Behörde kürzt Ein-Euro-Jobs: Kinderbauernhof, Harburger Stadtteilhelfer und Laurens-Janssen-Haus auf der Streichliste

Harburg. Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales kürzt weiter bei der Finanzierung von Ein-Euro-Jobbern und reduziert das Angebot bezahlter Arbeitsgelegenheiten (AGH). In Hamburg ist die Zahl der AGH-Teilnehmer seit 2010 von rund 10.000 auf derzeit etwa 3000 gesunken. Ab Februar 2015 wird es durch Kürzungen und Umverteilungen auch im Hamburger Süden zu weiteren zum Teil drastischen Veränderungen kommen. Auf der Verliererseite steht unter anderem der Kinderbauernhof in Kirchdorf-Süd, der bislang 18 Ein-Euro-Jobber beschäftigte und auf Null gesetzt wird. Von 25 auf Null stürzt auch das Laurens-Janssen-Haus in Kirchdorf-Süd, das gerade erst von den sozialen Einrichtungen Alsterdorfer Assistenz West, BHH Sozialkontor GmbH, Passage Gastronomie GmbH und dem Passage-Projekt „Nachbarschaftshilfe Kirchdorf-Süd“ als „Community Center Inklusiv“ in Funktion gebracht worden ist. Ebenfalls Streich-Opfer werden die „Stadtteilhelfer Harburg“. Im Falle dieser Einrichtung begleiten Ein-Euro-Jobber beispielsweise Bedürftige bei Arztbesuchen oder erledigen für sie Besorgungen.

Die gemeinnützige Passage GmbH mit Sitz in Harburg ist als sogenannter sozialer Träger eine der von den Kürzungen betroffenen Einrichtungen. Ihre Geschäftsführerin Gudrun Stefaniak ist zugleich stellvertretende Vorsitzende der Bundesarbeitsgemeinschaft BAG Arbeit, im Landesverband Hamburg, und damit an den Abstimmungen zu den von Bund und Land voran gebrachten Kürzungen beteiligt. „Wir wissen zur Zeit noch nichts über die Auswirkungen der Kürzungen auf den Bezirk“, sagt sie. Und Marcel Schweitzer, Sprecher der Sozialbehörde in Hamburg erklärt: „Bei berechtigten Klagen werden wir nach Lösungen suchen. Wir werden schauen, was für den Stadtteil wichtig ist. Es ist auch noch eine zweite Runde im Vergabeverfahren vorgesehen. Da kann sich noch etwas ändern.“

Soziale Träger-Einrichtungen wie Passage hatten im Juni an einem Interessenbekundungsverfahren von Jobcenter team.arbeit.hamburg teilgenommen, um ihren Bedarf an Ein-Euro-Jobbern anzumelden. Gudrun Stefaniak: „Passage hatte bislang in ganz Hamburg 144 Arbeitsgelegenheiten betreut. Wir hatten ab 1. Februar 2015 auf 150 Plätze erweitern wollen. Wir haben aber nur 75 Plätze zugesprochen bekommen. Umsetzen dürfen wir damit 50 statt zuvor 40 Arbeitsgelegenheiten in der Kleiderkammer Wilhelmsburg.“ Weitere Beschäftigte können in einer Kleiderkammer in Wandsbek sowie in einer neu geschaffenen, barrierefreien Einrichtung in Harburg untergebracht werden.

Gerd Horn, Vorsitzender des Vereins Kinderbauernhof in Kirchdorf Süd, ist Herz und Seele des 1987 gegründeten Freizeitprojekts. Er sagt: „Ich habe wenig Verständnis für die Entwicklung. Jahrelang sind bei uns die AGH-Kräfte aufgestockt worden, und wir haben gesundheitlich häufig schwierige Fälle zugewiesen bekommen. Darunter sind Menschen, die Ende 50 und schwer alkoholkrank sind. Wir haben sie auf dem Hof zumindest einigermaßen stabilisieren können. Es gab überhaupt keinen Hinweis, warum nun bei uns alle AGH-Kräfte wegfallen sollen. Ich selbst arbeite auf dem Hof 80 Stunden die Woche. Durch die Ein-Euro-Jobber hatten wir – von Küchenhilfe bis Tiere füttern und Stallausmisten – bislang Arbeitsleistungen von 300 Stunden. Wie wir das in Zukunft mit ehrenamtlichen Kräften ausgleichen sollen, weiß ich noch nicht.“ Ein-Euro-Jobber erhalten etwa 1,60 Euro pro Stunde, dürfen 30 Stunden pro Monat beschäftigt werden.

Sozialbehörden-Sprecher Marcel Schweitzer weist auf die übergeordnete Problemlage der Beschäftigung von Langzeitarbeitslosen hin. Er sagt: „Arbeitsgelegenheiten unterliegen engen Restriktionen hinsichtlich Zusätzlichkeit und Wettbewerbsneutralität, was einen produktionsnahen und sinnstiftenden Einsatz von Arbeitslosen extrem erschwert. Senator Scheele hat sich hierüber schon mit dem Bundesrechnungshof gestritten und nimmt dies zum Anlass, auf der Arbeits- und Sozialministerkonferenz im November das Thema erneut auf die Tagesordnung zu setzen.“

Schweitzer weist darauf hin, dass kommendes Jahr insgesamt 3631 Plätze im sozialen Arbeitsmarkt zur Verfügung stehen werden, aufgeteilt in „klassische Arbeitsgelegenheiten“ mit einem Kontingent von 2320 Plätzen, 500 Plätzen in neuer Aktivcenter-Maßnahme, 411 Plätze in „Förderzentren“ sowie 400 Plätze im Programm „Förderung von Arbeitsverhältnissen“ (FAV), das die Beschäftigung von schwer vermittelbaren Arbeitslosen in Betrieben sichert. Schweitzer: „Kommendes Jahr werden demnach für Langzeitarbeitslose im Sozialen Arbeitsmarkt gut 200 Plätze oder knapp sechs Prozent mehr zur Verfügung stehen als dieses Jahr.“ Ziel sei es grundsätzlich, auch Langzeitarbeitslose in eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung des ersten Arbeitsmarkts zu vermitteln.

Nach Angaben der Sozialbehörde mangelt es bereits an Klienten, die über Arbeitsgelegenheiten (AGH) gefördert werden können. Schweitzer: „Dann macht es auch keinen Sinn, ein Riesenprogramm aufzulegen, für das es nicht genügend Menschen gibt. Hinzu kommt, dass der Betrieb von Suppenküchen und Stadtteilcafés mit dem Einsatz von Langzeitarbeitslosen über das Mittel AGH scharfen Regularien unterliegt, die der Bund vorgibt. Die Einhaltung dieser Regeln wird vom Bundesrechnungshof überprüft, weshalb Jobcenter team.arbeit.hamburg sehr genau darauf achten muss, welches Projekt über eine AGH-Maßnahme indirekt unterstützt wird. Hier ist insbesondere die Vorgabe der Zusätzlichkeit wichtig.“

Die Sozialbehörde weist auf ihr Interesse hin, soziale Projekte am Laufen zu halten. Schweitzer: „Deshalb haben wir die Maßnahmen über die Aktivcenter geschaffen, damit zum Beispiel Stadtteilcafés und Suppenküchen weiter betrieben werden können. Komischerweise wird uns nun von den Trägern vorgeworfen, wir würden Null-Euro-Jobs schaffen. Dabei sind alle Angebote im Sozialen Arbeitsmarkt Qualifizierungsmöglichkeiten und keine Jobs. Wir sind übrigens mit allen Trägern sozialer Projekte auch außerhalb des Vergabeverfahrens für AGH im Gespräch darüber, wie die Projekte anderweitig finanziert werden können.“