Landkreis Harburg macht mit beim Projekt “Politik braucht Frauen“: Mentorinnen werben für Nachwuchs in den Räten

Winsen. Die Fußgängerampel an der B75 in Höhe der Rudolf-Steiner-Schule Kakenstorf passieren täglich hunderte Fahrzeuge. Nicole Bracht-Bendt hat sich vor Jahren für die Aufstellung dieser Ampel eingesetzt – und so den Weg in die Politik gefunden. Martina Munz aus Hollenstedt eiferte als Jugendliche ihrem Vater nach, bedrängte ihn, sich im Gemeinderat für einen Jugendtreff einzusetzen. Bis sie selbst im Rat saß und das Projekt weiter vorantrieb. Ruth Alpers, ebenfalls aus Hollenstedt, wollte nicht mehr tatenlos zusehen, nachdem ein bei Schülern beliebter Fußweg entwidmet werden sollte. Christa Beyer aus Garstedt meldete sich als Nachfolgerin der Kreistagsabgeordneten aus ihrem Ort. Martina Oertzen kam über die Organisation eines Schul-Mittagstisches in Ramelsloh zur Politik. Und Anette Randt saß schon 1978 als Schülervertreterin im Schulausschuss der Samtgemeinde Tostedt.

Sechs Beispiele, wie Frauen im Landkreis Harburg zur Politik kamen und sie Bürgermeisterin, Bundestagsabgeordnete, Landrätin oder Fraktionschefin wurden. Heute engagieren sie sich als Mentorinnen im landesweiten Projekt „Politk braucht Frauen“ mit dem Ziel, zur Kommunalwahl 2016 neue Kandidatinnen zu gewinnen. Wer sich für den Einstieg in die Kommunalpolitik interessiert, erhält eine erfahrene Politikerin (oder auch einen Politiker, denn grundsätzlich unterstützen alle Kreistagsmitglieder das Projekt) an die Seite gestellt. „Ich schlepp’ die überall mit hin“, sagt Nicole Brach-Bendt lachend. Soll heißen: in Fraktionssitzungen, in Ausschüsse, in den Rat.

Politikerinnen sind dringend gesucht – nicht nur, weil im Kreistag nur jedes dritte, in den Gemeinderäten nur etwa jedes vierte Mitglied eine Frau ist, sondern auch, weil es überhaupt schon ein Mangel an Politikernachwuchs gibt. Schon bei der Kommunalwahl 2011 sind in einigen Ortsräten Sitze frei geblieben. „In Seevetal gehen den ersten Fraktionen die Nachrücker aus“, sagt Bürgermeisterin Martina Oertzen. Sie selbst habe mit dem Ortsrat Ramelsloh klein angefangen und Blut geleckt. „Man will mit der Zeit einfach mehr. Gestalten macht Spaß!“ Sie höre in ihren Sprechstunden oft von Bürgern „wir können ja nichts bewegen“. „Aber das stimmt nicht!“

„Wir wollen vermitteln: Du kannst das“, sagt Ruth Alpers. Martina Munz hat die Erfahrung gemacht, dass man in der Politik nicht allein gelassen wird, „vieles ist learning by doing.“ Dabei hatten es Alpers und Munz, beide seit rund 30 Jahren in der Politik, am Anfang schwer, sich bei den Männern durchzusetzen. „Wir waren ganz schön bissig“, sagen sie. Heute ist das Verhältnis ausgewogener, es sei förderlich, die Dinge auch aus der Sicht von Müttern und Kindern zu betrachten. Gleichwohl wollen die Politikerinnen nicht nur die sozialen Themen beackern. „Einmal hatten wir nur einen Mann in der Fraktion, den haben wir dann in den Sozialausschuss geschickt“, sagt Ruth Alpers.

Ein paar Grundvoraussetzungen braucht es aber: „Man muss durchhalten können“, sagt Nicole Bracht-Bendt. Für Anette Randt hat es sich ausgezahlt. „Beim ersten Versuch wurde ich noch nicht gewählt, eine Wahl später wurde ich Bürgermeisterin in Heidenau.“ Wer jetzt an dem Mentoring-Programm teilnimmt, hat somit gute Chancen, bei der nächsten Kommunalwahl in einen Gemeinde- oder Ortsrat einzuziehen. „Gerade in den Ortsräten sind es ja in erster Linie Personenwahlen“, sagt Christa Beyer. Auch wenn es nicht sofort klappt – in den Fraktionen könne man jederzeit mitarbeiten. „Man muss aktiv sein und sich für einen Posten bewerben – statt drauf zu warten, dass man vorgeschlagen wird“, sagt Bracht-Bendt.

Die Koordination des Projektes übernehmen die Kreis-Gleichstellungsbeauftragte Andrea Schrag und der Arbeitskreis der Kommunalen Frauenbeauftragten. Sie bringen Mentoren und Mentees zusammen. Die Teilnahme verpflichtet nicht zum Eintritt in eine Partei. Die Pärchen werden zwar nach politischer Ausrichtung zusammengestellt, aber auch nach Wohnort und Themengebieten. Anmeldungen sind bis 30. November möglich, das Projekt startet mit einer zentralen Veranstaltung in Hannover im Januar und läuft bis zu den Kommunalwahlen 2016. Infos unter Telefon 04171/69 31 17 und online unter www.landkreis-harburg.de/gleichstellungsbeauftragte.