winter kann man mit dem Turtur Geld verdienen“, sagt sie, „im Sommer nur überleben.“