Die Mitglieder der Initiative FaMi-Siegel aus Niedermarschacht wollen das ändern

Niedermarschacht. Familie und Führungsposition: Das ist eine Kombination, die immer noch einen Spagat darstellt. Zumindest, wenn Kinder klein oder Eltern pflegebedürftig sind. Wie es trotzdem funktionieren kann, darüber haben sich Vertreter von Unternehmen aus der Gemeinschaftsinitiative FaMi-Siegel ausgetauscht.

Zu Gast war die Runde bei der Firma Bruno Bock Chemie in Niedermarschacht, mit rund 100 Angestellten einer der größten Arbeitgeber in der Elbmarsch. Gegründet von Bruno Bock 1937, gehören noch heute die Kinder und Enkel zu den Gesellschaftern. Die Firma stellt Schwefelchemikalien unter anderem für die Kosmetikindustrie her und ist in der Herstellung bestimmter Säuren Weltmarktführer.

Die Führungsstruktur der Firma ist recht konservativ geprägt, sagt Dirk Hartung, Mitglied der Geschäftsleitung. „Wir haben in dieser Hinsicht Nachholbedarf. Das Führungsteam besteht aus sechs Männern, das liegt in der Historie der Firma begründet. Und die Fluktuation bei uns ist sehr gering.“ Als die erste Chemikantin Industriemeisterin wurde und Führungsaufgaben übernahm, glich das einer Revolution in dem Betrieb. Heute leiten Frauen das Labor, die Küche und die Forschungs- und Entwicklungsabteilung. Frauen in Führung sind in den vier McDonald’s-Filialen der Franchisenehmerin Frauke Petersen-Hanson in der Mehrheit: 75 Prozent beträgt der Frauenanteil in der ersten und zweiten Führungsebene. „Unser großer Vorteil ist das Drei-Schicht-System an sieben Tagen der Woche“, sagt die Managerin. „Die Flexibilität ist unser größtes Pfund. Außerdem zahlen wir 50 Prozent der Kindergarten-Kosten.“

Doch ob Frau oder Mann im Führungsjob, Betriebe werden ohnehin umdenken müssen, davon ist der Unternehmensberater Normen Ulbrich überzeugt. „Der demografische Wandel zwingt sie dazu. Die Erwerbsbevölkerung wird um 30 Prozent zurückgehen, und viele junge Männer wollen heute gar keine Führungsposition mehr, weil ihnen Zeit für die Familie wichtiger ist.“

Selbst eine Betreuung für kranke Kinder vorzuhalten, kann für Firmen eine Möglichkeit sein, dass Führungskräfte mit Familie auch trotz privater Notfälle arbeiten können. Möglich sind zum Beispiel Kooperationen mit Tagesmüttern, die kurzfristig einspringen. Gudrun Schauland vom Jobcenter Landkreis Harburg möchte kleine und mittlere Unternehmen zudem dazu ermutigen, sich zusammenzuschließen und eigene Kinderbetreuungen auf die Beine zu stellen.

Das FaMi-Siegel ist eine Gemeinschaftsinitiative in fünf Landkreisen der Region Nordostniedersachsen. Rund 100 Unternehmen und öffentliche Arbeitgeber tragen die Auszeichnung bereits und beweisen damit ihre familienfreundlichen Arbeitsbedingungen. Laut Mitinitiatorin Brigitte Kaminski beträgt deutschlandweit der Frauenanteil der Beschäftigten in der Privatwirtschaft 43 Prozent, der in der ersten Führungsebene 26 Prozent. Während 75 Prozent aller männlichen Führungskräfte Kinder haben, sind es bei den Frauen nur 56 Prozent. „Das Thema Frauen in Führung ist kein Selbstläufer“, ist die Leiterin der Koordinierungsstelle Frau und Wirtschaft überzeugt. Und das Thema Familie und Führung auch nicht.